Die Bürokratisierung des Islam
Gerade ist in Österreich das Islamgesetz von 1912 geändert worden. Die Lehren, Einrichtungen und Gebräuche der islamischen Religionsgesellschaften genießen ausdrücklich Schutz, sofern sie nicht mit gesetzlichen Regelungen in Widerspruch stehen.
In Deutschland, wo Frau Merkel den Islam mit dem Grundgesetz gleichsetzt, wäre diese Formulierung eine Revolution, in Österreich ist sie das nicht, weil es schon seit 1912 dieses Islamgesetzt gibt. Zum geschichtlichen Hintergrund gehört freilich, daß die bosnischen Moslems zu den treuesten Untertanen der Vielvölkermonarchie gehörten, weil sie berechtigte Furcht vor den Serben hatten. Der Thronfolger und Erzherzog Franz Ferdinand wurde in Sarajewo ja nicht von einem Moslem erdolcht, sondern von einem Serben erschossen, übrigens nachdem der Erzherzog den Moslems seinen Besuch abgestattet hatte.
Bereits 1912 wurde den Anhängern des Islams nach hanefitischem Ritus für ganz Cisleithanien, das heißt für den österreichischen Reichsteil, die Anerkennung als Religionsgesellschaft gewährt. In § 3 das alten Islamgesetzes kann man bereits Elemente einer Religionspolizei entdecken: „Findet die Regierung, daß einer den Gottesdienst betreffenden Anordnung der Veranstalter desselben öffentliche Rücksichten entgegenstehen, so kann sie dieselbe untersagen.“ Auch der § 5 bestand auf dem Vorrang der staatlichen Ordnung: „Die Staatsbehörde hat darüber zu wachen, daß die Religionsgesellschaft der Anhänger des Islams nach hanefitischem Ritus, deren Gemeinden und Organe ihren Wirkungskreis nicht überschreiten und den Bestimmungen der Gesetze sowie der Aussicht genommenen Verordnung über die äußeren Rechtsverhältnisse dieser Religionsgesellschaft und den auf diesen Grundlagen erlassenen Anordnungen der staatlichen Behörden nachkommen. Zu diesem Ende können die Behörden Geldbußen in einer den Vermögensverhältnissen angemessenen Höhe sowie sonst gesetzlich zulässige Zwangsmittel in Anwendung bringen.“
Auch nach der diesjährigen Änderung bleibt der Grundsatz: Da der Islam mit den sonstigen Gesetzen stellenweise im Widerspruch steht, ist er eingeschränkt: „Religionsgesellschaften, Kultusgemeinden oder andere Untergliederungen sowie ihre Mitglieder können sich bei der Pflicht zur Einhaltung allgemeiner staatlicher Normen nicht auf innerreligionsgesellschaftliche Regelungen oder die Lehre berufen, sofern das im jeweiligen Fall anzuwendende staatliche Recht nicht eine solche Möglichkeit vorsieht.“
Es ist eine ähnliche Situation wie bei der Behandlung des Christentums in der DDR entstanden. Wesentliche Grundlagen der Religion lassen sich nicht praktizieren, die Religion ist aber nicht verboten. In der DDR wurden die staatlichen Gesetze mit Privatfrömmigkeit umgangen. Zuletzt verweigerten auch große Teile der offiziellen Kirche die Gefolgschaft und machten was sie wollten. Der Praktiker wird damit auch in Österreich rechnen dürfen, weil Moslems ja nicht dümmer sind als beispielsweise Sachsen. Naja, Thilo Sarrazin hat dazu vielleicht eine eigene Meinung…
Zuständig für Religionsfragen in Österreich ist das Bundeskanzleramt, dort soll offensichtlich eine Kultusabteilung über den Islam wachen, eine ähnliche Konstruktion wie das Staatssekretariat für Kirchenfragen der DDR.
Eine Islamische Religionsgesellschaft bedarf nach dem erneuerten Gesetz für den Erwerb der Rechtspersönlichkeit eines gesicherten dauerhaften Bestandes und der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit. Der gesicherte dauerhafte Bestand ist gegeben, wenn der Antragsteller eine staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft ist und über eine Anzahl von knapp 17.000 Mitgliedern verfügt. Die Neugründung einer Kultusgemeinde dagegen erfordert zumindest 300 Mitglieder oder 100 volljährige Mitglieder und eine positive Prognose über die zukünftige Entwicklung durch die Religionsgemeinschaft. Das ist für eine einzelne Moschee sehr viel. Kleinere Sekten werden das Quorum nicht erfüllen. Neue Religionsgemeinschaften dürfen sich nur gründen, wenn die Lehre und die Glaubensquellen sich von vorhandenen unterscheiden. Hier wird von oben Druck zur Zentralisierung ausgeübt. Bürokratisch sind die Regelungen deshalb, weil viele formale und buchhalterische Anforderungen zu erfüllen sind. Ob das klappt?
