Die ukrainisch-rumänische Mißstimmung

Bisher hatte PB immer nur über die Diskriminierung der Roma und Ungarn im ukrainisch verwalteten Transkarpatien berichtet. Das Verhältnis zwischen Kiew und Bukarest wurde jedoch zeitgleich durch die Sprachpolitik in der Bukowina belastet, deren nördlicher Teil durch den Stalin-Hitler-Pakt ebenfalls zur Ukraine geschlagen wurde. Das Problem: Trotz Verschleppungen nach Sibirien und den obligaten Tötungen leben immer noch viele Rumänen in der ukrainischen Bukowina.

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Folgen wir der rumänischen Presse aus dem Jahr 2017:

Der Kreis Gerza (Herţa) im Gebiet Tschernowzy (Tscherniwzi, Czernowitz, Cernăuți) ist der kleinste und rumänischste Kreis der Ukraine: 90 Prozent der Bevölkerung spricht Rumänisch. Der Begriff „nationale Minderheit“ für die hier Lebenden kommt einem nicht über die Lippen. Für 33.000 Einwohner gibt es 27 Schulen, davon nur 2 ukrainisch-sprachige, darunter eine Grundschule, in der nur 16 Kinder lernen. Von 4.000 Schülern werden nur 324 in der Staatssprache unterrichtet, das heißt weniger als 10 Prozent. Doch die Situation könnte sich in Kürze ändern.

Welche Bedrohung beinhaltet das neue Gesetz „Über die Bildung“ für nationale Minderheiten und das ukrainische Machtzentrum – eine Reportage der „Ukrainskaja Prawda“ aus dem Zentrum des rumänischsten Kreises der Ukraine, der winzigen Stadt Gerza, sechs Kilometer von der ukrainisch-rumänischen Grenze entfernt.

Unterschreibt er oder unterschreibt er nicht – die Intrige um das neue Gesetz beendete Pjotr Poroschenko am 25. September. Ungeachtet der Versprechen Ungarns, der Ukraine eine echte „Europakalypse“ zu bereiten und des Vorstoßes der höchststehenden politischer Personen Rumäniens trat das neue Gesetz am 28. September in Kraft.

Die größte Aufregung unter den Nachbarn rief der Artikel 7 des Gesetzes hervor, dessen erster Punkt lautet: „Die Sprache des Bildungsprozesses ist die Staatssprache.“ Schon vor Beschluss des Gesetzes erklärten die Regierungen der Nachbarländer den „diskriminierenden“ Charakter des Dokuments, welches die nationalen Minderheiten angeblich in ihrem Recht auf Unterrichtung in ihrer Muttersprache einschränkt.

In der letzten Woche sagte der Präsident Rumäniens Klaus Iohannis seinen für Oktober geplanten Besuch in der Ukraine ab und die Regierung Ungarns erklärte am 26. September, dass das offizielle Kiew die Integration in die EU vergessen könne. Dem Unmut schlossen sich in größerem oder kleinerem Maß zu verschiedenen Zeitpunkten Polen, Bulgarien, Griechenland, Russland und Moldawien an.

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Neli Platika ist Medizinerin. Sie erhält 2.500 Hrwynja im Monat (knapp 80 Euro, A.d.R.). Ihr gesamtes Gehalt wird zum Bezahlen des Gases benötigt. Nachrichten über die „Stabilisierung der Wirtschaft und des Handels“, die aus der Hauptstadt angeflogen kommen, begegnet man hier mit einem Grinsen.

„Arbeit findest du im ganzen Kreis nicht, die haben nur die Staatsangestellten. Die Preise steigen. Und so denken wir darüber nach wegzugehen“, erklärt Neli.

Nach Berechnungen des Kreisrats-Abgeordneten Michail Tanas haben 50 Prozent der Bevölkerung den Kreis zum Arbeiten verlassen und 20 Prozent davon kehren wohl kaum in die Ukraine zurück. Tanas selbst ist zurückgekommen. Damals hat er Häuser und Straßen in der EU gebaut. Nach seinen Worten musste er auch in Kellern wohnen. Im Ergebnis seines Heimwehs packte er seine Sachen.

