Baukörper als Herrschaftszeichen
Eine große Welle der Empörung schwappt wieder einmal durch die Medien. Die AfD wollte doch gar in Buchenwals einen Kranz niederlegen und der Opfer des Konzentrations- und Speziallagers gedenken. Als das von der Gedenkstätte abgelehnt wurde, wollten die AfDler einen Kranz mit der Inschrift „In stillem Gedenken“ ablegen. Auch das führte zu „leisem Entsetzen“. Das Entsetzen war immerhin so laut, daß es von der Gedenkstättenleitung in die ganze Medienwelt breitgetreten wurde.
Es ist sicher der verkehrte Weg, gleiches mit gleichem vergelten und die architektonische Kulisse der Kranzniederlegungen zu skandalisieren. Aber immer wenn man die Gedenkstätte sieht, überkommt einen Mißbehagen. Wegen der Pylonensemantik des ganzen Bauensembles.
Der Glockenturm besteht beispielsweise aus Baurückständen des nicht mehr fertiggestellten Weimarer Gauforums und die Massengräber mit den dazwischenstehenden Stelen auf der Straße der Nationen sind im Stil des Nationalen Historismus errichtet worden. Statt dieses Ensemble der ästhetischen Verwirrung langsam verfallen zu lassen und etwas neutraleres, dezenteres und intimeres herzustellen, wird diese Gasse im Geschmack der Diktatoren gerade aufwändig restauriert.
Schon „Straße der Nationen“ ist so ein Unbegriff. Juden waren keine Nation. Und Katholiken beispielsweise auch nicht. Und die Opfer der stalinistischen Säuberungen schon gar nicht. Es wurden ja nicht Nationalisten getötet, sondern Personen mit unterschiedlichen Lebenswegen und Gedanken. So eine langweilige Pylonenreihe, wie sie Hitler und Stalin auf ihren Prachtstraßen ständig bauen ließen, ziert diesen Weg. Mit den streng eingefaßten Massengräbern wird jede Individualität der Opfer optisch in Frage gestellt. Da liegen nun im Mauerrring alle einträchtig zusammen, die sich im Leben nicht leiden konnten: Sozialdemokraten, Katholiken, Stalinisten und Juden. Die Krönung: der Turm. Es waren die bereits fertig behauenen Steine für den Campanile des Gauforums, die auf dem Buchenwald zweckentfremdet wurden. Hatten die Erbauer gar kein Gefühl, daß Architektur auch etwas aussagt? Daß die Architekturhinterlassenschaften Hitlers und Stalins Herrschaftszeichen waren?
Als Adolfs und Josefs letzte Rache nimmt man die Gedenkstätte unter architektonischen oder stilistischen Gesichtspunkten wahr. Es wäre sehr teuer das alles zu ändern. Aber man könnte ja wenigstens mal drüber nachdenken und in kleinen Schritten beginnen. Die Gedenkstättenleitung weicht diesen Themen aus und beschäftigt sich lieber mit Kranzschleifchen, die nach 14 Tagen irgendwo im Müll rumkullern.
Es gibt aber starken Trost: Die wirklichen Opfer sind vermutlich in den Himmel gekommen und die tatsächlichen Täter in die Hölle. Das kann man mit ägyptisierenden Bauformen nicht verhindern und mit Kranzschleifen nicht beeinflussen. Der Liebe Gott arbeitet unabhängig von der Gedenkstättenleitung, der AfD, dem Zwangsfernsehen und den Gazetten.
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