Kriegstreiberei in der Ukraine

Kriegstreiber sind ja fast nie die Generäle, manchmal Politiker, aber recht häufig Intellektuelle oder solche, die welche werden wollen. Die Hetze und das Katastrophenklima wurden in den stets Gewehr bei Fuß stehenden Medien von der jeweiligen Jugendbewegung heraustrompetet, diese wiederum angestachelt von alten Männern mit Charisma und/oder Geld. Die Wandervögel, die Freideutsche Jugend, Muck Lambertys Tanzsekte, die bündische Jugend der Weimarer Republik, die 68er, FfF, Extinction und die Kóronajugend haben sich von Vordenkern wie Friedrich Nietzsche, Stefan George, Lenin, Kurt Hiller, Kurt Tucholsky, Herbert Marcuse, György Soros und Klaus Schwab in die Irre der Militanz führen lassen.  Das Dritte Reich ist dagegen einschließlich der DDR ein Sonderfall, weil die Staatsjugendorganisation eine Unterabteilung der Partei war.

Der preußische Jurastudent Georg Heym träumte 1910 von Barrikaden und Kriegen. Auskunft gab sein Tagebuch:

„Geschähe doch einmal etwas. Würden einmal wieder Barrikaden gebaut. Ich wäre der erste, der sich darauf stellte, ich wollte mit der Kugel im Herzen den Rausch der Begeisterung spüren. Oder sei es auch nur, daß man einen Krieg begänne, er kann ungerecht sein. Dieser Frieden ist so faul ölig und schmierig, wie Leimpolitur auf alten Möbeln.“

Ein Jahr später reimte er schon wieder vom Krieg:

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
aufgestanden unten aus Gewölben tief.

Eine große Stadt versank in hellem Rauch,
warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
Aber riesig über glühnden Trümmern steht,
der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht

über sturmzerfetzter Wolken Widerschein
in des toten Dunkels kalten Wüstenein,
dass er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.

Diese Kriegslyrik war keine deutsche Spezialität. In Italien, Frankreich und Rußland wurde spigelbildlich das gleiche oder ähnliches ausgebrütet. Ich hatte diesbezüglich auf PB schon über den italienischen Futurismus berichtet, der noch viel rabiater als das deutsche Geschwurbel war. Demnächst werde ich die „Psychologie der Massen“ von Le Bon beleuchten, um keine antideutschen Ressentiments zu fördern und auch den damaligen Feind zu charakterisieren.

Von 1910 bis 1914 entstanden aus der Jugendbewegung heraus hunderte von Gedichten, Romanen und Bildern, in denen der bevorstehende Krieg thematisiert und verherrlicht worden ist. Die literarisch-poetische Zerstörungslust, manchmal gar Zerstörungswut, war mit dem Wunsch nach einer harmonischen schönen Neuen Welt verbunden, deren neue Menschen aus den alten in einer Reinigungskatastrophe entstehen würden.  Der damals immerhin schon 39jährige Thomas Mann litt wie so viele unter dem manischen spätkaiserzeilichen Hygiene- und Waschzwang:

„Krieg!, Es war eine Reinigung, Befreiung, was wir empfanden, und eine ungeheure Hoffnung.“ „Was die Dichter begeisterte, war der Krieg an sich selbst, als Heimsuchung, als sittliche Not. Es war der nie erhörte, der gewaltige und schwärmerische Zusammenschluß der Nation in der Bereitschaft zur tiefsten Prüfung – einer Bereitschaft, einem Radikalismus der Entschlossenheit, wie sie die Geschichte der Völker vielleicht bisher nicht kannte. Aller innerer Haß, den der Komfort des Friedens hatte giftig werden lassen – wo war er nun?“ (…) „Wie hätte der …Soldat im Künstler nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die er so satt, so überaus satt hatte.“

