Sturm und Drang, Romantik und der moderne Irrgarten der Ängste
Die Kommentare zeigen, daß viele rationalistisch erzogene Leser an der Skurrilität des letzten Jahrzehnts verzweifeln. Ich würde mal sagen: So erratisch agierende Leut und narzistisches Personal wie Annalena, Böhmermann, Saskia, di Lorenzo, Soros, Lauterbach, Gates, Dr. M., Märchenrobert, Schwab, Langstreckenluisa und Greta tauchen in der Geschichte (nicht nur in der deutschen) periodisch immer wieder auf und verschwanden auch wieder von der Bildfläche. Wir können solche kommenden und gehenden psychopathischen Mißstände auch in Amerika, Frankreich, Rußland und Italien finden, ja selbst England war nicht immer frei davon, siehe die modischen Eskapaden des Beau Brummel (1778 bis 1840) und die geschmacklosen des Prinzen Harry.
Ihr Auftreten ist der Zyklizität von Wohlstand und Armut geschuldet. Kulturgeschichtlich hatten wir in Deutschland die Renaissance, den Sturm und Drang, die Romantik, den Expressionismus und die aktuellen Spinnereien, die sich diesem schädlichen Niedergangstyp zuordnen lassen. Eine Übereinstimmung ist auch, daß diese kulturellen Entgleisungen in Kriegen endeten: Die Renaissance im Dreißigjährigen Krieg, die Romantik in Napoleons Rußland-Abenteuer, der Expressionismus in Adolfs Rußlandfeldzug, und hoffen wir mal, daß der Ukrainekrieg – falls er lang genug dauert – ausreicht die Brände des Wokismus, Kóronismus, des Selbsthasses und Klimatismus zu löschen.
Die Gesellschaften der zweiten Hälfte des 18., der zweiten Hälfte des 19. und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren wissenschaftshungrig, fortschrittsgläubig und aufstrebend, was immer wieder durch industrielle Revolutionen und Fortschritte in der Landwirtschaft Früchte trug. Die Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und aufgeklärter. Immer mehr Rätsel konnten durch systematisches Erkennen erklärt und naturwissenschaftlich begründet werden.
Diese Entwicklungen waren den zur Illusion privilegierten Ständen (eine köstliche Formulierung des jungen Karl Marx) ein Dorn im Auge. Sie stellten sich gegen das Streben nach immer mehr Wohlstand, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken. In der Tat hatte die neue Zeit immer auch Schattenseiten: Die pittoresken mittelalterlichen Stadtbilder wurden in wenigen Jahrzehnten zugebaut, pastorale Landschaften wurden zurückgedrängt und alte Eliten mußten ihren Futtertrog mit – in ihren Augen – Neureichen und Proleten teilen. Andererseits verloren Armut, Hunger, Krankheiten und Analphabetismus ihren Schrecken. Für die Fortschrittskritiker stand immer wieder der absurde Wunsch als Vater der Gedanken im Vordergrund, die fragwürdige Machbarkeit des Baus romantischer Traumschlösser wurde immer vorausgesetzt. Novalis lechzte nach der Blauen Blume ohne eine Kuh, die sie hätte abfressen können, so wie Märchenrobert nach Elektroenergie ohne Grundlast illert.
Aristoteles unterschied lediglich zwei Seelentätigkeiten: das Erkennen und das Wollen. Im Mittelalter trat zum Verstand und Willen noch die Kategorie des Gefühls hinzu. In Zeiten der Rationalität wurde es in den Bereich der Religiosität zurückgedrängt, wobei man unter Letzterer nicht nur die Kirchenlehren verstehen sollte, sondern auch alle Varianten der Abgötterei wie per esempio den Pandemismus und die Klimareligion. Insbesondere in der Romantik und im Wokismus war bzw. ist die zur Empfindsamkeit gesteigerte Fühligkeit die herrschende Größe. Herausgeschriene Ängste ersetzen Logik und Argumentation. Man sehe sich einen beliebigen Fernsehstuhlkreis an.
Wir erleben gerade an den Exempeln Wieler, Haldenwang und Harbarth, daß der Verstand sich entsubjektivieren und damit knechten läßt. Die Gewalthaber können den in ihrer Gewalt Stehenden etwas vordenken bzw. vordenken lassen und sie mit physischen oder psychischen Mitteln zwingen das Vorgedachte sklavisch nachzubeten, wie Leo Balet 1934 schrieb. Noch leichter falle es Handlungen zu regulieren und zu tyrannisieren, insbesondere über Vorschriften und Gesetze. Das Gefühl lasse sich dagegen niemals entsubjektivieren. Insofern sei das Gefühl zunächst autoritätsfeindlich, aber nicht auf Dauer.