Heute ist Michail einer der Unterzeichner des – wie sich herausstellte erfolglosen – Briefes an den Präsidenten mit der Bitte, sein Veto gegen das Gesetz „über die Bildung“ einzulegen. Tanas und seine Gesinnungsgenossen – und das ist hier fast der gesamte Kreis – sind sich sicher: der siebte Artikel des Dokuments verletzt die Rechte der nationalen Minderheiten und verstößt gegen die Verfassung. Die Menschen vor Ort befürchten, dass jede Benachteiligung der Sprache in der Perspektive den Weggang der rumänischsprachigen Bevölkerung aus der Ukraine nur befördern wird.

„Ehrlich gesagt ist es ein Schock“, der Abgeordnete verheimlicht seine Wut nicht. „Wir haben gehofft, dass Poroschenko es zur Überarbeitung zurückgibt. Wir fordern doch nichts ungewöhnliches. Wir wollen nur, dass unsere Kinder von der ersten bis zur letzten Klasse in ihrer Muttersprache lernen.

Ich denke, es wird noch Protestaktionen geben. Aber unbedingt friedliche. Ich sage mal so, die Wahlen stehen bevor und der Präsident und seine Mannschaft verlieren hier viele Punkte. Dort in Kiew wollen sie allem Patriotismus beibringen. Aber die Rumänen muss man nicht belehren. Aus unseren Reihen habe viele in der Antiterroroperation gekämpft.“

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Gerza, die Stadt mit etwa 3.000 Einwohnern und einem jährlichen Budget von 2,4 Millionen Hrwynja ist die rumänischste in der Ukraine, wie auch der gesamte Kreis Gerza. 95 Prozent der Bevölkerung sind hier rumänischsprachig. Das einzige Druckerzeugnis, die „Gazeta de Herţa“ erscheint in der altansässigen Sprache.

Von Gerza bis zum Grenzübergang „Djakowzyj“ sind es nur sechs Kilometer. Es lebte sich leichter in dieser grenznahen Zone als der Kontrollpunkt noch nicht wegen Umbauarbeiten nach dem EU-Beitritt Rumäniens geschlossen war. Die Arbeiten dauern ungewöhnlich lange, sie haben schon zwei Präsidenten überdauert. Die Ortsansässigen vermuten, sie werden auch den dritten überdauern.

Im Frühjahr 2017 versprach Pjotr Poroschenko, dass der Grenzübergang im September öffnet. Aber irgendetwas lief nicht so wie gedacht. Nicht einmal Geld, das die EU bereitstellte, hat geholfen.

Die Menschen vor Ort beklagen sich über die Korruption und fahren weiterhin jährlich über andere, zig Kilometer entfernte, Grenzübergänge nach Rumänien. Obwohl sie früher, als „Djakowzyj“ arbeitete, zu Fuß „auf die andere Seite“ gingen, gemäß dem vereinfachten System.

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„Das Volk sagt, dass sie uns absichtlich immer weiter von Rumänien abtrennen“, erzählt Aleksandru, Einwohner des Dorfes Gorbowa. “Warum? Meint man in Kiew, dass wir hier hoffnungslose Elemente sind? Die Menschen hier haben viele Verwandte in Rumänien. Wir haben hier Gerza, dort Dalnaja Gerza (Fundu Herții). Diese Verbindungen zerreißen sie sowieso nicht, egal wie sie sich bemühen.“

Heute haben viele Einwohner des Gerza-Kreises zwei Pässe. Dies wird hier kaum verheimlicht, trotz des offensichtlichen Widerspruchs zur Gesetzgebung.

„Sollen doch die, die glauben, dass hier Separatisten leben, nach Gerza kommen, selbst inkognito, und mit den Menschen reden. Ich würde den Besitz von zwei Pässen in dieser Gegend nicht als Ausdruck von Separatismus bezeichnen. Das ist nur eine zusätzliche Möglichkeit des Geldverdienens, die Lösung von Lebensproblemen, nicht für irgendwelche staatsfeindlichen Handlungen“, verteidigt Wassilij Byjku, Redakteur der Gazeta de Herţa seine Landsleute.

Nach seinen Worten herrschte im Gerza-Kreis niemals eine antiukrainische Stimmung. Anhand seines Stammbaums erklärt er, warum es den Ortsansässigen so wichtig ist, weiter auf Rumänisch zu lernen.

