19 % für Fertiggenuß
Der Aufreger sind die 19 % Umsatzsteuer, die Christian Lindner der Gastronomie im neuen Jahr verordnen will. Aber niemand spricht über die Qualität der Speisen. Für Convenience sind manchmal selbst 7 % noch zuviel.
Convenience sind industriell vorgefertigte Gerichte, die fix warmgemacht werden. Darum liegen zwischen Bestellung und Servierung oft nur 10 Minuten. Solche Zeitfresser wie Salzkartoffeln gibt es nicht mehr. Sie wurden durch Kartoffelspalten, sog. Herzoginkartoffeln – sie haben nichts mit Beatrix von Storch zu tun – und Pommes verdrängt, die schnell frittiert werden. Der Effekt: Es schmeckt überall gleich. Die Gaststätten brauchen keine Köche mehr, sondern Techniker, die das Erwärmen beherrschen und Designer, die auf dem Teller schön arrangieren können.
Man erkennt den Unterschied schon an der Länge der Speisekarte. Werden sehr viele Gerichte angeboten, steigt die Wahrscheinlichkeit von Industriekost. Experten rechnen damit, daß 80 bis 90 % der in Gaststätten angebotenen Speisen in diese Kategorie gehören.
Selten sieht man einen Pizzaofen in Betrieb, den Köchen kann man nur selten zusehen. Immer seltener hört man das Klopfen von Schnitzeln. Selbst in Ländern mit geringeren Löhnen beginnen Köche knapp zu werden. Ich war dieses Jahr oft auf dem Balkan, auch dort ist das Fertiggericht auf dem Vormarsch. Immer öfter kommt es vor, daß Fleisch oder Fisch nicht durchgegart ist. Einmal hatte ich diesen Sommer leichte Probleme, weil ich dieses Manko nicht ernst genug genommen hatte. Ich bin gottlob nicht sehr empfindlich, die Ferien waren nicht gleich verdorben.
Gastrologie ist die ehrbare Wissenschaft beim Lesen der Speisekarte zu erkennen, was frisch zubereitet wird. Dazu gehören so simple Dinge wie Currywurst mit Pommes. Lángos oder Sprotten mit Mangoldkartoffeln, mit etwas Glück auch noch ein Schnitzel. Je mehr Kochkunst man begehrt, desto eher ist das Mahl prefabriziert. Zugegeben: Es gibt auch leckere Sachen aus der Industrie, aber genau so oft wird man billig abgespeist. Das Zuhause ist inzwischen das letzte Refugium der Spitzengastronomie.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Kein Genuss ist vorübergehend, denn der Eindruck, den er zurücklässt ist bleibend.“ (Geh. Rath v. Goethe, der daheim die hervorragende Köchin Christiane beschäftigte)
So leid es mit tut, selbst kochen ist angesagt, wer dies nicht kann oder keine Zeit hat…….der tut mir leid. Es muss ja kein komplettes Menue mit 5 Gängen sein, aber eine Bratwurst selbst in der Pfanne gebraten schmeckt allemal viel besser als in irgenteiner Bratwurst-Bude in uraltem Fett gebrutzelt. Würg ! Tiefkühl-Pommes ohne Fett gebacken schmecken ebenfalls besser und gesünder sind Sie auch. Man wird wieder gewisse Techniken zum Überleben erlernen müssen oder man schädigt seinen Magen für alle Zeiten. Was diese “ Köche “ so draufhaben, bekommt jeder Anfänger auch hin
Everything counts in large amounts hat eine englische Band gesungen. Ich war Mal zwei Tage beruflich bei Tönnies Fleisch Großschlachterei in Bielefeld. 10000 Schweine am Tag werden dort zerlegt. LKW um Lkw. Pro Schwein zwei Augen und vier Pfoten. Viel wird zu Kosmetikprodukten verarbeitet. Alles sehr sauber. Und auf der Fabrikhalle oben lacht ein Schwein.
Nee, nix mehr Idylle und Genuß. Depeche Mode hieß die Band.