Balet schrieb dazu: „Das bürgerliche Ich übersteigerte die Akthaftigkeit des Fühlens. Es sublimierte sich, verstieg sich zu einer tollen Virtuosität. Es wurde Gefühl um des Gefühls willen, aus reiner Freude am Fühlen selbst. Dieses Übergefühl bezeichnete man schon damals als Empfindsamkeit. Dann aber übersteigerte das Ich die Gefühlsmaterie in dem Sinne, daß es versuchte seine eigenen Grenzen zu überschreiten. Es usurpierte den Verstand. Es warf sich auf als Erkenntnisquelle. Fühlen wollte mehr sein als Fühlen, und zwar Wissen, vor allem von Dingen, die man überhaupt nicht wissen kann.“ Die Bürgerlichkeit sei schnell ins Unbürgerliche umgeschlagen, die Empfindsamkeit beispielsweise zum Schwulst.
Man wollte fühlen, um alles in der Welt fühlen, weil das reine akthafte Fühlen unendlich lustvoll war. Georg Steinhausen schrieb in seiner Geschichte des deutschen Briefes: „Bei alledem Fühlen kam man sich groß und schön vor, man schwelgte in den Gefühlen und war von der Größe des eigenen Ichs auch in der kläglichsten und bittersten Stimmung überzeugt.“ Das Lustvolle war gerade das Leidvollste wie das Verglühen der Erde wegen CO2 oder der Untergang Berlins im steigenden Meeresspiegel. Man wühlte schon im Sturm und Drang und in der Romantik (und mit gedämpftem Eifer in der ganzen zweiten Hälfte des 18. Jh.) förmlich im Leid herum, Bewußt malte man sich das wirkliche Leid in grelleren Farben aus, als es der Wirklichkeit entsprach. Und wenn sich nichts Qualvolles ereignen wollte, malte man sich irgendein mögliches Leid aus, steigerte dieses Phantom maßlos, um sich dann der wohligen Wollust des Fühlens hingeben zu können. Anders sind auch die Panik wegen einer mittleren Erkältung, eines Krieges fern bei den Skythen, einer Monsterwelle in Japan und fehlenden Schnees bei der Vierschazentourmee nicht zu erklären (grad war der Schnee endlich weitgehend weggetaut als heute abend ein heftiger Blizzard schon wieder Neuschnee brachte).
Die darmstädter Hofdame Louise von Ziegler (1747 – 1814), die gern als Schäferin verkleidet mit einem Schäfchen spazieren ging, gehörte 1771 bis 1773 zum dortigen Kreis der Empfindsamen. Sie ließ sich in ihrem Garten unter einem Rosenstrauch eine Gruft graben, um sich oftmals hineinzulegen und die Gefühle eines Sterbenden oder schon Gestorbenen nach Herzenslust auszukosten und zu weinen. Man sieht, daß alles sich wiederholt.
In dieser romantischen Tradition der Fühligkeit stehen die Oligarchen und die von ihnen gepamperten und gesteuerten Grünen in Medien und Parteiungen. Ein relevantes machtsicherndes Gefühl ist zweifellos die Angst, sie zu schüren ist ein wichtiges Instrument der Herrschaft. So wie man früher die Angst vor Kapitalisten, Juden, Kernkraftwerken, Großbauern, Waldsterben, der NATO, den Bonner Ultras, Fracking usw. schürte, so heute die vor Kórona, Klima, Putin und dem weißen Mann. Umfragen zeigen, daß sich Mehrheiten von den Angstmachern immer wieder ins Bockshorn jagen lassen, zumindest zweitweise. Es gab z.B. Monate, wo die Impflinge die Querdenker am liebsten ausgerottet hätten, der Auftritt von Emilia im Bundestag war ein Höhepunkt des militanten und idiotischen Feldzugs gegen die Vernunft. Beim unerbittlichen Kampf um den wokesten Glauben entstehen immer mehr Nebenkriegsschauplätze. In den letzten Tagen beispielsweise machten linksradikale Tierschützer gegen die Insektenfresserei der EU-Kommission mobil, ansonsten führertreue Gewerkschaften beginnen gegen die Deindustrialisierung zu meutern. Aus konfusen Ideologien entsteht in der Endphase der Perversion immer ein gewaltiges Durcheinander.
