Der Zusammenhang zwischen Außen- und Innenpolitik in totalitären Regimen
Seit der Jahrtausendwende setzt Deutschland wieder auf außenpolitische Provokationen, um innenpolitische Effekte der Zustimmung zu erheischen. Ich erwähne hier nur mal die Nichtgratulation anläßlich der amerikanischen Präsidentenwahl, die öffentliche Herabsetzung von italienischen Politikern, die Einmischung in innerbritische Entscheidungen, die Sanktionen gegen Österreich und unsägliche Geschmacklosigkeiten betreffend die Türkei, die Vereinigten Staaten und Polen im deutschen Staatsfernsehen. Außenpolitik durch Staatspropaganda zur volkstümlichen Empörungssache zu machen war früher Kriegsvorbereitung. Heute ist es Dummheit. Die Retourkutschen kommen wie immer mit einiger Verzögerung. Gerade gräbt Erdogan das Kriegsbeil aus, nachdem er von Deutschland als Sodomist beleidigt worden war. Das ist für moslemische Mannesehre unverzeihlich und verlangt Rache. Das Ziegengedicht hätte Böhmermann im Privatfernsehen vortragen können, auf einem Staatskanal war es ein unverzeihlicher Fehler, der in normalen Zeiten zum Rücktriit der Kanzlerin hätte führen müssen.
Joachim Fest hat das Phänomen der Verknüpfung von staatlicher Stimmungsmache und Politik in seinem Buch „Hitler, eine Biographie“ (Ullstein 2003) am Beispiel des Nationalsozialismus abgehandelt. Dasselbe kann man über fast jede Diktatur schreiben:
„Das politische Geschehen der Erfolgsperiode war begleitet von einem pausenlosen Feuerwerk großer Schaustellungen, von Paraden, Weihestunden, Fackelzügen, Höhenfeuern, Aufmärschen. Man hat schon frühzeitig auf den engen Zusammenhang verwiesen, der in den totalitären Regimen zwischen Außen- und Innenpolitik besteht; weit enger ist offenkundig der Zusammenhang dieser beiden mit der Propagandapolitik. Gedenktage, Zwischenfälle, Staatsbesuche, die Einbringung der Ernte, oder der Tod eines Gefolgsmannes, der Abschluß oder der Bruch von Verträgen schaffen eine Szenerie immerwährender Exaltation und dienten unterschiedslos als Impuls zur Entfaltung weitläufiger psychotechnischer Künste mit dem Ziel, das Volk immer dichter zu integrieren und ein allgemeines Mobilmachungsbewußtsein zu erzeugen. Dieser Zusammenhang war im Staat Hitlers besonders eng und farbenreich geknüpft, so eng, daß mitunter gleichsam eine Gewichtsverlagerung eintrat, in deren Verlauf die Politik geradezu ihren Vorrang einbüßen und zur Magd grandioser Theatereffekte zu werden schien. (…) Unwillkürlich kam immer wieder seine (Hitlers) theatralische Natur zum Vorschein und verführte ihn dazu, die politischen Kategorien den inszenatorischen nachzuordnen. Die Herkunft Hitlers aus der spätbürgerlichen Bohème, seine anhaltende Verwurzelung darin, war in diesem Amalgam von ästhetischen und politischen Elementen unverwechselbar kenntlich.“
Besonders aufwändige und farbenprächtige Spektakel hat die Kim-Dynastie in Nordkorea auf die Beine gebracht. Die Besuche des rumänischen Führers, des ostdeutschen Statthalters Honecker, oder kürzlich des kubanischen Präsidenten wurden zu innenpolitischen Machtdemonstrationen hochgefahren, die das ganze Land beschäftigten. 300.000 Tänzer und 500.000 Sänger bringt man nicht von heute auf morgen auf die Beine. Jeder Nordkoreaner wußte nach so einer Visite wieder wo der Hammer hängt.
Derzeit gehen die Berliner Machthaber subtiler vor, was jedoch nicht bedeutet, daß darauf verzichtet wird, die Außenpolitik mit Stimmungen und Moralin aufzuladen. Der eigentliche Zweck: Deutschland irgendwelche handelspolitischen oder bündnistechnischen Vorteile zu verschaffen, geht dabei völlig unter. Pragmatismus wird Ideologie geopfert, Kosten sind den Agitatoren völlig egal.
So ein propagandistischer Hammerschlag der Berliner Pseudoelite ist die Idee eines europäischen Flugzeugträgers. In welchem Meer soll der denn schippern? In der Ostsee, im Mittelmeer, oder als Kompromiß im Atlantik? Frankreich ist angesichts der deutschen Rüstungsexportbeschränkungen von dieser Schapsidee entsetzt. Wenn die Kanzlerin mal ins Archiv gehen würde, könnte sie studieren, welchen innen- und außenpolitischen Schaden das Projekt des Panzerkreuzers A in der Weimarer Republik angerichtet hat. Der wurde übrigens nach vier Jahren Bauzeit auch fertig, und war das modernste Schiff dieser Klasse. Heutzutage ein deutsches Großprojekt anfangen? Sind BER, Stuttgart 21 und die Elbphilharmonie nicht Warnung genug? Selbst die überschaubare Gorch Fock ist ein Festival des Dilletantismus.
Der Brexit, die Asylkrise, die Krise der NATO, das schon begonnene internationale Kesseltreiben gegen die deutsche Autoindustrie, die verschiedenen Spaltungen Europas lassen aufhorchen. Es sind die Früchte ideologiegesteuerter Berliner Außenpolitik.
Großer Text
Eine interessante Beobachtung: Dass sich die Merkel-Regierung in ihren Methoden immer mehr autokratischen System annähert. Dass sie Außenpolitik nicht mehr zum Wohl des Landes, sondern zu propagandistischen Unterstützung des Regimes verwendet, mit entsprechenden schädlichen Folgen. Danke, Wolfgang Prabel!
Bei den darstellerischen Qualitäten hapert’s aber bei den heutigen Protagonisten ein wenig.