Ich denke, Härte und Genuss schließen sich eher aus. Der Harte tötet ein Tier um sich zu ernähren. Genuss spielt dabei keine große Rolle. Der Genießer hat eher nicht die Härte und weint den Tieren nach. Ich frage mich, wieviele Fischstäbchen ein Fischtrawler pro Tag aus dem Meer fischt. Jedes Stäbchen hat zwei Augen und eine Schwanzflosse. 10000 Schweine pro Tag klingt tatsächlich gewaltig. Tönnies ist aber ein großer Betrieb, der nicht nur in die eigene Region liefert. Die großen Zahlen sind Folge der Konzentration von kleinen Betrieben zu großen Konzernen. Niemand stört sich daran, wenn ein Metallverarbeiter 100.000 Unterlegscheiben pro Tag ausstanzt. Die leben aber auch nicht, haben keine Augen sondern nur ein Bonusloch. 🙂
Stimme Ihnen zu. Die Industrialisierung uniformiert alles. Das ist was ich sagen wollte. Nicht nur das Essen im Gasthof, sondern schon alles davor. Und eigentlich ist es klar: 80 Millionen Menschen brauchen locker Mal 10000 Schweine am Tag. Und hinter diesen Massen steckt eine Gewinnmöglichkeit. Tönnies ist eben nicht arm. Kraft foods auch nicht.
Es wird aber nicht nur alles uniformiert, es wird auch bezahlbar.
Das ist die Krux für alle, die etwas mehr auf dem Konto haben: Das geht nicht jedem so.
Eine Mehrheit überlegt sich genau ob sie sich überhaupt ein Gastro-Erlebnis leisten kann.
Für viele ist das viel zu teuer.
Selbst die Pizza um die Ecke, ordentlich im Ofen gebacken kostet vielen zu viel.
Die übergarten und vertrockneten halb verhungerten Hünchen aus dem Grill sind selbst in Stadtzentren nicht mehr zu haben. Nur mit Glück. Nur zu einem Preis von welchem der Spar-Haushalt ein paar Tage auszukommen vermag.
Es ist nicht die Frage Gescmack oder kein Geschmack. Das war schon immer ein Oberschichtsproblem.
Es ist die Frage womit werden die Leute satt, die am unteren Ende der Kapital-Nahrungskette leben müssen. Denn dieses Proletariat wird noch gebraucht oder ist jetzt halt mal da.
Daheim ist nicht mal mehr erschwinglich. Selbst dort kostet es ordentlich zu kochen oft mehr, als der gemeine Haushalt berappen kann. Besonders wenn eine ganze Familie am Kochtopf sitzt. Junge Burschen und gelegentlich kräftig groß gewachsene Mädels im Wachstum kosten dabei zeitweise das drei bis vierfache an Nahrungsmitteln eines erwachsenen Arbeiters.
Ein preiswerter Metzgerbraten kostet 20-30 Euro, für eine Familie 30-50 Euro.
Dasselbe im Billig-Diskounter nicht mal die Hälfe. Den höheren Wasserverlust bereits weggerechnet.
Ihr vergesst worüber ihr redet. Bei vielen ist längst Schmalhans Küchenmeister und so mancher Rentner freut sich über Kleinigkeiten auf dem Teller.
Das Disputieren über Auswärts oder Heimwärts Essen muss man sich leisten können.
Die erste Aufgabe der Nahrung ist nicht Geschmack oder Kultur, die erste Aufgabe der Nahrung ist Sättigung und Bedarfsdeckung durch Energie und benötigte Nährstoffe.
Letztere werden weitestgehend übersschätzt im Bedarf, unterschätzt in der Verfügbarkeit in der Nahrung, selbst Industrienahrung europäischer Herkunft. Hingegen Energiebedarf oft unterschätzt vor allem gerne von elitären Sesselhockern in ihren stets überheizten Räumlichkeiten.
„Die Armen“ sind keine Klasse, was schon Marx ratlos feststellte. In der Demokratie bzw. Republik spricht niemand für sie, was im Imperium Romanum und in Griechenland bereits ein Problem darstellte.
Im Feudalsystem und im Islam oblag & obliegt die Armenfürsorge dem lokalen Vertreter des Königs/Kalifen/Sultans, hierorts zB dem Gutsbesitzer und zwar aus Furcht vor göttlicher Strafe oder obrigkeitlichem Eingriff um die Stabilität der Herrschaft zu erhalten. Der Weg des Bittstellers steht bis ganz nach oben offen, im Zweifel die Hungerrevolte.
In dem demokratischen System der end-verkommenen bourgeoisen, konsumistischen Mittelschicht werden ihnen aktuell Drogen oder gleich die Euthanasie angeboten (USA, Kanada etc).
