Von der Lohnerhöhung kassiert immer mehr das Finanzamt
Früher stritten sich Arbeitnehmer und Unternehmer um die Aufteilung des Unternehmensertrags. Das lohnte sich auch – zumindest für den Arbeitnehmer. Denn der Staat bekam vom Arbeitnehmer und vom Unternehmer fast nichts. Was der Arbeitnehmer dem Unternehmer abverhandelt hatte, konnte er für sich und seine Familie ausgeben. Sozialabgaben gab es vor 1890 im wesentlichen nicht und die Steuern waren lächerlich gering. Heute lohnt sich der Streit zwischen Arbeiter und Unternehmer um den Ertrag eines Unternehmens kaum noch. Die Steuern haben eine Höhe erreicht, daß vorrangig die Frage ist, ob der Staat die Steuern vom Arbeitnehmer oder vom Unternehmer bekommt. Der Arbeitnehmer ist zwischen Unternehmer und Staat eingeklemmt. Erstreitet er mehr Lohn, kassiert den Zuwachs der Fiskus. Behält der Unternehmer mehr Gewinn, bekommt den auch überwiegend das Finanzamt.
Man muß die Größenverhältnisse zwischen Lohn, Gewinn und Steuern um 1870, 1930 und 2007 mal vergleichen. Dann erkennt man den gesellschaftlichen Wandel von einer Klassengesellschaft zu einer Staatsökonomie sofort. Vor Steuern sieht das so aus:
Jahr |
Bruttolohnquote |
Bruttogewinnquote |
43 % |
57 % |
|
60 % |
40 % |
|
2007 |
66 % |
34 % |
Bei der Bruttogewinnquote muß man berücksichtigen, daß die Einkommen aller Selbständigen in dieser Betrachtung als Gewinne erfaßt werden. Diese Selbständigen sind Landwirte, Freiberufler, Unternehmer, Handwerker und Händler. Sie machten 1870 bedingt durch die vielen Kleinlandwirte noch locker die Mehrheit der Bevölkerung aus. 2007 waren in Deutschland etwa 11 % der Vollzeitbeschäftigten unternehmerisch tätig. Der Rückgang der Bruttogewinnquote hängt mit dem Rückgang der Selbständigen gemessen an der Zahl der wirtschaftlich Tätigen zusammen. Andererseits sind die höchsten Einkommen heutzutage Löhne. Es handelt sich um die Vergütungen von Dax-Vorständen und Bankern, die ja meist Angestellte ihrer Unternehmen sind. Das war 1870 anders. Da waren viele Großunternehmen noch keine Kapitalgesellschaften, sondern Einzelunternehmen mit persönlicher Verantwortung.
Durch Steuern und Abgaben reduzieren sich Lohn und Gewinn. Für den Arbeitnehmer kann man so rechnen: von 66 % Bruttolohnquote gehen 20 % Sozialabgaben ab, ungefähr 6 % Lohnsteuer (131 Mrd. €) und 5 % Verbrauchssteuern. 66 % x (1 – 0,20 – 0,06 – 0,05) = 46 %. Andererseits ist die Nettogewinnquote das, was zwischen Abgabenquote und Nettolohnquote übrigbleibt. Nach den Abgaben sieht die Tabelle etwa so aus:
Jahr |
Nettolohnquote |
Nettogewinnquote |
Abgabenquote |
1870 |
40 % |
50 % |
10 % |
1930 |
53 % |
27 % |
20 % |
2007 |
46 % |
17 % |
37 % |
Von 1930 bis 2007 hat der Anteil abhängig Beschäftigter an der Zahl der Erwerbstätigen zugenommen, während die Nettolohnquote abgenommen hat. Verursacher ist eindeutig der Staat, der die Zahl seiner Beschäftigten ausgeweitet hat. Nach 2007 ist die Abgabenquote weiter gestiegen. Man muß auch wissen, daß in der offiziellen Abgabenquote viele Dinge nicht enthalten sind: Rundfunkabgabe, Abwasserabgaben, KWK- und EEG-Umlage usw. Die Abgabenquote wird in der offiziellen Statistik manipuliert.