„Mein Ururgroßvater lebte in Moldawien unter Stephan dem Großen“, zählt Bujku auf. „Die Urgroßväter unter Österreich, der Großvater unter Rumänien. Die Eltern in der Sowjetunion und meine Kinder nun in der unabhängigen Ukraine. Wir haben uns nie hier wegbewegt. In Tschernowzy und in Tschuda gibt es Schulen, die schon 200 Jahre auf Rumänisch unterrichten. Wir sind alle unruhig (aufgrund des Gesetzes), protestieren friedlich.

Gott sei Dank ist noch niemand mit Heugabeln aufgetaucht. Ich möchte wirklich keine Provokationen und rufe selbst niemanden zum Ungehorsam auf.“

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Die einzige ukrainischsprachige Mittelschule in Gerza entspricht komplett den winzigen Ausmaßen der Stadt.

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„Hier im Korridor haben wir eine Trennwand eingezogen, daraus ergab sich das Zimmer der Krankenschwester“, führt uns die Direktorin Larissa Schitaraschu durch ihren Einflussbereich. “Und das Lehrerzimmer ist jetzt hier im ehemaligen Keller. Es gibt jedes Jahr mehr, die an unserer Schule lernen wollen. Der Platz reicht nicht.

Wir hoffen auf das alte Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, das sich auf der anderen Straßenseite befindet. Tatsächlich kann die Staatsmacht bislang kein Geld für die Restaurierung finden. Wenn dort renoviert wird, bekommen wir Klassenzimmer. Bis jetzt haben wir nur einen Informatikraum.“

Schitarashu erinnert lebhaft an die 1990er Jahre, als die Schule zum Unterricht in ukrainischer Sprache überging. Sie sagt, es fiel allen schwer, vor allem den Lehrern, die umlernen und sich umstellen mussten.

Jetzt erwarten Eltern und Lehrer der 26. Schule im Kreis Probleme durch das neue Gesetz „Über die Bildung“.

„Wenn mit diesem Gesetz gespielt wird, dann können schon einige Unmutserscheinungen aufblitzen und das kann sich zu allem Möglichen auswachsen“, meint Larissa Schitaraschu. „Man kann nicht einfach alles so abbrechen, nur noch die Grundschule in der Muttersprache belassen (ab 2020 soll auch hier Ukrainisch zur Hauptunterrichtssprache werden, A.d.R.). Man hätte alles abwägen und diskutieren müssen. Warum so einen Lärm schlagen? Haben wir keine anderen Probleme? Nehmen Sie zum Beispiel die Straßen…“ Gute Straßen gibt es zwischen den Dörfern des Gerza-Kreises wirklich nicht.

„Die rumänischsprachige Bevölkerung ist geduldig. Es gab nie eine solche Stimmung, dass jemand darauf gewartet hätte, dass Rumänien kommt und sie alle einsammelt. Niemand möchte die Geschichte umschreiben. Aber bei jedem Menschen, bei jeder Nation gibt es ein Ende der Geduld“, resümiert Schitaraschu.

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„Schau, dort hinter diesem Hügel ist schon Rumänien“, zeigt Jakob Postewka, der Direktor des Bildungs- und Erziehungskomplexes im Dorf Ternawka mit den Händen. „Dieses Land war bis in die Vierziger rumänisch. Ich selbst bin 51 geboren und begann die Schule zu leiten als Breschnew an die Macht kam.“

Auf die Frage, wohin die gesetzgeberischen Initiativen, die aus der Hauptstadt kommen, führen können, antwortet Postewka mit einer unmissverständlichen Geste: er bildet zwei Fäuste und reibt sie aneinander. In üblicher Sprache kann das viel bedeuten: Konfrontation, Reibereien oder frontaler Zusammenstoß.

„Allgemeiner Übergang zu Ukrainisch – bringt das die Menschen näher?“, zweifelt Jakob. „Ist es wirklich wichtiger, wie ein Mensch spricht, und nicht, was? Im Dorf verstehen sie es nicht: wie und warum ist das geschehen? Warum wurde der Entwurf nicht zur Diskussion gestellt? Ich denke, dass 90 Prozent der Abgeordneten selbst nicht wussten, was sie da beschließen.“

In diesen Tagen lässt der siebte Punkt des Gesetzes im Gerza-Kreis sich viele an den Kopf greifen. Wjatscheslaw Sidor, Direktor des Lyzeums „Georgi Asaki“ (bekannter Schriftsteller und Dramaturg, der in Gerza geboren wurde), winkt nur ab. Wo soll man ukrainischsprachige Lehrer hernehmen, ist eine der Hauptfragen.