Mann bekannte sich ausdrücklich zum „Gedankendienst mit der Waffe“, um das deutsche Wesen zu verteidigen. Tausende Federkiele begannen Tinte zu schlürfen, und auf unschuldigem Papier dunkle Spuren zu hinterlassen. Der Schriftsteller Rudolf Burchardt sah gar den Kampf um die Verwirklichung des deutschen Wesens und der deutschen Mission ausgebrochen. Friedrich Gundolf aus dem George-Kreis lobte, dass die Deutschen endlich ein Volk geworden seien, „das einzig wahrhaftige, echte, männliche (Gundolf hatte kein Interesse an Frauen), sachliche.“ Dieses Land voller Helden habe es mit Gegnern zu tun, die voller Feigheit, Lug und Gemeinheit steckten. Gustav Sack schrieb in seinem Roman „Der verbummelte Student“:

„Käme der Krieg!…Volk gegen Volk, Land gegen Land, ein Stern nichts denn ein tobendes Gewitterfeld, eine Menschendämmerung, ein jauchzendes Vernichten-! o, ob dann nicht ein Höheres -.“

Franz Marc schrieb am 26. September 1914 an seinen ausländischen Freund Wassily Kandinsky vom Blauen Reiter: „Der Stall des Augias, das alte Europa, konnte nur so gereinigt werden, oder gibt es einen einzigen Menschen, der diesen Krieg ungeschehen wünscht?“

Alfons Paquet deutete Anfang 1914 in seinem im „Neuen Merkur“, Heft 1 abgedruckten Aufsatz „Der Kaisergedanke“ die gewünschte Reinigungskatastrope als Flurbereinigung aus: Das Erlöschen der römischen Kaiserwürde 1806 habe einen rasenden Wettbewerb der europäischen Imperialismen ausgelöst, einen anarchischen, kostspieligen und entsittigenden Zustand, der nur durch künftige Kriege oder auf dem Wege einer großen Flurbereinigung zu lösen sein werde. In der Frankfurter Zeitung vom 27.08.1914 betonte er, dass wir bereit seien mit dem blutroten Stift eine neue Weltkarte zu zeichnen und dass Deutschland bereits den Neuen Menschen in seinem Schoß trage.

„Vielleicht ist der Gedanke der Verwaltung der Erde dieser Gedanke und gibt dem Zeitalter der Weltwirtschaft, in das wir statt mit Freudenfesten und Verbrüderungen mit blutigen Kämpfen eingetreten sind, seinen kosmischen Sinn.“

Der Nobelpreisträger Rudolf Eucken verstand den Weltkrieg als „Weltbewährungsprobe deutscher Innerlichkeit“. Die Vernichtung der deutschen Art würde die Weltgeschichte ihres tiefsten Sinnes berauben. Der jugendbewegte Paul Natorp, einer der Organisatoren des Freideutschen Jugendtages von 1913 auf dem Hohen Meißner verstand den Krieg als Aufbruch der Jugend. Der Sinn des Völkermordens sollte ein idealer sein:

„So möchte der Deutsche allerdings gerne die Welt erobern, doch nicht für sich, sondern für die Menschheit; nicht um etwas dadurch zu gewinnen, sondern um sich zu verschenken.“

Johannes R. Becher peitschte sich buchstäblich auf Biegen und Brechen durch ungelenkes verwildertes Wortgestrüpp:

O dass doch ein Brand unsre Häupter bewölb
Es rascheln gewitternd Horizonte fahlgelb (…)
Wir horchen auf wilde Trompetdonner Stöße
Und wünschten herbei einen großen Weltkrieg. (…)
Die Nerven gepeitschet, die Welt wird zu enge.
Laßt schlagen uns durch Gestrüpp und Gedränge!

Am 8. August schrieb der bekannte und umstrittene Publizist Maximilian Harden in seinem Periodikum „Zukunft“:

„Siegen wollen wir. Siegen müssen wir. Cecil Rhodes hat einem Splitterrichter in die Käsfratze gebrüllt: <Dieser Krieg ist gerecht, denn er nützt meinem Volk und mehrt meines Landes Macht!> Hämmert in alle Herzen den Satz. Klebet ihn alle Mauern. An die Amtshäuser und Straßenecken der Städte, der Dörfer auf blutrothem Papier. Schreibet darunter: Das Schwert heraus! Der Fuß frecher Feinde schändet unseren Boden. Schlagt sie tot! Das Weltgericht fragt euch nach den Gründen nicht!“

Gerhard Hauptmann faselte unter der Überschrift „Komm, wir wollen sterben gehn“:

Diesen Leib, den halt´ ich hin
Flintenkugeln und Granaten:
Eh´ ich nicht durchlöchert bin,
kann der Feldzug nicht geraten.