Über das Argument der Bezahlbarkeit lässt sich streiten. Der frühere lokale Einzelhandel bot eine Vielfalt von regionalen Waren, die auch Leute mit geringem Einkommen sich leisten konnten; manches wurde abends günstiger abgegeben, es gab sogar Bäckerläden unter dem Namen „Vom Vortag“. Ein Huhn im Topf einmal pro Woche, auch Wurstebrei mit Kartoffeln. In meiner Kindheit in NRW war das bei den nicht rosigen Löhnen aus der Lohntüte durchaus der Standard.
Zumindest bis vor 50 Jahren gab es aber noch das Zwischenglied „Metzger und Koch“, die sowohl geschlachtet als auch schmackhaftes Essen (Wurst, Fleisch, ein Koch auch noch alles andere) daraus zubereitet haben. Die strikte Aufteilung in Schlachter und Verkaufsmetzger ist neueren Datums.
Ich achte beim Essen im Alter verstärkt auf den Nährwert beim Essen, beispielsweise auf den Eiweisgehalt (bin von Dr. Strunz beeinflusst). Da fällt vieles durch das Raster, was in den Gaststätten so angeboten wird, in meinem Fall v.a. beim Italiener. Ich bin allerdings kein Heiliger, was die Konsequenz betrifft. Hat auch mit Geselligkeit zu tun.
Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie kann ich aber leben, weil ich da die Summe an zu zahlender Steuer selber beeinflussen kann.
Das klingt alles so eklig wie in den 60er, Früh70er Jahren, als das Jägerschnitzel (paniertes Schweineschnitzel mit Maggi-Sauce) und fettige Pommes am Schwimmbadstand als Standard galten. In den 1970ern kam immerhin über Jugoslawien Paprika auf, aber erst ab den 1980ern wurde das Essen besser und vielfältiger, dann auch die Gastronomie. Seit 2020 ist die Gastronomie abgetötet worden und krebst nun wieder auf klägliches Niveau zurück.
Schweineschnitzel werden noch immer paniert, und Pommes werden noch immer in Fett frittiert. Maggi-Saucen gibt es zahlreicher denn je. Was sich geändert hat: Maggi ist nicht mehr deutsch, und der Kalender zeigt 2023 an.
Aber es gab mal eine Zeit, in der gab es in der Saison in der Kneipe an der Ecke Spargel mit selbergemachter Hollandaise, wunderbar, und eben kein Päckchendreck.
In den 10er Jahren auf dem Brandenburgischen Land mal eine Speisekarte mit Kohlroulade für 6,45 und Spargel für 12,10. Ich nahm die Kohlroulade, anhand der Speisekarte schon ahnend, daß das die beste Wahl wäre. War auch so, der Spargel war ungenießbar zerkocht, die Kohlroulade hatte etwas zuwenig Kohl und war zuwenig angebraten, aber eßbar. Der lächerliche Preis verbot das Meckern.
Der einzige Verlust in der Gastronomie – schon lange passiert – ist das Ende der Kneipenkultur in Stadt und Land.
Die Edelgastronomie ist eh Hokuspokus und Geldschneiderei, so wie das Getue der Wein-Kenner. Um die „Lieblingsitaliener“ der Bonzen und Beamten ist es nicht schade, werden aber wohl die Letzten sein, die auf’s Brett sch….n.
Back to the roots ist die Devise.
Die abgewürgte Hausschlachterei gehört dazu.
Food-Netzwerke im ländlichen Raum – Bäcker, Fleischer, Obst- und Gemüsebauern im Direktverkauf sind m.E. eine Lösung – Verkauf, Vertrieb und Lieferung sowohl analog als auch digital.
Das Kilo Kartoffeln z.B. direkt vom Bauern kostet unter 30 ct, im Supermarkt zwischen 2 und 3 €.
Restdeutschland ist eben in jeder Hinsicht fertig.
Allein die Fleisch- und Fischtheken in Frankreichs Supermärkten zeigen doch, dass es anders geht, auch wenn im Hintergrund EU-Zerlegebetriebe (man vermeidet das Wort Schlachterei) und -Fabrikschiffe arbeiten.
Der Mannheimer Schlachthof, auf dem auch der örtliche Metzger das von seinen Kunden subskribierte, regionale Rind niedermachen und zerteilen konnte, wurde 2021 geschlossen. Beschaugebühren zu hoch, Umweltauflagen, Tierschützer, sinkender Fleischkonsum, Coroner.
Schau Dir die Lebensmittelbereiche in russischen Supermärkten an.
Mir wird jedesmal schlecht, wenn ich hier wieder einkaufen muss.