Zähneputzen im Sozialismus
Ich hatte schon vor einigen Tagen den beklagenswerten Zustand der Weimarer Toiletten in der Russenzeit dargestellt. Heute ist der Wasserhahn mit Ausguß dran. In Wien nennt man so ein Set Bassena. Es befindet sich auf der Etagenstiege und steht mehreren Mietparteien zur Verfügung. Wikipedia schreibt:
Die Vorrichtung, bestehend aus einem Becken mit zugehöriger Rückwand, aus der der Wasserhahn herausragte, wurde meist aus Gusseisen gefertigt und war typischerweise emailliert oder lackiert. Die vorherrschende Farbe war mattweiß, die Umrandung war häufig schwarz oder dunkelgrau abgesetzt. Im Prinzip handelt es sich dabei um Ausgussbecken, an denen die Hausbewohner auch gebrauchtes Wasser ausschütten konnten.
Die Bassena war nicht nur die Wasserstelle des Hauses, sondern auch allgemeiner Treffpunkt, da die Hausbewohner oder deren Dienstboten sie häufig aufsuchen mussten. An der Bassena gedieh vor allem der Tratsch, Bassenatratsch genannt.
Wie in Wien sah es auch in Weimar aus, hier konkret 1979 in der Scherfgasse 4.
Der Ausguß war noch originalny aus der Kaiserzeit, die Partei hatte allerdings großzügig einen neuen Wasserhahn spendiert.
Liebe Leser, die Westzahnärzte haben sich nach 1990 immer mal gefragt, warum die Ossis so schlechte Zähne haben. Länger als eine Minute habe ich für die Zahnreinigung nie gebraucht, auch weil zuweilen einer der Wohnungsnachbarn schon dastand und seinen Wischeimer oder sein Nachtgeschirr ausschütten wollte.
Wer drei Jahre lang diesen Bassena benutzt hat fürchtet sich weder vor Nancy noch vor Putin, Erderwärmung, Kórona, Atomkrieg, steigendem Meeresspiegel oder Dschingis Khan.
Damit sich sowas nicht wiederholt muß man AfD wählen.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Seid reinlich bei Tage und säuisch bei Nacht So habt ihrs auf Erden am weitesten gebracht.“ (J. W. Goethe vor Adelung und Regierungsverantwortung)
Ja, die „Ostalgie“: bis 1965 lebte ich mit meinen Eltern in einer Art Behelfswohnung für die Heimatvertriebenen, zwar von beeindruckender Fläche und in einem durchaus repräsentativen Gebäude, aber eben hoch unter dem Dach, wie vormals die Dienstboten.
Fliessendes Wasser 1 Stockwerk tiefer, Toilette 2 Stock tiefer in einem verwinkelten Nebengebäude, so dass allfällige Kübel zum Einsatz kamen. Zum wöchentlichen Bad wurde Wasser im Einkochkessel erwärmt und dann die Zinkwanne befüllt. Im Flur standen Säcke mit Kohlen, geheizt wurde die Küche.
Das war das „Schaufenster des Westens“ – hinter den Kulissen. In einem beinahe idyllischen Städtchen fast ohne Kriegseinwirkungen.
Erst im Bauboom der Siebziger wurde diese spezielle Etage von einem damaligen „Bauluchs“ (zu klein für Löwe) in eine Riesen-Maisonette umgebaut. Und bis zu seinem ersten Offenbarungseid auch bewohnt.
Ja, das ging alles nicht auf einmal. In einem mir bekannten Bauernhaus von 1893 wurden 1964 jedenfalls WCs und Bäder eingebaut. In Moabit wurden die WCs auf halber Treppe und die Kohleöfen erst in den 1990ern rausmodernisiert.
Nachtrag: ich war grad im Putzraum im Treppenhaus – ich wusste doch, irgendwo habe ich so ein Ding hier in der Wohnanlage schon gesehen. In weissem Email, allerdings eckig, mit Gummirand und klappbarem Rost um einen Eimer draufzustellen, dekadent mit Warm- und Kaltwasserarmatur. Gibt es also noch, wenngleich vermutlich nicht mehr in Wohnungen.
Diese eckige Sorte habe ich in nach 1990 renovierten Amtsgebäuden auch noch als Putz- und Werkstattwaschbecken gesehen, die gibt es seit ca. den frühen 1970ern und wurden in Werkstätten und größeren Toilettenanlagen verbaut. Ob es die heute auch noch in neu gibt, weiß ich nicht.
Ein solches Waschbecken befand sich 1984 noch in der Moabiter Wohnung. Wir rissen es ab und bauten eine Spüle und einen kleinen Wasserboiler dran. Aber das war IN der 1-Zi-Wohnung, nicht auf der Treppe. Bauart war aber genau so, weiß emailliertes Becken mit Rückwand und kleinem 1/2 Zoll Wasserhahn, ob es auch diesen schwarzen Rand hatte, bin ich mir nicht mehr sicher. Bis 1910 scheint diese Beckenform auf jeden Fall verbaut worden zu sein, denn in einem Haus von 1908 war beim Renovieren der Küche der Umriß eines solchen Beckens zu erkennen.