Ähnlich todessüchtig reimte der Arbeiterdichter Heinrich Lersch im Gedicht Soldatenabschied:

Nun lebet wohl, ihr Menschen, lebet wohl!
Und wenn wir für euch und unsre Zukunft fallen,
Soll als letzter Gruß zu euch herüberhallen:
Nun lebet wohl, ihr Menschen, lebet wohl!
Ein freier Deutscher kennt kein kaltes Müssen:
Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen!

Ob Deutschland wirklich leben müsse, bezweifelte der schwule Wanderer zwischen den Welten, Walter Flex, der mit gezogenem Säbel auf einem herrenlosen Kosakenpferd seiner Einheit vorausritt, bis eine Kugel ihn traf:

Wie es dem Manne geziemt, in kräftiger Lebensmitte zuweilen an den Tod zu denken, so mag er auch in beschaulicher Stunde das sichere Ende seines Vaterlandes ins Auge zu fassen, damit er die Gegenwart desselben um so inbrünstiger liebe; denn alles ist vergänglich und dem Wechsel unterworfen auf dieser Erde. Oder sind nicht viel größere Nationen untergegangen, als wir sind. Oder wollt Ihr einst ein Dasein dahinschleppen wie Der ewige Jude, der nicht sterben kann, dienstbar allen neu aufgeschlossenen Völkern, er der die Ägypter, die Griechen und Römer begraben hat? Nein! Ein Volk welches weiß, dass es einst nicht mehr sein wird, nützt seine Tage umso lebendiger, lebt um so länger und hinterlässt ein rühmliches Gedächtnis; denn es wird sich keine Ruhe gönnen, bis es die Fähigkeiten, die in ihm liegen, ans Licht und zur Geltung gebracht hat, gleich einem rastlosen Manne, der sein Haus bestellt, ehe denn er dahinscheidet……Der Gedanke an den Heldentod eines Volkes ist nicht schrecklicher als der Schwerttod eines Menschen. Nur das Sterben ist hässlich bei Menschen und Völkern. Aber wenn ein Mann den tödlichen Schuß, der ihm die Eingeweide zerreißt, empfangen hat, dann soll keiner mehr nach ihm hinsehen. Denn was dann kommt, ist hässlich und gehört nicht mehr zu ihm. Das Große und Schöne, das heldische Leben ist vorüber. So muß es auch sein, wenn ein Volk seinen Todesstreich empfangen hat, – was danach kommt, darf niemand mehr seinem Leben zurechnen, es ist kein Teil davon….

Alfred Henschke, genannt Klabund und der Zeichner Richard Seewald gaben das Kleine Bilderbuch vom Krieg heraus. Klabund wurde wegen seiner Tuberkulose als Kriegsfreiwilliger abgelehnt und musste sich beim Kriegstraktätchen schreiben das reformistische Mütchen kühlen. „Köpfe sausen und tote Münder schrein“, reimte er, und:

Riesenvögel fielen über Land
Schwarz mit gelben Schnäbeln,
Die sie gleich gekrümmten Säbeln
Menschen in den Leib gerannt.

Manche hackten sie wie Brote.
Wehrlos lächelnd dem Verderben
Sah man sanft das Abendrote
Sich mit seinem Blute färben.

Der Theaterkritiker Alfred Kerr hatte es mit dem russischen Reiche:

Ist Dein Land, Immanuel Kant,
Von den Skythen überrannt?…
Hunde drangen in das Haus:
Peitscht sie raus!…
Dürfen uns nicht unterkriegen,
Peitscht sie, daß die Lappen fliegen,
Zarendreck, Barbarendreck –
Peitscht sie weg! Peitscht sie weg!

Heiliges Rußland! Wenn es doch gelänge –
und du kriegtest die verdiente Senge! –
Logisches Vernunftgebot,
scharfe Dresche tut dir not!

