Der 9. November gehört uns allen

Das alljährliche Gerangel um den 9. November als Gedenktag war wieder einmal präsent. Ist es nun der Tag der nationalsozialistischen Judenprogrome 1938 oder der Tag des Mauerfalls 1989?

Der Tag des Mauerfalls kann es nicht sein. Die Bezeichnung der Zonengrenze als Mauer ist nämlich eine spezielle Berliner Sicht auf die Dinge. Es ist für die meisten Sachsen und Thüringer, aber auch für Mecklenburger und Brandenburger der Tag der Öffnung des Stacheldrahts, denn die Stacheldrahtgrenze war etwa hundertmal länger als die Mauer.
Die Nichtbegehung des Tags der Grenzöffnung als Feiertag ist ein Sieg der sogenannten Antifaschisten über die normale Bevölkerung, der mit Hilfe der Lügenpresse und des damals noch allmächtigen Staatsfernsehens errungen wurde. Die seit Jahrzehnten gegen die deutsche Einheit eingestellten Medien und die mit ihnen wie siamesische Zwillinge verwachsenen PDS-Führer wollten den Anschein aufrechterhalten, daß die Zonengrenze ein antifaschistischer Schutzwall war und daß diejenigen, die diese Grenze nicht leiden konnten, gemeine Rechtsradikale sind. Die Grenzöffnung sollte deshalb keinen Feiertag begründen.

Das ist immer noch so. PEGIDA sollte am 9. November nicht demonstrieren und die vom Staat bezahlte „Zivilgesellschaft“ bot wieder alles auf, was Beine hat, um die Demo zu stören.

Dabei ist die gleichzeitige Begehung des 9. Novembers als Trauertag und als Freudentag kein Gegensatz. Eigentlich könnte der 9. November 1989 ein positiv konnotierter Tag auch für Juden sein. Und der 9. November 1938 ein Trauertag für alle Bürger, weil die Verletzung von Rechten an Leben und Eigentum in einer bürgerlichen Gesellschaft unakzeptabel ist.

Die Betreiber der Zonengrenze, die SED als widerliches Marionettenregime und die dahinterstehende  Sowjetunion, waren keineswegs judenfreundlich. Zahlreiche Juden verließen die Sowjetunion in Richtung Israel. Teilweise weggeekelt, teilweise regelrecht gezwungen. Beispielweise wurden 175.000 Juden aus der Ukraine, die den Zweiten Weltkrieg überlebt hatten, von Stalin nach Israel abgeschoben. In der Sowjetunion gab es judenfeindliche Witze wie Sand am Meer. Vom Staat nicht nur geduldet, sondern auch initiiert. Die endgültige Ausrottung der Juden im Rahmen der Kampagne gegen den Kosmopolitismus 1953 scheiterte nur am plötzlichen und unverhofften Tod Stalins.

Wikipedia über Juden in der Ostzone während dieser Kampagne: „Das ZK-Mitglied Paul Merker wurde als zionistischer Agent verhaftet, die Büros der jüdischen Gemeinden durchsucht. Im Januar 1953 flüchtete Julius Meyer, Mitglied der SED, Abgeordneter der Volkskammer und Präsident des Verbands der jüdischen Gemeinden in der DDR, zusammen mit fünf der acht Gemeindevorsitzenden nach Deutschland. Julius Meyer hatte die Lager Auschwitz und Ravensbrück überlebt.“  Die Zahl der Juden sei bis zur Errichtung des Eisernen Vorhangs 1961 auf 1.500 geschrumpft.

Die KPD und die KPdSU wurden bereits in den Zwanziger Jahren auf Befehl Stalins und unter tatkräftiger Beihilfe des linken Antisemiten Ernst Thälmann mit stalinistischen Methoden regelrecht entjudet. Bei der Reichstagswahl 1932 gab es auf der KPD-Liste keinen einzigen Juden mehr und auch aus der Redaktion der Parteizeitung „Rote Fahne“ waren alle Juden rausgeschmissen worden.

PEGIDA sollte also nach Meinung der Qualitätspresse am 9. November nicht demonstrieren. Die Berliner Demonstration „Juden ins Gas“ wurde allerdings nicht von PEGIDA und auch nicht von der AfD organisiert. Im Gegenteil, PEGIDA will ja keine Stellvertreterkriege auf deutschem Boden. Die Essener Linksjugend rief dagegen auf einer Demo „Scheiß Jude, brenn“.

Das Ende des Stalinismus in der Sowjetunion und in der sogenannten „DDR“ und das damit verbundene Ende der Zonengrenze war auch das vorläufige Ende des staatlich organisierten Antisemitismus in Deutschland. Die Zahl der Mitglieder jüdischer Gemeinden in ganz Deutschland ist seit der Öffnung der Zonengrenze von 29.000 auf 103.000 angestiegen. Das ist ein treffliches Argument (aber nur eines von sehr vielen) das Ende der Zonengrenze endlich mit Pauken und Trompeten, mit Feuerwerk und Böllern angemessen zu feiern. Den synthetischen dritten Oktober kann man als Feiertag emotional in die Tonne kloppen. Der 9. November war der schönste Tag im Leben, auf den viele Leute jahrzehntelang gewartet haben. Und den Millionen nicht mehr erlebt haben.

Zum Schluß noch eine russisch-jüdische Anekdote aus der Stalin-Zeit, der den Antisemitismus im realen Sozialismus richtig veräppelt: Im Kaufhaus verkündigt ein Verkäufer, daß Kaffee eingetroffen ist, die Kunden mögen bitte kurz warten bis ausgepackt ist. Nach einer halben Stunde sagte er den Kunden, daß es doch nicht soviel ist. Die Juden sollen schon mal nach Hause gehen. Nach einer weiteren Stunde schickt er angesichts des geringen Umfangs der Lieferung alle Kunden nach Hause, die nicht Parteimitglied sind. Nach zwei weiteren Stunden erklärt er den verbliebenen Genossen, daß überhaupt kein Kaffee eingetroffen ist. Ein wütender Genosse schreit den Verkäufer an: „Warum werden die Juden immer bevorzugt?“