Die Halbwertszeit deutscher Treue
Erinnern wir uns. Während im Oktober 1989 auf dem anderen Ufer der Spree bereits demonstriert wurde, die Polizei die Knüppel schwang und Zehntausende auf dem Weg nach Ungarn und Tschechien waren, wurde im Ostberliner Palast der Republik der 40. Jahrestag der DDR gefeiert. Honecker holte den Sekt raus und stieß mit dem Führungszirkel unbeeindruckt an. Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf. So die damaligen Parolen.
Der 28. CDU-Parteitag am 15. Dezember 2015 in Karlsruhe war aus dem selben Holz geschnitzt. Während sich einige Jungaraber auf Sylvester vorbereiteten und tausende Kommunen mit letzten Kräften Container bereitstellten, wurde der Parteitag mit Durchhalteparolen gefüttert. Wir schaffen das.
Daß die SED eine überalterte und überforderte Führung hatte, war jedem bekannt. Die Zeitungen druckte sich das Politbüro selbst und das Fernsehen war von roten Papageien bevölkert. Eine zeitgenössische Anekdote reflektierte das:
Tagesordnung der Politbüro-Sitzung: Absingen des Lieds „Wir sind die junge Garde des Proletariats“, Danach Ausgabe der in Afghanistan erbeuteten Herzschrittmacher.
In den unteren Rängen der SED gingen zahlreiche Funktionäre mit geballter Faust in der Tasche umher: Sie sahen ihre Pfründen durch Mißmanagement gefährdet. Aber sie konnten nichts dran ändern.
Ähnlich ist die Lage in der CDU. Im Vorstand sind mit einer Ausnahme nur Vasallen versammelt. Die Führung bespiegelt sich mit CDU.TV. In den unteren Rängen der CDU rumort es: Die lokalen Notabeln haben Angst vor den nächsten Wahlen und sehen ihre Pfründen gefährdet. Aber ihr Murren ändert nichts. Der Parteitagsantrag der Kanzlerin zur Asylkatastrophe wurde mit 999 : 2 Stimmen angenommen. Die Stalinisierung der Union ist ein gutes Stück vorangekommen.
Die CDU hat, wie jede ewige Regierungspartei in Deutschland, einen hauptamtlichen alles durchdringenden Apparat entwickelt, um das Parteivolk zu dominieren und an der Nase herumzuführen. Die Medien stützen das. Viele innerparteiliche Diskussionen werden unter Hinweis auf die Presse und das Fernsehen abgewürgt. Eine lebhafte Diskussion würde für eine Partei kein gutes Bild machen. „Heckenschützen auf dem Parteikongress“, „Schlammschlacht in der Partei“, „Flügelkämpfe in der Fraktion“. Das sind die Headlines, vor denen sich alle Parteien fürchten. Schon ein Wahlergebnis für ein innerparteiliches Amt, bei dem weniger als 90 % der Stimmen erreicht werden, wird von den Medien als Klatsche behandelt.
Vor Parteitagen werden die Delegierten aufgefordert, nach der Rede des Großen Vorsitzenden aufzustehen und minutenlang zu klatschen. Tatsächlich haben die Journalisten Stoppuhren dabei und messen, ob es fünf oder sieben Minuten Beifall waren. So etwas gehört eigentlich nach Pjöngjang oder Havanna.
Der ansonsten eher regierungstreue WELT-Reporter Robin Alexander schrieb über den CDU-Parteitag in Karlsruhe: „Wer CDU-Parteitage übersteht, der weiß, wieso Veteranen wie der ehemalige US-Präsidents „chaftskandidat John McCain so politikfest sind. Der kennt Schlimmeres – er wurde als Kriegsgefangener gefoltert.“
Jubelfeiern und Jubelparteitage halten den Gang der Geschichte nicht auf. Ein halbes Jahr nach der Kommunalwahl vom Frühjahr 1989 mit 99 % Zustimmung für die Kandidaten der Nationalen Front löste sich letztere Institution auf. Nicht einmal zwei Wochen nach dem Republiksgeburtstag war Revolution. Honecker stürzte am 18.10.1989. Eine treulose Schauspielerin, die am 7. Oktober noch mit Erich auf 40 Jahre angestoßen hatte, forderte am 4. November auf dem Alexanderplatz die ganze Führung zum Rücktritt auf.
Folgende Faustformel gilt immer noch: Je hundertprozentiger die Zustimmung zu einer Katastrophenpolitik, desto geschwinder erfolgt der Untergang der Verantwortlichen. Auch rund um Kanzlerin Frau Dr. Merkel wird es in der Stunde der Not keine Nibelungentreue mehr geben.
Es gibt eine weitere Erkenntnis:
„Wessis wären die besseren Genossen gewesen.“
Ich würde vorschlagen das Langweilerthema Merkel langsam zu beenden und sich den echten Problemen zuzuwenden. Herr Prabel hat ja schon damit begonnen: Arabische Umgangsformen un so الله أكبر.