Die EU hat sich stranguliert
„Die EU ist ein unbeweglicher Tanker“, sagte der Europaabgeordnete Joachim Starbatty auf einer Wahlkampfveranstaltung in Erfurt in seinem singenden rheinischen Dialekt. Diese Unbeweglichkeit beginnt sich gerade zu rächen. Jahrzehntelang ist ein dichtes Spinnennetz aus Verträgen, Verordnungen, Richtlinien und Beschlüssen gewoben worden, in denen sich die Vögelchen der Freiheit und der Demokratie verfangen haben. Und in dem ganze Staaten hängen bleiben und ihre aufgelaufenen Probleme nicht mehr lösen können.
Das dichte Regelungsgestrüpp wäre nicht so tragisch, wenn alle Mitgliedsländer der EU gleich leistungsfähig und kooperationswillig wären. Tatsächlich führen die wirtschaftlichen Ungleichgewichte und divergierenden Traditionen jedoch zu zunehmenden Problemen, die sich im Rahmen des starren Systems nicht mehr lösen lassen. Die bürokratische Verbrüsselung hat zu Blockaden geführt. Da ist zum Beispiel die völlig unterschiedliche Lohnfindungskultur in Nord- und Südeuropa inclusive des damit einhergehenden Arbeitsrechts. Ergebnis ist eine extrem unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit. Zu diesem Nord-Süd-Problem kommt ein Ost-West-Gefälle. Die durch die lange russische Besetzung Osteuropas entstandenen Lohnunterschiede zwischen Ost und West verursachen innereuropäische Wanderungsbewegungen. Damit logisch verbunden: Asylantenströme lassen sich nicht einfach per EU-Zentralbefehl von Hochlohnländern mit ausgebauten Sozialleistungen in Niedriglohnländer umleiten, wie das die hoffende und harrende Bundeskanzlerin Dr. Merkel gerne hätte.
Einzelne Staaten fremdeln mit der europäischen Rechtskultur. Hier ist vor allem das orthodoxe Griechenland ein ständiger Stolperstein. Nicht nur alles, was mit Geld zu tun hat, ordnet man in Athen anders ein, auch die Verteidigung der Außengrenze findet nicht statt. Die kriminellen griechischen Großfamilien erpressen Europa permanent. Welcher griechische Reeder war seinen ärmeren Landsleute schon mal Vorbild beim Steuern zahlen?
Bis in die Details wird deutlich, wie kontraproduktiv Brüssel ist. Eine Reglementierung der Spülkastengröße mit dem Zweck Wasser zu sparen macht in Finnland, dem Land der tausend Seen, einfach keinen Sinn. Hier hat sich die faschistoide EU tief in nationale Kompetenzen hereingemogelt.
An dieser Stelle werden einige Leser aufschreien: Ist „faschistoid“ nicht ein überzogener Kampfbegriff? Zumal wenn es um eine Lappalie wie Spülkästen geht?
Der Faschismus war und ist eine korporatistische Ideologie. Das bedeutet, daß die Individuen sich in Korporationen, also Zwangsvereinigungen organisieren mußten und müssen. Der Camera dei Fasci e delle Corporazioni gehörten nach Produktionszweigen gegliederte Organisationen an. Diesen Korporatismus gab es nicht nur in Italien, sondern auch in Österreich und im nationalsozialistischen Deutschland und er ist keineswegs tot. In Deutschland ist die Zwangsmitgliedschaft in verschiedensten Kammern über das Ende des Dritten Reiches hinaus erhalten geblieben, zum Beispiel der Rechtsanwälte, der gewerblich und im Handel Tätigen, der Handwerker, der Architekten, der Ärzte und vieler anderer Berufsgruppen. Und Deutschland ist kein Einzelfall. In den meisten europäischen Ländern gibt es solche wirtschaftlichen Zwangsvereinigungen.
In Brüssel laufen die Spinnenfäden dieser nationalen Korporationen zusammen. Es haben sich europäische Spitzenvereinigungen von allen möglichen Zwangskammern gebildet, die versuchen auf Verordnungen und Richtlinien der EU Einfluß zu nehmen. Es gibt in der belgischen Hauptstadt skandalöserweise sogar ein „Haus der Europäischen Kammern“. Zu den Zwangsorganisationen kommen noch freiwillige Vereinigungen von Herstellern, die Lobbyarbeit in Brüssel betreiben.
Um auf die Spülkästen zurückzukommen: Es sind keineswegs nur EU-Beamte, die sich da reinhängen. DER SPIEGEL hat uns verraten, daß Hans-Jörg Dannenmann aus Reutlingen zusammen mit 14 weiteren Toiletten-Experten im EU-Arbeitsausschuß „CEN/TC 163 WG 3 GAH3“ die Euro-Norm für WC-Spülkästen entwickelt hat. Wenn man weiter nach dem Namen von Dannenmann googelt, stößt man unweigerlich darauf, was uns DER SPIEGEL verschweigt: daß er der Leiter der Normung bei der Herstellerfirma Geberit war und lange Jahre auch Obmann im DIN-Normenausschuß. Wir haben hier eines von 10.000 Beispielen aufgegabelt, wo Wirtschaft und Bürokratie korporatistisch, also faschistoid verklammert sind.
Die Charakterisierung „faschistoid“ auf Brüssel bezogen, ist also eher zurückhaltend und überlegt gewählt. Das faschistoide System mit seiner exzessiven Regelungswut und seiner zentralistischen Ideologie ist dabei Europa zu sprengen.
Vom kleinen Spülbecken, welches gegen erbitterten britischen Widerstand europäisch genormt wurde, zum großen Thema des Brexit. Gerade wollte der britische Premier in Brüssel einige Extrawürste ergattern, um seine Einwohnerchen davon abzuhalten, im kommenden Jahr in einem Referendum gegen die weitere EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs zu stimmen. Alles nicht möglich, wurde ihm gesagt.
Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Griechenland hängen im Euro-Gefängnis fest, und können den Euro nicht abwerten. Deutschland bekommt die dringend nötige Aufwertung des Euros nicht. Der Euro und die EZB sind wie eine Schwulenbar, in die man auch normale Pärchen hereinläßt, aber nicht wieder heraus.
Europa braucht einen liberalen und demokratischen Neuanfang. Die Mitglieder der zukünftigen EU müssen ihre wirklichen Probleme eigenverantwortlich vor Ort lösen. Damit würde gleichzeitig die Entdemokratisierung gestoppt, die mit der Bildung von vielsprachigen Großreichen unumgänglich einhergeht. Ihre Grenzen können die Staaten auch selber bewachen. Für Toilettenspülungen und Glühlampen braucht es keinen Big Brother. Nach 60 Jahren europäischer Integration haben wir gemeinsame Klospülungen, aber immer noch keine gemeinsamen Elektrosteckdosen, keine gemeinsamen Fahrradventile und keinen gemeinsamen Bahnstrom. Unwichtiges wurde harmonisiert, wichtiges blieb auf der Strecke.
Gemeinsame Währungen sollten nur wirtschaftspolitisch ähnlich denkende Nationen haben. Das demokratische und subsidiäre Europa der Zukunft muß sich auf eine Zollunion beschränken und in Schlüsseltechnologien gemeinsame Normen anstreben. Das wäre ein riesiger Fortschritt.