Wie Wählergänse gerupft werden
Immer noch ist keine Bundesregierung gebildet worden. Die Parteien haben keine Eile und Deutschland befindet sich in einem Schwebezustand, so daß Zeit für einen Blick zurück auf den Wahlkampf ist. Zur Bundestagswahl hatten die großen Parteien ihre Steuerkonzepte in die Wahlprogramme geschrieben. Etwas verkürzt wiedergegeben sah das so aus:
CDU und FDP wollten die kalte Progression bei der Lohn- und Einkommenssteuer abschaffen, die FDP zusätzlich den Soli.
Die SPD wollte einen höheren Spitzensteuersatz, die Änderung des Ehegattensplittings und eine höhere Abgeltungssteuer von 32%.
Grüne und Linke wollten den Grundfreibetrag anheben und zusätzlich einen höheren Spitzensteuersatz. Außerdem eine Vermögensabgabe und die Abschaffung des Ehegattensplittings. Die Linken wollten zusätzlich die Abschaffung der Abgeltungssteuer.
Alle diese Vorschläge gehen an den Bedürfnissen einkommensschwacher und normaler Bürger und Familien wirklich meilenweit vorbei.
Das liegt daran, daß die Steuerarten, mit denen die Parteiwerbung bestritten wurde, gerade für Gering- und Normalverdiener wirklich nebensächlich sind. Ein Geringverdiener zahlt nämlich fast keine Lohn- und Einkommenssteuer. Für ihn ist es in der Regel auch egal, wie hoch seine Zinserträge besteuert werden, weil er keine oder wenig hat. Auch die Abschaffung des Soli hätte ihn nicht groß begünstigt. Eine Vermögensabgabe, eine Millionärssteuer und eine höhere Erbschaftssteuer würde ihm zwar indirekt etwas nützen, aber nur wenn im Gegenzug von dem Zusatzsteuerertrag dieser Erhöhungen die Verbrauchs- und Verkehrssteuern gesenkt werden würden. Aber die Senkung der indirekten Steuern stand bei keiner großen Partei im Wahlprogramm.
Die Lohnsteuer machte 2012 nur noch 27,2 % der deutschen Steuereinahmen aus (1997 waren es noch über 35 %). Davon zahlen die Durchschnitts- und Geringverdiener sehr wenig. Die Umsatzsteuer und Einfuhrumsatzsteuer machte im selben Jahr 35,5 % des Steueraufkommens aus. Und davon zahlen die Einkommensschwachen relativ viel. Jeder Hartzer zahlt monatlich 44 € Umsatzsteuer auf seinen Regelsatz.
Dasselbe gilt für die übrigen Verbrauchs- und Verkehrssteuern. Es sind die Tabaksteuer, die Kaffeesteuer, verschiedene Alkoholsteuern, Energiesteuer, Stromsteuer, Kfz-Steuer, Grunderwerbsteuer, Lotteriesteuer, Versicherungssteuer, Feuerschutzsteuer, Hundesteuer und einige seltene Kommunalsteuern. 2012 machten diese Steuern immerhin 19,8 % des deutschen Steueraufkommens aus. Für den durchschnittlichen Beschäftigten machten diese Steuern etwa 140 € monatlich aus. Für den Raucher war es noch wesentlich teurer. Wer eine Schachtel am Tag raucht, zahlt alleine 82 € Tabaksteuer im Monat.
Gegen die Umsatzsteuer und die übrigen indirekten Steuern ist die Lohnsteuer für den Gering- und Durchschnittsverdiener ein Klacks. Aber über diesen Klacks streiten sich die Parteien. Das wäre nicht so schlimm, denn diese Parteien machen Werbung für sich. Und bei Werbung erwartet niemand Seriosität.
Da sind aber die Medien, die den Akteuren der Politik die Maske vom Gesicht reißen sollen und Mogeleien aufdecken. Die Journalisten hätten eigentlich aufdecken müssen, daß an der Werbung was nicht stimmt. Die Medienhuren haben da voll versagt.
Es hat sich in den letzten Jahrzehnten viel geändert in Deutschland. Die Verbrauchs- und Verkehrssteuern machten 2012 303 Mrd. € aus, das sind 55,4 % des Steueraufkommens. Sie bringen inzwischen den doppelten Ertrag wie die Lohnsteuern. Neu sind zum Beispiel die Stromsteuer mit ihren Trabanten EEG und KWK, die Zwischenerzeugnissteuer und die Rundfunkabgabe. Zwischenerzeugnisse sind übrigens Alkoholgetränke, die nicht unter die Bier-, die Sekt,- und die Alkopopsteuer fallen. Namen denken sich die Finanzbeamten aus…
Die ganzen Steuern, mit denen die Vermögenden gezwiebelt werden, bringen nur geringe Erträge: die Erbschaftssteuer knapp 0,8 %, die Kapitalertragsteuer 3,7 % und die Abgeltungssteuer auf Zinserträge 1,5 % des Steueraufkommens 2012. Da diese Steuern auch von Normalos gezahlt werden (fast jede Oma hat ein Sparbuch und jeder erbt auch mal was) kann man diese Steuern nicht beliebig in die Höhe schrauben. Es wird von den Linksparteien immer der Eindruck erweckt, daß damit viel Geld zu holen ist, aber das ist falsch. Die Erhöhung der Zinsabschlagsteuer von 25 auf 32 % wie von der SPD gefordert hätte einen Mehrertrag von 2,3 Mrd. € gebracht, weniger als ein halbes Prozent des gesamten deutschen Steuerertrags.
Am meisten holen die Politiker eben vom Normalbürger über Umsatzsteuern, Energiesteuern und Genußmittelsteuern. Wer den kleinen Mann entlasten will, muß die Verbrauchssteuern senken. Darüber wurde in Presse und Funk nicht ein Wort verloren. Darum war die ganze Berichterstattung in den Medien über Steuerkonzepte der Parteien eine Geister- und Gespensterdiskussion. Die Wähler haben ihr Wort gesprochen, aber wirklich informiert waren sie nicht.
Bei der Erhebung von indirekten Steuern merken die meisten Bürger nicht was ihnen geschieht. Sie sind im Preis von Waren und Leistungen versteckt. Maximilian von Béthune, Herzog von Sully (1560 bis 1641) wurde 1597 an die Spitze der französischen Finanzen gestellt, tilgte die Staatsschuld, schaffte viele überflüssige Ämter ab, vereinfachte das Steuerwesen, baute Straßen und förderte die Wirtschaft. Von ihm stammt die Maxime: „Die Kunst Steuern einzunehmen, ist die Kunst die Ganz zu rupfen, ohne daß sie schreit.“