Die afrikanischen Häfen sind der Schlüssel
Europa hat jahrhundertelang einen verzweifelten Kampf gegen sarazenische und berberische Korsaren geführt. Insbesondere die Küsten Italiens, Südfrankreichs, Portugals und Spaniens, aber auch Irlands, Islands und Großbritanniens einschließlich der vorgelagerten Insel mußten ständig geschützt werden. Staaten wie das Königreich beider Sizilien und der Kirchenstaat schöpften ihre Legitimität vor allem aus dieser Aufgabe. Alle paar Kilometer entfernt stand ein sogenannter Türkenturm. Der Inselstaat Malta war eine einzige Festung und ein gewaltiges Arsenal. Hunderte Kreuzritter kämpften auf See ständig mit den beutegierigen Korsaren. Das östliche Mittelmeer wurde von der Seerepublik Venedig einigermaßen saubergehalten.
Trotzdem wurden bis etwa 1830 ständig Europäer gefangen und versklavt. Verantwortlich waren vor allem die sogenannten Barbareskenstaaten. Seit dem 17. Jahrhundert bildeten Algier, Tunis und Tripolis weitgehend unabhängige Staaten, die von Seeräuberei, Menschenjagd, Versklavung, Auslösungen und Tributen lebten. Im frühen 19. Jahrhundert stieß noch Marokko dazu. Modernen Schätzungen zufolge wurden allein zwischen 1530 und 1780 etwa 1,25 Millionen Europäer versklavt, die meisten davon durch Raubzüge an den Küsten Italiens, Spaniens und Portugals.
Die Moralisten geißeln immer nur die Verschleppung von Afrikanern nach Amerika. Aber gegen die Unmoral der Versklavung von Europäern und Amerikanern in Afrika sind sie völlig blind und taub. Obwohl die Versklavung von Italienern, Spaniern und Deutschen genauso skandalös war. In der Seefahrerstadt Hamburg wurde im 18. Jahrhundert beispielsweise permanent gesammelt, um Sklaven auszulösen. Als Beitragsbild habe ich den Türkenturm Olevano eingestellt, der 1700 von den frommen Päpsten errichtet wurde, um die Küste des Kirchenstaats zu schützen. Der Küstenschutz blieb löchrig. 1720 verschleppten Korsaren aus Tunis unter den Augen der Turmwächter 25 Frauen, darunter auch die Frau des Turmkommandanten.
Ab 1785 waren auch US-Bürger von der Sklaverei betroffen. Die US-Regierung schloss aus Verzweiflung den Friedens- und Freundschaftsvertrag von Algier. In den folgenden 15 Jahren wurden jährlich bis zu einer Million Dollar pro Jahr für die Sicherheit US-amerikanischer Schiffe bzw. für Geiselbefreiungen gezahlt. Lösegeld- und Tributzahlungen an die Seeräuberstaaten beliefen sich im Jahr 1800 auf 20 Prozent der jährlichen Staatseinkünfte der USA.
Ein Hauptstützpunkt der Piraterie war Tripolis im heutigen Libyen. Die Vereinigten Staaten führten dort 1801-1805 einen sehr verlustreichen Seekrieg mit wechselhaftem Glück. 1801 erklärte der Pascha von Tripolis den USA den Krieg, indem er den Fahnenmast vor dem US-amerikanischen Konsulat fällte. Marokko, Algier und Tunis schlossen sich an. Der Wendepunkt des Krieges war die Schlacht von Derna im April und Mai 1805, die durch einen Angriff auf dem Landweg eingeleitet wurde, an dem US-Marineinfanterie sowie arabische, griechische und berberische Hilfstruppen teilnahmen. Danach kam es zum Waffenstillstand und zu einer erneuten Lösegeldzahlung für die Mannschaft der USS Philadelphia.
Bereits 1815 mußten die USA erneut in den Seekrieg ziehen, dieses Mal gegen den Dey von Algier, Omar Ben Mohammed. Admiral Decatur konnte einen Vertragsabschluß und die relativ billige Auslösung christlicher Sklaven erreichen. Nach seiner Abreise widerrief der Dey den Vertrag und im Jahr darauf mußte eine britisch-holländische Flotte unter Lord Exmouth Algier bombardieren, um dem Dey die Erkenntnis abzutrotzen, daß der im Vorjahr abgeschlossene Vertrag doch nicht so ungünstig gewesen war.
Etwa um 1835 war die Versklavung von Europäern und Amerikanern eingedämmt und Frieden kehrte rund um das Mittelmeer ein. Nach 1835 wurden Libyen und Tunis nämlich effizient von der Türkei verwaltet und die algerischen Seeräuberhäfen Algier, Oran und Bone waren 1830 von Frankreich besetzt worden. 1829 wurden die marokkanischen Häfen Larache, Asilah und Tétouan von der österreichischen Flotte zusammengeschossen, da Korsaren den Seehandel gefährdeten. 1836 taten dies erneut US-Kriegsschiffe. Daraufhin wurde die Piraterie durch den einsichtigen marokkanischen Herrscher Abd ar-Rahman unterbunden.
Eine französische Fehlentscheidung war die Eingliederung des algerischen Hinterlands in das französische Staatsgebiet nach der Revolution von 1848. Sie hatte mit der Kontrolle der Häfen nur mittelbar zu tun und erwies sich später als nicht geglückt. Aus einer defensiven und legitimen Verteidigungsmaßnahme wurde entsprechend zeitgenössischen Vorstellungen Kolonialpolitik.
Es ist abzusehen, daß sich in Libyen die Anarchie wieder ausbreitet. Die Kontrolle der Häfen lassen die neuen Machthaber schleifen. Vor allem Frankreich als lokale Atommacht ist in der Pflicht mit Hilfe der europäischen Verbündeten die libyschen Häfen zu kontrollieren und dafür zu sorgen, daß kurz- oder mittelfristig eine tragfähige Auffüllung des Machtvakuums in diesem Raum erfolgt. Vor allem müssen die überalterten Seelenverkäufer zerstört werden, die immer wieder zu Schiffsunglücken führen. Libyen braucht mittelfristig eine rechtgeleitete Regierung, die den Namen verdient, den Wohlstand der Araber, Berber und Tuareg fördert und den Menschenhandel im Mittelmeer unterbindet. Wie die periodenübergreifende Erfahrung zeigt, ist ein Königreich, Scheichtum oder Emirat in Arabien für die Erreichung von Stabilität sehr geeignet. Eine besonders hohe Legitimität hätte es beispielsweise, wenn es hinsichtlich der Abstammung auf Prophetengefährten zurückweisen könnte.
Die Geschichte von 1500 bis heute hat bewiesen, daß die europäischen Küsten nur geschützt werden können, wenn die afrikanischen Häfen sorgsam verwaltet werden. Algerien und Marokko, aber auch Ägypten tun dieses heutzutage vorbildlich. Die übrigen Küstenstreifen müssen wieder unter europäische Kontrolle gestellt werden. Die europäische Oberaufsicht über ein paar kritische Häfen in Afrika ist viel billiger, als zehntausende Kilometer Küstenschutz in Europa.
Sehr richtig!
Mir sagte eine Kroatin: Uns sitzen die 500 Jahre osmanische Besatzung noch in den Knochen, was ihr in Deutschland macht, ist mir unverständlich.