Die Buchvorstellung „Die Vernunft und ihre Feinde“
Heute erschien in der linksradikalen WELT ein relativ zerfahrener Verriß der Buchvorstellung. Insbesondere Uwe Tellkamp bekam sein Fett weg. „Spätestens aber als Begriffe wie „Tugendterror“, „Finsterführer“, „Ideologiekombinat“, „Staatsfunk“ und „Panik-Knopf der deutschen Seele“ fielen, wurde deutlich, dass dies keine einfache Retrozeitschleife war, sondern ihre aktuelle Zuspitzung durch den Schriftsteller Uwe Tellkamp, und man sich also mitten in der eigenartig verschobenen Debattenwelt unserer Tage befand, nämlich hier: Bei einer Buchvorstellung von Thilo Sarrazin, der sich nun nach Deutschland und der Einwanderungspolitik kein geringeres Feld als die Vernunft an und für sich für seine Gesellschaftskritik ausgesucht hat, beziehungsweise „Die Vernunft und ihre Feinde“, wie das neue Buch heißt, das die „Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens“ aufzeigen will.“ So die Kritikasterin der WELT, die versuchte Sarrazin und Tellkamp als vom Wege abgekommene Meckerer zu charakterisieren.
Sehen wir also selbst:
Man muß Sarrazin und Tellkamp nicht in jedem Punkt folgen. Beide haben aber wenigstens einen Hintern in der Hose und legen den Finger in manche trevische Wunde.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Das vereinte Land ist natürlich immer eine Stadt Berlin mit angeschlossener landwirtschaftlicher Fläche.“ (Thilo Sarrazin)
Bei „Deutschland schafft sich ab“ hat der totale mediale Verriss des Buches erst dafür gesorgt, dass es zum mit Abstand größten Bestseller der Nachkriegsgeschichte wurde. Die erste Auflage betrug 70.000 Exemplare. Einen Monat später waren es insgesamt 1.300.000.
Gut, dass „Welt“ & Co. weiterhin lernresistent sind.
„Die Vernunft und ihre Feinde“ ist offenbar angelehnt an Karl Poppers Buchtitel „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“. Man darf sich erinnern, dass der junge Sarrazin einer der überzeugtesten Popper-Anhänger war, der die SPD – und ebenso die Wirtschaftswissenschaften – nach Popperianischen Vorstellungen reformieren wollte.
Naja, die „offene Gesellschaft“ i.S.v. kleinen, unverdrahteten, dezentral verwalteten Einheiten – nicht im Sinne von Umvolkung bzw. Eu- oder eher wohl Dysgenik – war immer eine deutsche Idee.
Nach 1945 sollte das Land von den Kommunen aus wieder aufgebaut/reorganisiert werden. Insofern hatte die SPD mit der Abkehr vom Marxismus diese gesellschaftspolitischen Visionen schon richtig übernommen.
Die Reservatrechte der Alliierten für „Deutschland als Ganzes“ boten natürlich allen möglichen Innenpolitikern Raum zum Spielen. War ja nicht ernst.
Oft sind Sarrazins Ansichten auch trivial, selbst wenn er alle möglichen Statistiken aus dem Hut zaubert, Dafür das Buch kaufen? Eher nicht.
> Naja, die „offene Gesellschaft“ i.S.v. kleinen, unverdrahteten, dezentral verwalteten Einheiten […] war immer eine deutsche Idee.
In welchem Zeitalter soll das denn gewesen sein? Das kenne ich im Westen eigentlich nur von den Amerikanern. Und Popper meinte auch inhaltlich etwas anderes. Naemlich schon einen bestimmten Typ von Gesamtgesellschaft. Sehe den Buchtitel auch aus den schon gesagten Gruenden so gewaehlt.
Welches Zeitalter – zwischen 1945 und 1950, als irregeleitete Deutsche noch glaubten, sie kämen mit einer Reorganisation glimpflich davon. Amis? Fast alle Staatsideen, die vielleicht später mal in den USA umgesetzt wurden, stammen aus Deutschland bzw. deutschsprachigen Ländern und England (in der Reihenfolge). Angefangen beim Protestantismus,
Die Gegenspieler waren damals Herbert Marcuse und Karl Popper, ein preussischer und ein österreichischer Jude, die naturgemäss völlig andere Vorstellungen vom Staat hatten. Kakanien war, sehr zum Leidwesen der allseitigen Nationalisten, eine offene Gesellschaft cum grano salis; i. Ggs. dazu heisst es bekanntlich „Wer auf die preussische Fahne schwört/hat nichts mehr was ihm selbst gehört“. Und so philosophierten sie beide vor sich hin, auch in der Emigration.
Frage am Rande: Was hat Tellkamp mit dem Buch von Sarrazin zu tun?
Tellkamps Buch ist ein Rückblick in eine Zeit, in der die Vernunft um ihr Leben kämpfte und überall unter die Räder geriet. Er generiert Aufmerksamkeit…
Danke! (Denke gerade über Kauf nach, trotz Platzmangel.)