Leben vergeht, Karrierismus besteht
Ich lese gerade „Am Hof des roten Zaren“, ein Buch das die moskowitischen Exzesse der 20er bis 50er Jahre beschreibt. Zuerst ist man über die Mordlust der Jugendbewegten empört. Man gewöhnt sich aber recht schnell dran und kann mit der Kehrseite gut leben. Immer wenn man eine Seite des dicken Wälzers geschafft hat, sind wieder 1.000 Kommunisten tot. Sie wuchsen aber leider nach. Immer wenn eine Million niedergestreckt worden war, traten zwei Millionen in die Partei ein. Mit der Genickschußanlage und dem KZ läßt sich ein Glaubens-, Mitläufer- und Karrierismusproblem nicht lösen.
1930 gab es 1,18 Mio. Mitglieder, 1933 schon 2,2 Millionen, 1938 war die Zahl nach dem Liquidieren von Verrätern, Trotzkisten, Abweichlern, Spionen usw. auf 1,4 Mio. gefallen, aber im Oktober 1952 waren es 6,88 Mio Kommunisten. Bis 1987 stieg die Zahl auf 19 Mio. Nach dem Verzicht auf eine erneute Säuberung zerfiel die Partei.
Die Lügenpresse berichtet von Säuberungen im ukrainischen Geheimdienst. 60 Spione seien enttarnt worden. Das erinnert an die Liquidierung des Zwergs Jeschow und seiner fleißigen Mitarbeiter. In Stalins Machtapparat zu arbeiten war brandgefährlich. Irgendwann wußte man zuviel und war ein Ärgernis. Der inhaftierte Jude Weißberg-Cybulski berichtete in seinem Buch „Im Verhör“, daß er nach geraumer Zeit immer noch aussagte, während seine Verhörer einer nach dem andern erschossen wurden.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Alles war lauter Parteilichkeit. Wem man günstig war, der gefiel, und man war dem nicht günstig, der zu gefallen verdiente.“ (Geh. Rath v. Goethe)
Karrierismus, nun ja…als Erbe oder so braucht man natürlich an keine Karriere zu denken (vgl. den in England schmählich zu Tode gekommenen Bismarckspross). Der Normalbürger muss dagegen – schon wegen Familie, Inflation oder weil seine Wohngegend sich langsam aber sicher in einen Kraal verwandelt – an irgendein Forkommen denken.
Eine Verwandte aus den heute slawischen Reichsgegenden wollte seinerzeit nach der Bürolehre auf die Handelsschule. Ja, hiess es da, erstmal aus der Kirche aus- und in die Partei eintreten. Allerdings wurde sie durch die dann rasch eintretenden Kriegszufälle dieser Entscheidungen enthoben.
In der SU ging es da erst richtig los mit solchen Forderungen.
Da jedoch die hiesigen Parteien (bis auf die Grünen) an Mitgliederschwund leiden, reduziert sich der hiesige Karrierismus auf das üble deutsche Obrigkeitswettkriechen, Neusprech „Virtue Signalling“.
Bei einer Bewerbung seinerzeit erwartete man Mitarbeit in der Kampfgruppe – angesichts meiner ziemlich unmilitärischen Art ein echter Knaller und nach meinem überrascht – blöden Gesicht blieb nur ein säuerliches Lächeln. Ansonsten ist das Buch zu empfehlen.