Da sind Mitgliederlisten zu führen, Vorstände zu bestimmen, Buchhaltung über die Mittel, deren Verwaltung und die Rechnungslegung zu organisieren, die Schiedsgerichtsbarkeit zu gewährleisten und vieles andere. Und das nicht nur in der Religionsgemeinschaft, sondern auch auf Ebene der Moscheen.
§ 6 (2) fordert die Deckung der laufenden Kosten aus dem Inland. „Die Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder hat durch die Religionsgesellschaft, die Kultusgemeinden bzw. ihre Mitglieder im Inland zu erfolgen.“ Spenden aus dem Ausland sind jedoch nicht verboten. Eine einmalige Schenkung wäre mit diesem Wortlaut vereinbar. In der Erläuterung heißt es: „Wenn daraus ein laufender Ertrag, beispielweise zu einer Finanzierung von bestehenden Personalkosten, erzielt werden soll, so wäre eine Schaffung einer inländischen Stiftung, entweder nach dem Privatstiftungsrecht oder allenfalls einer religiösen Stiftung auf der Grundlage der Verfassung der Religionsgesellschaft … möglich.“
Der § 15 regelt die Ausbildung der Imame: „Der Bund hat ab dem 1. Jänner 2016 islamischen Religionsgesellschaften für die wissenschaftliche Ausbildung des geistlichen Nachwuchses sowie zum Zwecke der theologischen Forschung und Lehre den Bestand einer islamisch-theologischen Ausbildung an der Universität Wien zu erhalten, wobei bis zu sechs Stellen für Lehrpersonal vorzusehen sind. Als Lehrpersonal kommen Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren, Universitätsdozentinnen und Universitätsdozenten, Privatdozentinnen und Privatdozenten sowie assoziierte Professorinnen und Professoren im Sinne des Kollektivvertrages für die ArbeitnehmerInnen der Universitäten gemäß § 108 Abs. 3 Universitätsgesetz in Betracht. … Vor der Besetzung von Stellen … ist den Religionsgesellschaften die in Aussicht genommene Person zur Kenntnis zu bringen und eine Frist von zumindest vier Wochen zur Stellungnahme vor Durchführung der Personalmaßnahme zu gewähren.“
Daß die frommen Moslems sich von UniversitätsprofessorInnen und ArbeitnehmerInnen ausbilden lassen sollen, ist in dieser Formulierung schon etwas provokant.
Die „Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGiÖ) genießt seit 1979 als gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft die Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Für Team-Stronach-Abgeordnete Jessi Lintl ist es „schleierhaft“, wie die rund 460 derzeit bestehenden Moscheenvereine künftig kontrolliert werden sollen. Zudem hinterfragte sie die Monopolstellung der IGGiÖ dabei.
Es bleibt einerseits die Frage der Zuordnung jener Gruppen offen, die sich zwar auf eine islamische Tradition berufen, aber von der IGGiÖ nicht als rechtgläubig angesehen werden. Andererseits haben bisher innermoslemische Konflikte wiederholt zu Auseinandersetzungen in der IGGiÖ geführt. Die Spannungen hatten ihre Ursachen in den Rivalitäten zwischen frommen arabischen, kurdischen und türkischen Gläubigen und könnten nun auf die untere Ebene der Moscheen übergreifen.
Bei der Durchführung einer internen Registrierung der Wahlberechtigten, ließen sich nach einer offiziellen Angabe der IGGiÖ 124.465 Personen als Mitglieder registrieren, von denen dann allerdings nur 27.095 wahlberechtigt waren, da nur sie den verpflichtenden jährlichen Mitgliedsbeitrag geleistet hatten. Zur Wahl gegangen sind schließlich 20.485 Personen. Hier erkennt man, daß erstens die Religionsgemeinschaft für die Gläubigen nicht repäsentativ ist und zweitens für die IGGiÖ-Religionsgemeinschaft die Finanzierung aus dem Inland problematisch werden dürfte. Die Religionsgemeinschaft hat gegen das Gesetz bereits protestiert.
Literatur: Potz, Richard: Das Islamgesetz 1912 – eine österreichische Besonderheit aus SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis 2013 (1), S 45-54.
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