Maoisten finden Trotzkisten nazi
Weimar war noch in den sechzigerJahren eine überwiegend mittelbäuerlich geprägte Stadt. Die Figur des Kellners Mager im Film „Lotte in Weimar“ charakterisiert die Ureinwohner treffend. Um Kultur zwar äußerlich bemüht, aber im Kern Banausen.
Der Dichterfürst Goethe ließ im nach ihm benannten Park ein Sandsteinmonument für den Geist des Ortes – den genius loci – errichten. Eine Schlange windet sich ein Postament herauf, um eine Semmel zu erlangen. Die Schlange ist das Sinnbild der Tücke und das Brötchen das der Banalität. Die Klassikstiftung pflegt ein heiles Bild von Weimar und klärt über die wirkliche Meinung des Geheimrats zu seiner Wirkungsstätte nicht auf. Als Erstensklässer lernte ich von meinen Mitschülern erst mal ein bildungsskeptisches Skandalgedicht:
Goethe, bopöte, hat im Asch ne Flöte, Schiller bopiller hat im Arsch nen Triller.
Es war für uns richtige Jungs unfein in Museen oder gar ins Theater zu gehn. Es gab da einen Gruppenzwang, wie heutzutage unter Moslems Ungläubige zu verachten. Ich habe bis heute viele Stätten der deutschen Klassik nie besucht, wo die Touris scharenweise durchgetrieben worden sind. Das Römische Haus, das Schloß Tiefurt, das Wittumspalais, das Wielandgut, die Fürstengruft…
Trotzdem habe ich angefangen die entstandenen Defizite aufzuarbeiten. Nach der Fahrt von Wolfgang Stumph nach Italien habe ich die „Italienische Reise“ gelesen. Es ist übrigens bezeichnend, daß der Kultfilm über die deutsche Einheit „Go Trabi Go“ zu zwei Dritteln in Rom und Umgebung gedreht worden ist. Die Filmemacher sind damit vielen störenden Details aus dem Weg gegangen.
Jetzt bin ich gerade dabei das Buch von Rüdiger Safranski über Goethe und Schiller zu studieren. Dabei fiel mir auf, daß auch der hochgelahrte Klassizist Safranski wie fast der gesamte niedere Dienstadel der alten Bundesrepublik mal Maoist war.
Also in der Zone kannte ich nicht einen einzigen Anhänger des Großen Vorsitzenden Mao. Das wäre ein weißer Elefant gewesen. Meine volkstümliche Freundin hatte in Lichtenberg mal eine Maobibel organisiert. Sie ist ihr gestohlen worden, bevor sie das Heftel überhaupt aufgeschlagen hatte, auch weil sie anderweitig gut beschäftigt war.
Im Osten waren die 68er entweder Trotzkisten oder einfach Träumer wie Biermann. Die einzig mögliche halboffene und dreimal durch den Wolf gedrehte Kritik an den Zuständen verbrämte sich als Sucht nach einem besseren Sozialismus, und der Prototyp dieses dogmatischen Sozialismusverbesserers war nun einmal Trotzki und nicht Mao. Lehrer und Professoren aus dem offenen Fenster des vierten bis zehnten Stocks rauszuwerfen, das wäre dem durch die pedantische Schule der deutschen Lebensreform gegangenen Bolschewiken Trotzki nicht in den Sinn gekommen. Er hätte sie ordentlich erschießen lassen.
Mao hinterherzurennen, da mußte man schon so runtergekommen sein, wie die kleinbürgerlichen Revoluzzer in Marburg, Göttingen oder Westberlin.
Nun sind 50 Jahre vergangen und die Exmaoisten beschimpfen uns als Nazis und wir halten sie wiederum für gehinigewaschen und PC-verseucht. Die deutsche Einheit ist sowas von gescheitert…
Beitragsbild: Goethe stiftet den jungen Großherzog zu Eskapaden an. Charlotte vom Stein jammerte immer über diese Abenteuer.
Yo, ich war auch jugendlicher Biermannträumer. Geheilt wurde ich durch meine westlichen Altersgenossen, die mit Ho-Ho-Ho-Chi-Min Rufen über den Kudamm rannten.
Schöner Stich Goethe – Ernst August, meine Oma raunte gelegentlich was von unehelichen Kindern und deren in Ilmenau lebenden Nachkommen der beiden Schwerenöter.
Mein Vater wurde in den 50ern von Dr. Hirsch, dem letzten Prinzenerzieher, mal stundenlang durch Weimar geschleift, wo ihm der Doktor die Stätten aller sexuellen Eskapaden des Dichterfürsten zeigte. Leider ist das Wissen inzwischen verlorengegangen.
Getretner Quark
Wird breit, nicht stark.
Ein Herre mit zwei Gesind,
Er wird nicht wohl gepflegt.
Ein Haus worin zwei Weiber sind,
Es wird nicht rein gefegt.
Dies zwei Schmankerl aus dem „Buch des Unmuts“ im Westöstlichen Divan — in einer Tonlage, die man sonst eher wohl nicht mit dem Meister assoziiert. Aber er war halt ein ungemein vielseitiger Mensch und Autor. Wie ich selbst ebenfalls in den letzten Monaten die Erfahrung machte, und weiterhin mache: Es lohnt sich, ihn zu entdecken.
Von Biermann hörte ich das erste Mal bei der Armee, als Wehrdienstler aus Ostberlin heimlich, aber mit viel Bohei Ormig-Abzüge mit Biermanntexten kreisen ließen. Die Berliner fühlten sich ob dieser abgegriffenen Papiere als Mittelpunkt der großen DDR-Welt und ließen das die übrigen Provinzler deutlich spüren.
Ich kann diesen pseudo-intellektuellen, salon-revoluzzerischen Texten Biermanns bis heute nichts abgewinnen. Gundermann war da ehrlicher.
Aber in Biermanns aufgeblasenem Windschatten formierten sich über die Jahre Kompanien von „Regimegegnern“, die nach der Wende gefeiert wurden – diesmal von den pseudointellektuellen Salon-Demokraten aus dem Westen.
Die deutschen „Intellektuellen Kulturschaffenden“ stellen bis heute in der deutschen Geschichte den größten Teil der Versager und Verräter am Volk. Parasiten wäre ein angemessenerer Ausdruck für diese weltfremden Heuchler – über alle Staats- und Regierungsformen hinweg..
Goethe war mir da von Anfang an wesentlich sympathischer – vor allem wegen seiner Eskapaden mit C.A. und seiner in manchen Werken volksnahen Sprache.
Ganze, mit Staatsknete gutbezahlte und ein gesichertes, ruhiges Dasein fristende „Wissenschaftler“- Legionen beschäftigten sich schon zu DDR-Zeiten in Weimar mit zur Religion aufgeblasenen Themen wie der Rolle der Bedeutung von Bauhaus, Weimarer Klassik und Theater-„Kunst“ – bis heute.
„Ich kann diesen pseudo-intellektuellen, salon-revoluzzerischen Texten Biermanns bis heute nichts abgewinnen. Gundermann war da ehrlicher.“
Ganz meine Meinung! Und das Schweigen dieses Herrn heute, zeigt dazu, wie man solche Leute schnell korrumpiert. Geld statt Überzeugung. Verlogene Heuchler sind das!