Das Weltwirtschaftsforum und die Bolschewiken
Es gibt eine interessante Stalinbiografie von Simon Sebag Montefiore: „Am Hof des roten Zaren“. Ab 1930 wurde in Moskau die große Transmission vorangetrieben, aus einem Agrarland sollte ein Industrieland werden. Den Bauern wurde das Getreide weggenommen, es kam insbesondere in der Ukraine zur Hungersnot. Von den Devisenerträgen des exportierten Korns und mit der Arbeitskraft der zur Zwangsarbeit gezwungenen Bauern wurde eine Rüstungsindustrie aufgebaut, die im Afghanistankrieg in den 80ern an technischer Rückständigkeit endlich scheiterte. Wer russische Fahrzeuge wie den Moskwitsch, den H3A oder die S 100 bedient hat, weiß was die Planwirtschaft für einen rückständigen Schrott hervorbringt. Der Moskwitsch sah besser aus als der Trabant, aber selbst die Zwickauer Rennpappe war technisch ausgereifter.
Der große Sprung der 30er Jahre führte 1990/91 in den Zusammenbruch der Sowjetunion, als alle intellektuellen und materiellen Ersatzrückstände der Zarenzeit aufgezehrt waren. Nun ist es natürlich verlockend die Neuerfindung der Welt durch Klaus Schwab mit der Transformation der Stalinzeit zu vergleichen.
Erforderlich war und ist von den Gesellschaftsklempnern die Erfindung von Parolen, ohne die man einmalige Experimente nicht durchführen kann. Es wurde und wird eine völlig neue Welt aufgebaut, in der es keine Ausbeutung und kein CO2 mehr geben wird. Die Führer müssen mit messianischer Inbrunst glauben, um wirklich rücksichtslos vorzugehen und andere von der Richtigkeit ihres Tuns zu überzeugen. Das Wesentliche sei die Absage an jeglichen Zweifel und der absolute Glaube an die gewonnene wissenschaftliche Wahrheit, schrieb Nadeschda Mandelstam in „Das Jahrhundert der Wölfe“. „Die zwanziger Jahre wurden deshalb so verhängnisvoll, weil die Leute nicht nur ihre eigene Hilflosigkeit erkannten, sondern weil sie sie auch noch priesen und jeden intellektuellen, moralischen und geistigen Widerstand für veraltet, lächerlich und unsinnig hielten. […] und wenn sich einer einmal sträubte, bezichtigte man ihn des Anarchismus, des erbärmlichen Individualismus und der Dummheit, die ihn dabei behinderten, die Gesetze der historischen Entwicklung zu erkennen.“ Das heutige „Hör auf die Wissenschaft“ ist aus derselben Klippschule.
Echte Bolschewiken glaubten nicht nur an den Marxismus als Wissenschaft, sondern auch an die Partei, die niemals irren konnte. So wurden Wendungen um 180 Grad möglich. Das bizarrste Beispiel dafür ist Johannes R. Bechers Gedicht zur Beweihräucherung des Stalin-Hitler-Pakts: „An Stalin. Du schützt mit deiner starken Hand den Garten der Sowjetunion. Und jedes Unkraut reißt du aus. Du, Mutter Rußlands größter Sohn, nimm diesen Strauß mit Akelei zum Zeichen für das Friedensband, das fest sich spannt zur Reichskanzlei.“
Ähnliche Auswüchse entdecken wir heute, wo 97 % der Wissenschaftler sich einig sind, egal ob Klima oder Kórona. Wo jeder Zweifel als rechtsradikal gebrandmarkt wird. Und wo im Glauben an die Irrtumsresistenz der Führer jeden Tag etwas anderes behauptet werden kann, oft das Gegenteil vom Vortag. Anfangs stellte das zwangsfinanzierte Staatsfernsehen Kórona als eine fremdenfeindliche Erfindung der AfD dar, später geißelte sie die blaue Partei als Kóronaleugner. Märchenrobert warb für elektrisch betriebene Wärmepumpen, am Folgetag fand er Elektroenergie unwichtig. Erdgas war noch vor einem Vierteljahr die gepriesene und alleinseeligmachende Quelle für Grundlaststrom, plötzlich rufen die Berliner: „April, April“ und wollen alles Gas verbannen. Die FDP stimmte letzte Woche für die Stillegung der drei letzten Kernkraftwerke, eine Woche später sagte der FDP-Fraktionschef Dürr der umstrittenen Nachrichtenagentur dpa mit Blick auf die unkalkulierbare Situation bei den Gaslieferungen, es sei „jetzt richtig, die Laufzeiten der Kernkraftwerke über den Winter hinaus zu verlängern“.
Genauso windig und wendig ging es in der Sowjetunion der 30er bis 50er Jahre zu. Die Genossen mußten täglich die Prawda studieren, um die neuesten Pirouetten von Stalin rechtzeitig zu erkennen, um in kein abgestandenes politisches Fettnäpfchen zu treten. In einem „Rot und Schwarz“ – Film mit Fernandel wurde das auf den Punkt gebracht. Die italienische Parteidelegation wurde bei der Reise in die gelobte Heimat der Werktätigen überrascht, als über Nacht im Flur das Porträt des Führers ausgetauscht worden war.
Dasselbe pasierte 1961 in meinem Klassenzimmer. Eines Morgens war der Präsident Pieck weg und Ulbricht hing an der Wand. Obwohl es im Volksmund hieß: „Spitzbart, Bauch und Brille, das ist nicht des Volkes Wille“, war Ulbricht ohne Brille fotografiert worden. Mein Mitschüler Gerhard Kümpel malte ihm mit Bleistift eine dicke Brille an. Das konnte er sich leisten, denn seine Mutter arbeitete auf der Kreisleitung der Partei. Die Sache wurde stillschweigend übergangen, ein neues Porträt wurde gehängt, dieses Mal vorsichtshalber verglast.
Alles wiederholt sich, auch die große Transformation. Zum Schluß ist immer außer hohen Spesen nichts gewesen.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Die spanische Inquisition taugt nicht in unseren Tagen. Ihr müßt euch begnügen schon, die Andersgläubigen sonst zu plagen.“ (Franz Grillparzer)
—-Alles wiederholt sich, —–.
Wieso wiederholt sich was?
Es ist doch nie zu Ende gewesen. Deutschland , das Land das alle Formen des Totalitarismus erfunden hat und sie alle dazu noch ausprobierte, kann gar nicht anders, wie die Menschen zu gängeln und zu terrorisieren und in der Welt zu stänkern. Man traut sich jetzt nur nach Jahrzehnten wieder so richtig loszulegen. Man beachte nur das buchstäblich über Nacht erfolgte Umschwenken der Meinung über den Ukrainekrieg. Ein Despot in einem kriminellen und korrupten System wird von der Besatzungsmacht USA zum Messias erhoben und schon ist man endlich wieder auf totalitärem Kurs.