Die dunkle Seite der Ukraine

Als Kind habe ich unmittelbar neben Russen und Tartaren gewohnt. Nur ein Lattenzaun trennte die ambivalente russische Seele von meiner rationalen. Vielleicht hat mich die Nachbarschaft ein bißchen gehärtet, ich kann viele Unschönheiten bemerken, ohne zu erschrecken oder ohne nachts schlecht zu schlafen.

Von kindlicher Sentimentalität zu brutaler Gewalt sind es nur ein paar Schritte oder Sekunden, so wie es zwischen dem Wohnzimmer, wo sie westfernsehten und sich beim Lachen auf die Schenkel klatschten und dem Folterkeller unter der Kommandantura nur drei Kilometer waren.  Ich habe gesehen, wie sie wegen kleiner Vergehen halb tot auf den Lkw geworfen wurden und ich hatte nach ihrem Abzug die Toilettenanlage in der Kaserne gesehen: 20 Löcher im Fußboden und das wars. Keine Trennwand, kein Wasserhahn, kein Ausguß, nix.

Hinter den lindgrünen Bretterzäunen, durch die man allenfalls sehen konnte, wenn man mal ein Astloch erwischte, tat sich eine trostlose Welt auf, die sich die Russen mit Wodka schöntrinken, mit Heimatliedern schönsingen und mit schwülstiger Pathetik schönreden können. Prachtkerle halt. Die Weiber haben manchmal wochenlang geheult, wenn der Rückreisebefehl eingetrudelt war, auch Heimatliebe kann sehr schwankend sein.

In Vielvölkerstaaten geht es meistens ruppig zu. Die Ukrainer haben seit Urzeiten böse Nachbarn gehabt: Türken, Nogaier, die Goldene Horde, das Krimkhanat und weitere Lästlinge. Besonders grausam war der Holodomor, mit dem der Georgier 1932/33 die Kollektivierung der Landwirtschaft erzwang. Etwa sieben Millionen Ukrainer wurden ausgehungert und starben. So etwas hinterläßt Spuren, ähnlich wie das Diktat von Jalta im ganzen Ostblock. In der Ukraine hat sich harte Fremdenfeindlichkeit etabliert, dasselbe Phänomen, welches die Davoser Oligarchen in Brandenburg, Thüringen, aber insbesondere in Sachsen zu erkennen glauben.

In der Ukraine richtet sich der nationale Überlebenswille nicht nur gegen die Russen, sondern auch gegen die Ungarn und Roma. Sehr restriktive Sprachgesetze sollen die russische und ungarische Kultur auslöschen. Die ungarische Minderheit sind zum Teil eigentlich Roma, die an der ungarischen Sprache hängen, wie man das auch in anderen Ländern beobachten kann. Die Romasiedlungen sind überall auf dem Balkan ärmlich, wenn man mal von den Königsstädten in Rumänien absieht. Aber so lieblos und verdreckt wie in der Ukraine sieht es nirgends aus.

Schon die Tschechoslowakei hatte sich als Verwalter von Karpatien nicht mit Ruhm bekleckert, die Sowjetunion und die Ukraine auch nicht. Es wird Zeit für die Entkolonialisierung auch in Europa. Was die Ukraine gegenüber Rußland verlangt, nämlich Unabhängigkeit, praktiziert sie hinter den Karpaten selbst nicht.

Ich wünsche den Ukrainern alles Gute, aber daß im Falle ihres Sieges die schöne neue Welt beginnt, das können wir hundertprozentig vergessen. Es herrschen rauhe Sitten im Osten.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „O süße Stimme! Viel willkommener Ton der Muttersprache in einem fremden Lande!“ (Geh, Rath v. Goethe)