„Wir werden die Vorgaben erfüllen, man wechselt ja nicht seinen Lebensmittelpunkt“, seufzt er. „Aber wie das praktisch aussehen soll, kann ich mir nicht einmal vorstellen. Wie kann ich das Kollektiv umerziehen, wie die Kinder brechen? Wie werden die Eltern in den rumänischsprachigen Familien die Hausaufgaben der Kinder auf Ukrainisch überprüfen? Warum wurde das so entschieden?“

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Die stellvertretende Direktorin des Lyzeums Lilija Monolaki beteuert, dass niemand im Umkreis die Lehrer zu „einem Krieg“ anstacheln wird.

„Wir haben schon einen Krieg im Land“, bemerkt sie. „Aber die Neuerung ist ein Schock für Kinder. Eltern und Lehrer. Die Gesellschaft ist nicht bereit. Wir ziehen natürlich nicht weg, zerbrechen nicht daran, überwinden die Schwierigkeiten. Unser Volk ist patriotisch und geduldig. Die rumänischsprachigen Kinder wissen sehr gut, in welchem Land sie leben. Wir sind nicht gegen die Staatssprache, aber um uns als vollwertige Staatsbürger zu fühlen, brauchen wir unsere Muttersprache in vollem Umfang. Es gibt viele nationale Minderheiten in der Ukraine, man soll uns ruhig ein bisschen wertschätzen.“

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Die Ukraine hat also nicht nur das Ungarntum, sondern auch die Rumänen bekämpft. Ich gehe davon aus, daß die Russen genauso provoziert worden sind, die einschlägigen Gesetze lassen das nicht nur erahnen, sondern sie deuten darauf hin. Ich verwundere mich mit welcher Vehemenz zahlreiche sonst vernünftige Publikationen für die Ukraine trommeln. Mir fehlt angesichts dieses skurrilen Verbrecherstaats die Motivation.

Nur zum Vergleich: Der Standard hatte im Juli 2018 aus Rußland berichtet: „Die russische Staatsduma hat in dritter und finaler Lesung ein umstrittenes Schulsprachgesetz beschlossen, das Unterricht in Russlands Minderheitssprachen auf eine freiwillige Basis stellt und somit auch in den „nationalen Republiken“ als nicht mehr verpflichtend vorsieht. Kritiker aus betroffenen Regionen und Experten befürchten eine weitere Schwächung von Minderheitensprachen.

Dem mit einer überwältigenden Mehrheit erfolgten Beschluss des Gesetzes waren heftige Diskussionen insbesondere in der russischen Teilrepublik Tatarstan vorangegangen: Auf Zuruf aus Moskau hatten Kontrollbehörden in der Teilrepublik im vergangenen Herbst erklärt, dass der auf lokaler Ebene zusätzlich zum Unterricht in russischer Sprache ebenso vorgeschriebene Schulunterricht in tatarischer Sprache föderalen Gesetzen widerspreche. Nach Protesten aus tatarisch-nationalen Kreisen hatten die Behörden Tatarstans damals jedoch betont, an der bisherigen Praxis festhalten zu wollen. Auch Kinder mit russischer Muttersprache sollten weiterhin verpflichtend zusätzlich auch in tatarischer Sprache unterrichtet werden.“

Damit ist nun Schluß. Russen müssen in Tatarstan nicht mehr Tartarisch lernen. Ansonsten ist das russische Schulsprachengesetz deutlich liberaler, als das ukrainische.

Insofern ist mir die Ukrainebegeisterung der in den deutschen Redaktionen verrammelten Diversitysekte eingermaßen unverständlich. Oder doch begreifbar, wenn man annimmt, daß es den Propagandisten nicht um Vielfalt, sondern um Einfalt: sprich Einführung des Sozialismus geht.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Man weiß nur zu verbieten, zu hindern und abzulehnen, selten aber zu gebieten, zu befördern und zu belohnen.“ (Geh. Rath v. Goethe)

 

Beitragsbild: B. Zeller aus ZZ. Heute: Migrantifademo von 2 Kóronaleugnern unterwandert