Und da wären wir plötzlich in der Gegenwart. In der WELT fand ich heute einen gespenstischen Eintrag eines kriegsaffinen Paolo Brera. Ich habe im Internet nach dem martialischen Vogel gesucht, aber nicht mehr als un cantante romantico mit fabrikneuen Regenbogensocken gefunden:

Ist das etwa der Autor der folgenden Zitate aus dem Eintrag: „Techno und Kalaschnikows – Kiews Jugend wartet auf den Krieg“ ? Vermutlich ja, denn der WELT-Artikel wurde aus dem Italienischen übersetzt.

Es herrscht eine enorme Anspannung in Kiew, gerade unter den jungen Leuten. Sie führen ein Leben, das kaum Zeit zum Nachdenken lässt: Guerillakrieg und Karaoke, Büroarbeit und Training auf dem Schießstand. In den Abendstunden trifft man sich zum Tanzen in einer alten Backsteinfabrik, die man in einen Club verwandelt hat.

Hier kommen nur Leute hinein, die man kennt, die eingeladen wurden oder sich mit dem Wachmann der Diskothek gut verstehen. Weißer Nebel, rote Lichter, ein voll aufgedrehtes DJ-Set und eine Geburtstagstorte: Das Fest startet am Samstagabend und erst am Montagmorgen werden die letzten die Fabrik wieder verlassen. Hier genießen sie ihre Freiheit, wohl wissend, was auf sie zukommen könnte. (…)

Polizei, Nationalgarde und Spezialeinheiten der Armee sind gerüstet. Doch die ukrainische Regierung bringt gegen die Russen jetzt noch eine weitere Waffe in Stellung – ähnlich wie damals Afghanistan, als es den Mudschaheddin gelang, die Panzer der Roten Armee zu bezwingen. (…)

Sergiy Prokhorenko arbeitet in der Ukraine für einen Schweizer Pharmakonzern. Er ist ein leidenschaftlicher Waffenfan. Früher habe er mit seinen drei Söhnen Softair gespielt, jetzt bringe er einem der Jungen das Schießen bei. „Ich habe sechs Gewehre zu Hause“, sagt er. Seit 2014 helfe er den Soldaten, das sei seine „zweite Arbeit“.

Er habe nachgefragt, was die Soldaten brauchen und dann dafür gesorgt, dass sie es bekommen: Leichtere kugelsichere Westen, Entfernungsmesser für die Schützen. „Wenn die Russen angreifen sollten, bringe ich zuerst meine Familie in Sicherheit, und dann bin ich dabei.“

Prokhorenko ist Mitglied einer rechtsliberalen Partei, der „Demokratischen Axt“, deren Ortsvorsitzende die 28-jährige Bohdana Levytska ist. Sie ist mit einem Reservisten verheiratet und hat sich für einen Einsatz im Zivilschutz registrieren lassen: „Mir hat man erklärt, ich werde in der Buchhaltung arbeiten oder Kriegsberichte schreiben.“

Noch ein Stempel auf dem Handgelenk, und wir dürfen hinein. Wir zeigen die Eintrittskarte vor, werden erneut genauestens durchsucht und bekommen die nächsten Aufkleber aufs Handy. Drinnen herrscht das absolute Chaos. Techno hämmert auf die Menschen ein, auf halbnackte Jugendliche, Heteros und LGBTQ, Leder und Latex, mit Nebelmaschinen und Scheinwerfern.

Dieselbe Pennälerromantik wie vor dem Ersten Weltkrieg. Diese träumerische großstädtische Bohéme, die von in weit entfernten, gut geheizten Stuben hockenden Multimillardären gespickt, große Töne spuckt und nach Feierabend den Mudschaheddin spielt. In der Buchhaltung des Kriegs will die Alte arbeiten und Kriegsberichte schreiben… Da würde ein kurzer Stift reichen.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Manches Herrliche der Welt ist in Krieg und Streit zerronnen. Wer beschützet und erhält, hat das schönste Los gewonnen.“ (Geh. Rath v. Goethe)