Die Nettolöhne sind in den letzten Jahren deutlich gesunken. Das liegt überwiegend an gestiegenen Verbrauchssteuern. Gestiegen sind die Umsatzsteuer von 12 auf 19 %, die Tabaksteuer und die Mineralölsteuer, die jetzt Energiesteuer heißt. Neu erfunden wurden die Stromsteuer und die Rundfunkabgabe, die im Kern eine Steuer ist. Dazu natürlich noch zahlreiche Umlagen wie EEG und KWK. Nettolöhne sind nicht die Löhne nach der Lohnsteuer und den Sozialabgaben, sondern Nettolöhne sind Löhne nach Lohnsteuer, Sozialabgaben und Verbrauchssteuern.
Die Lohnsteuern sind von 1997 bis 2012 wesentlich geringer gestiegen, als die Verbrauchssteuern. Mit den Verbrauchssteuern werden die Werktätigen enteignet:
Steuer |
1997 in Mrd. € |
2012 in Mrd. € |
Steigerung % |
Lohnsteuer |
127 |
149 |
17,3 |
Umsatzsteuer |
102 |
142 |
39,2 |
Energie- und Stromsteuer |
34 |
46 |
35,3 |
Grundsteuer B |
7,6 |
11,6 |
52,6 |
Tabaksteuer |
10,8 |
14,3 |
32,4 |
Der Kampf um höhere Nettolöhne kann nur gewonnen werden, wenn die Steuer- und Abgabenlast sinkt. Denn die Steuern und Abgaben sind mit 37 % wesentlich höher, als die Nettogewinne mit etwa 17 %. Und aus den Nettogewinnen beziehen immerhin 11 % der Bevölkerung ihren Lohn. Wer angesichts der Größenverhältnisse bei der Aufteilung des Kuchens immer noch Klassenkampf predigt, schiebt den Mond noch mit der Stange.
Für den Lohnempfänger ist es natürlich nicht egal, welche Steuern sinken. Die Verbrauchssteuern müssen gesenkt bzw. abgeschafft werden, da sie den Löwenanteil der Belastung für die kleinen Leute ausmachen.
Die Gewerkschaften werden im zukünftigen Kampf um höhere Löhne keine Rolle mehr spielen: Da sie sowohl die Beschäftigten in der Privatwirtschaft vertreten, als auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, können sie keine klare Position beziehen. Der öffentliche Dienst will immer höhere Steuern, da er nur bei hohen Steuern hohe Löhne zahlen und wachsen kann. Im Interesse der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft sind höhere Steuern nicht. Sie ruinieren seinen Nettolohn.
Gewerkschaften sind nicht die Lösung des Problems, sie sind Teil des Problems.
Die wahre Quote, die an den Staat abgeführt wird, dürfte höher liegen. Was in meinen Augen gerne unterschlagen wird (auch hier), ist der Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung. Warum dieser „stille“ Lohnanteil nicht dem Arbeitnehmer zugerechnet wird, hat sich mir nie erschlossen. Vermutlich weil die Abzüge sonst noch brutaler aussehen würden. Nehmen wir doch mal einen gut verdienen Angestellten:
100 BruttoBruttolohn
-20 Rentenversicherung
-15 Krankenversicherung
– 5 Arbeitslosenversicherung
– 2 Pflege
-18 Lohnsteuer (dürfte bei einem Normalverdiener höher liegen)
=40 Netto (Ausschüttungsbetrag)
– Mineralölsteuer/Ökosteuer/Energiesteuer
– Tabaksteuer/Alkoholsteuer
– Grunderwerbsteuer/Grundsteuer
– Mehrwertsteuer/GEZ/KFZ-Steuer
– sonstige Abgaben (Bauanträge, Pässe, Kinderbetreuung… usw)
Gehen wir mal pauschal von weiteren 10 aus
= 30 NettoNetto vor Zinsen
– gehen wir weiterhin davon aus, das mittlerweile 30% der Produzentenpreise aus Zinsen bestehen und das viele von uns für diverse Kredite (Immo, Auto, sonstige Konsumentenkredite) kräftig Zinsen zahlen, nehmen wir weiter 10 Punkte an
= 20 verbleiben zum Leben
Tja, mit diesen 20 von 100 ernähren wir uns, wohnen wir, kleiden uns, versichern wir uns und konsumieren wir… und das bei einer Annahme von 18% Lohnsteuer (was eher konservativ ist)…
Dann geht mal wieder alle Kreuze machen im September!!!