Das Grundgesetz kennt keine Vertragsfreiheit
Der Focus berichtete: „Menschen mit nichtdeutschem Namen oder Aussehen haben es vielerorts bei der Wohnungssuche schwer. Meist wird von Vermietern mehr oder weniger dreist ausgesiebt. Eine Wohnungsanzeige aus Duisburg zeigt, dass viele daraus auch gar kein Geheimnis mehr machen – sie können es sich leisten.“
„Eigentümer wünscht als Hauptmieter einen deutschen Berufstätigen mit positiver deutscher Schufa-Auskunft“, so lautete eine Wohnungsanzeige in den „Ebay Kleinanzeigen“. Dabei ging es nur um die Dachwohnung in einer Großstadt.
Sicher ist die Angst vor Mietnomaden begründet. Die deutsche Gesetzgebung tut alles, um sie vor dem Vermieter zu schützen. Aber leider hilft eine deutsche Abkunft gegen Zahlungsausfall nicht. Der Autor hat da leider so seine Erfahrungen. Eher gilt das Gegenteil. Die Wohnungen von Leuten, die noch nicht lange da sind, zahlt im Regelfall der Steuerzahler und da kommt die Miete immer pünktlich.
Es ist eher die Sorge, daß die Wohnung runtergehunzt wird. Viele Vermieter klagen nach dem Auszug von Ausländern aus Asien oder Afrika über die hohe Abnutzung von haustechnischen Anlagen und von Ausbauelementen. Ich habe das selbst mal gesehen. Im Nachbarhaus wohnte ein Schneider, der mit seiner Frau und seinen vier Kindern in den Westen abgehauen war. Das Haus wurde anschließend von der Kommandantur beschlagnahmt und an russische und tartarische Offiziere zur Nutzung übergeben. Bereits nach einem Vierteljahr war das Treppengeländer abgebrochen und der Küchenherd funktionierte nicht mehr. Erste Fensterscheiben waren durch Pappe ersetzt worden. Nach 1990 mußte das Haus abgerissen werden, weil sich eine Instandsetzung nicht mehr lohnte. Man muß auch immer bedenken, daß ein Haus erst nach 40 Jahren abgeschrieben ist. Es gibt also gute Gründe, sich ordentliche Mieter zu suchen.
Das sollte man nicht mit Hilfe einer Anzeige machen. Denn dann verstößt man gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), vulgo als Diskriminierungsgesetz geläufig. § 19 des Gesetzes behandelt das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot:
(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die
1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (…) ist unzulässig.
(3) Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig.
Der Absatz 3 betrifft jedoch nur Großvermieter, die davor geschützt werden sollen, daß ein Wohnblock oder ein Siedlungsgebiet wirklich „kippt“.
Der § 19 ist eigentlich nicht das Problem, sondern der § 22 des Gesetzes:
„Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.“
Die „eine“ Partei ist der Mietbewerber, die „andere“ regelmäßig der Vermieter.
§ 19 bedeutet, daß der Vermieter eine umfangreiche Dokumentation anlegen muß, die seine Unschuld beweist. Und das ist teuer, weil es kaum ohne Rechtsberatung geht. Jedes Gespräch mit Interessenten muß dokumentiert werden, Gründe für die Entscheidung müssen gerichtsfest dargelegt werden können. Wer nicht gerne schreibt, und keine Beratungsverträge mit Anwälten hat, sollte die Finger von allen Geschäften lassen, die öffentlich beworben werden.
Der Vermieter aus dem „Focus“ hat eine große Dummheit begangen. Man darf Anzeigen, die Wohnungen und freie Arbeitsplätze betreffen, nie öffentlich machen. Es gibt so viele Möglichkeiten, freie Stellen oder freie Wohnungen über den Buschfunk zu publizieren. Und die Erfahrung lehrt: Man bekommt dann die besseren Mieter bzw. Mitarbeiter. Es gibt immer Leute, die fähige und angenehme Zeitgenossen persönlich kennen. Über solche Kanäle macht man die besten Geschäfte, denn zu einem Rechtsgeschäft, gleich welcher Art, gehören die Zwillinge Vertrauen und Mißtrauen.
Diese beiden Gefühle sind nicht justizialbel und nicht dokumentierbar. Sie lassen sich nicht in Tabellen einhegen oder mit Punktevergaben domestizieren. Alle Versuche der Formalisierung und Mathematisierung von Entscheidungen führen ins Nichts. Oft ist an Wertungsschemen – auch von staatlichen und quasistaatlichen Stellen – so lange herumgedreht und herumgedoktort worden, bis doch der Mieter bzw. Bewerber herauskam, den man eigentlich sowieso schon immer haben wollte.
Ein bißchen Gewerbefreiheit und Vertragsfreiheit sollte man sich schon erkämpfen, auch wenn diese Rechte im Grundgesetz nicht verankert sind. Denn ohne Vertragsfreiheit, das heißt ohne einen gegenseitigen Willensakt beim Eingehen von Verträgen, gibt es überhaupt keine Freiheit. Das Gegenteil von Vertragsfreiheit ist außerökonomischer Zwang, ist Plan- und Befehlswirtschaft, kurz ökonomische Diktatur. Und der Bruder der ökonomischen ist die politische Diktatur. Selten sind Staaten mit ökonomischer Freiheit Diktaturen. Und Befehlswirtschaften sind fast nie Demokratien.
Deutschland verläßt die Fundamente wirtschaftlicher Freiheit und gleitet langsam politisch in eine alternativlose Diktatur ab.
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