Die Genese der grünen Lebensreform gleicht zunächst einem Baum, wo aus einem Ideenstamm durch Verzweigung immer ausgefeiltere und differenziertere Ideen herauswachsen; dieses Bild ist unvollständig, da neben dem ökologischen Hauptbaum mit den Ästen Tier- und Pflanzenschutz, Landschaftsschutz, Luftreinheit noch andere Bäume wachsen, wie der des Klimaglaubens, der des Rassismus gegen Weiße, der des Tempels des eigenen Körpers mit immer neuen Ernährungsvorschriften und der des Pandemismus. Ein verwilderter Garten mit mehreren Bäumen, die ungenießbare Früchte tragen, kommt der Realität jener bunten Vielfalt nahe, auch wenn man annimmt, daß Sprosse von verschiedenen Bäumen auf andere aufgepfropft wurden. Am Schluß der angetippten Heilsgeschichten ist ein Flussgleichnis angemessen, wo viele Gefühlsrinnsale – wie schon oft gehabt – in den ewigen Fluß der Kriegstreiberei münden und Armut schaffen. Dann ist die Spinnerei jeweils zu Ende. Auf die Renaissance folgte der absolutistische Barock.
Auf Sturm und Drang sowie Romantik folgte Goethes Klassizismus. Nach Lebensreform und Expressionismus triumphierten die Kleinbürger Adenauer und Erhard. Die Zukunft dürfte nach dem Selbstmord der Berliner Angstsekten wieder lebenswert werden, falls man eine Analogie annehmen dürfte.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Mein Prinz ist von so zärtlichen, äußerst empfindsamen Nerven, daß er sich gar sehr vor der Luft und vor schnellen Abwechselungen der Tageszeiten hüten muß. Freilich, unter freiem Himmel kann man’s nicht immer so temperiert haben, wie man wünscht.“ (Geh. Rath v. Goethe)
Herr Prabel,
genießen Sie ihre wohlverdiente Rente. Allenfalls studieren Sie die europäische Geschichte erneut und melden sich dann abermals zu Wort.
Kulturgeschichtlich betrachtet unterschlagen Sie die Epochen des aufgeklärten Absolutismus ebenso wie die Epoche der Aufklärung selbst. Als Ingenieur werden Sie die geografischen Grenzen derselbigen doch knallhart ermitteln können.
Um Laplace zu schonen und Montesquieu zu bemühen: Wichtig beim Krieg sind zwei Fragen
1) Wer hat ihn begonnen?
2) Wer hat den Ausbruch desselbigen unvermeidlich gemacht?
Da alles Fleich demselben Schicksal zutreibt, bemühen Sie bitte Thukydides: Der peleponnesische Krieg.
Sapere Aude!
Wichtig beim Krieg ist nur, dass man ihn gewinnt. Dann kann man die Fragen auch in seinem Sinne beantworten.
Richtig. Und wer dann mit Alternativfakten ankommt, wird abserviert.
Alles schön und gut, Herr oder Frau Me.
Auch Ihren schön verzierten theatralischen Sätzen will ich gern zustimmend folgen. Aber was soll die Antwort auf diese beiden Fragen beinhalten und wer soll sie überhaupt wahrheitsgetreu beantworten?
Von der Hauptvertreterin der neuen deutschen feministischen Außenpolitik kann man nur allgemeinen Schwachsinn, diplomatische Ausrutscher und gefährliche Dummheit erwarten. Und selbst wenn das anders wäre, man braucht von dieser Dame – „Wir werden Russland ruinieren!“- keine Urteile über Krieg und deren Verursacher.
Bisher war es doch immer so, dass der Sieger die Geschichte der Besiegten schreibt und damit die die Antwort gibt.
Mit einer einzigen Ausnahme funktioniert das jedoch nicht. Es gibt kein Sieger nach einem weltweiten Kernwaffeneinsatz.
Danke Dr. Prabel!
Wieder wunderbar weise und unterhaltend.
Me sagt dazu äh hm mäh. Da kommt sicher bald ein super Artikel von me.
Der beste Artikel den ich diese Woche gelesen haben.
Wie sagte neulich die einzigartige Lisa Eckardt:
„Heutzutage sind so viele nicht nur sensibel, sondern ‚hochsensibel‘
Das ist sowas wie hochbegabt – nur dass man dafür nichts können muß.“
Herr Prabel, das ist mal wieder so ein richtiges Feuerwerk von einem Artikel, bei dem ich vor Staunen und Ehrfurcht der Mund nicht mehr zu bekomme. Es mag sein, dass Sie manches „unterschlagen“, aber das, was Sie nicht „unterschlagen“, finde ich jedenfalls sehr unterhaltsam, lesens- und bedenkenswert.