Das Leben in Ungarn

Es sind nun fünf Jahre vergangen, seit ich in Pannonien einen Bauernhof erworben hatte. In den ländlichen Regionen, die etwas abseits der Hauptstadt liegen, ist das immer noch preiswert und die Grundstücke sind oft groß. Auf einem halben Hektar kann man Ackerbau und Viehzucht gleichzeitig betreiben. Für 120 qm Wohnfläche, reichlich Nebengebäude und einen halben Hektar fruchtbares Land hatte ich eine überschaubare Summe bezahlt. Ich mußte einige Dächer erneuern, eine Abwasserleitung bauen, das Bad, die Küche, die gepflasterte Freifläche und der Sitzplatz sind neu.

Das Grundbuch ist so aufgebaut wie in Deutschland auch, die Grundbuchordnung ist aber anders. Die Beurkundung erfolgt beim Rechtsanwalt. Man bezahlt beim Termin und bekommt die Schlüssel.

Zu den Baupreisen muß man einiges bemerken. Man sollte Angebote von einheimischen Firmen akzeptieren, ohne lange herumzufeilschen. Der billigste ist auch in Ungarn nicht der beste. Die Auswandererforen sind voll von Klagen über schlechte Handwerker. Wer Schnäppchen machen will, wird oft enttäuscht werden. Letztes Jahr hatte ich mit einem Tiefbauer 50 m Abwasser gelegt. Das kostete incl. Material und Bagger 1.550 €, in Deutschland wäre etwa das vierfache fällig gewesen und das Material hätte es hier nicht gegeben. Dem Ausführenden habe ich fast das Doppelte gegeben, was er verlangt hat. Dieses Jahr stand er nach einem Anruf sofort parat, als ich ihn wieder mal brauchte.

Blick in die Küche mit Blickfang (funktioniert wirklich)

Kommen wir zu den szomszédok, den Nachbarn. Ungarn sind ähnlich wie Italiener: Man achtet das Privateigentum sehr, regiert nicht in die Angewohnheiten der Nachbarn herein und schätzt den Freiraum innerhalb des Eigentums. Und man ist stolz. Mit Saalrunden und einem aufwändigen Einstand macht man sich als Deutscher nicht beliebt, weil sich die Ungarn zum Bescheidtun verpflichtet fühlen. Wer als Deutscher den Nachbarn Vorschriften machen will, läuft schnell auf und ist verschrien. Wenn der Nachbar etwas Illegales im Garten macht, dreht man sich weg. Und umgekehrt funktioniert das auch so. Das Home ist das Castle. Der Ungar hat im Durchschnitt von Privatheit einen festeren Begriff, als der Deutsche.

  Der Hof bei Nacht. Nagyon romantikus.

Es gibt Gegenden, wo sich die Deutschen ballen. Zum Beispiel Gyenesdiás am Balaton, die Zalagespanschaft oder Marcali. Mein Ding ist das nicht, weil man dort in einem Paralleluniversum lebt.  Bei dünner deutscher und österreichischer Bevölkerung treffen sich die Umgesiedelten, feiern Feste, tauschen sich über Nachbarn und Handwerker aus und es ist alles ganz nett.

Was mir angenehm auffällt, ist die Stille. Es hat noch nicht jeder Gartengeräte, die den ganzen Tag Lärm machen, die Wiesen werden nicht ständig gemäht. Am Abend herrscht Stille, nur die Vögel zwitschern bis zum Dunkelwerden, und wenn die Sonne untergegangen ist, hört man nur noch dann und wann die Flieger, die nach Wien oder Frankfurt unterwegs sind.

In Eigenleistung ist alles billig

Was den Aufwuchs betrifft, der ist stärker, als daheim. Gepflanzte Bäume sind schon nach wenigen Jahren groß und kräftig, man hat aber auch jedes Jahr entlang der Zäune mit Holunder, Esche, Brombeere, Hopfen usw. zu kämpfen. Dieses Jahr hatte ich Zierbüsche zurechtzuschneiden, es war eine Unmenge von Strauchwerk zu beseitigen. Die 2018 gepflanzten Aprikosen und der Pfirsich haben reich getragen, zwei damals gesetzte Weinstöcke bilden rund um den Sitzplatz eine perfekte Deko mit vielen Trauben. Es ist gemessen an hiesigen Verhältnissen die grüne Hölle.

Ein wichtiges Thema ist das Preisniveau. Nach der EU-Statistik für 2020 war Deutschland 1,29 mal so teuer wie der EU-Durchschnitt, Ungarn war 31 % billiger. In Ungarn braucht man alo nur 53 % des Geldes für den gleichen Standard, wie hier. Das ist aber nicht gleichmäßig auf alle Waren und Leistungen verteilt: Wer als Rentner Bus fährt, zahlt garnichts. Der Strompreis beträgt aktuell 9 ct/kWh. Gas ist ebenfalls billig. Diesel kostet für den Einheimschen 1,20 € pro Liter. Anders sieht es mit Importen aus: Vor zwei Jahren hatte ich Dachlatten gekauft. Die kosteten dasselbe wie in Deutschland. Wer im TESCO Westprodukte kauft, spart auch so gut wie nichts. Man muß sich auf die einheimischen Waren einschießen, mit etwas Übung und dem Lesen des Kleingedruckten gelingt das. In der Kaufhalle sind etwa ein Drittel der Angebote von ungarischen Firmen. Wer denkt, daß Soproni oder Köbanya ungarische Biere sind, der irrt. Gehört alles Holländern und Österreichern. Borsodi ist dagegen ein ungarisches Bier.

Das übelste Hindernis ist die Sprache. Lysann Heller verschlug es als Praktikantin in die Redaktion der Budapester Zeitung. Ungarisch kann doch nicht so schwer sein, dachte sie. Ein fataler Irrtum! Im Buch „Die Paprikantin“ hat sie das auseinandergelegt. Die Grammatik ist völlig anders, als in den mir sonst bekannten Sprachen. Daß man vieles mit Vorsilben regelt, ist im Deutschen auch so. Aber die Nachsilben und Nachbuchstaben! Ich kann mittlerweile einkaufen und mich mit Handwerkern verständigen. Auch mit den Nachbarn kann ich das nötigste regeln. In Gastwirtschaften braucht man selten die ungarische Sprache, da geht es meistens ohne jedwede Kenntnisse. Aber die Gespräche unter Ungarn kann ich nicht mitverfolgen. Barátok között (unter Freunden) wird einfach zu schnell geplappert.

Hogy vagy? – Nekem minden jo. (Wie gehts? – Für mich ist alles gut)

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „In Erfurt fängt der Balkan an.“ (Eigenwerbung in den 80ern)

 

Beitragsbild von mir selbst.