Krisenmärchen der Crashpropheten

Derzeit häufen sich die medialen Krisen- und Zusammenbruchsvoraussagen. Insbesondere der tiefe Fall der Techwerte am Freitag war Anlaß für düstere Prognosen. Dazu eine historische Reminszenz. Die Finanzkrise wird uns im Nachhinein von den Lügenmedien als urplötzlicher Knall mit Heldenepos verkauft. Lehman Brothers war am 15. September 2008 kollabiert, Dr. M. und Finanzminister Steinbrück hätten am 05.10.2008 kurz entschlossen die Welt und das deutsche Geld gerettet, so das verbreitete Märchen:

Die Berichterstattung war 2008 auf einem schlimmeren Klatschhasenniveau als derweilen. Damals gabs noch keine AfD, das ist der Unterschied, der heutzutage etwas mehr Disziplin der filmenden Zunft bewirkt.

Das Krisenszenario war ein ganz anderes, als es den meisten Leuten in Erinnerung ist: Seit Mitte 2007 begann sich das Prinzip des von den Medien vielgelobten Investmentbankings umzukehren. Die Jahre davor waren dadurch gekennzeichnet, daß mit Bilanztricks und Auflösung stiller Reserven kommende Gewinne vorgezogen wurden. Die Clinton- und Blair-Ära war ein Jahrzehnt steifer Anzüge der Banker, ungewöhnlicher, aber unverdienter Profite und sprudelnder Steuereinnahmen. 2007 war die Realwirtschaft ausgelutscht und es begann die Gegenbewegung mit ersten Verlusten. Das Tüpfelchen auf dem i wurde die Subprimekrise der USA, die besonders die treudoofen deutschen Landesbanken (außer Hessen-Thüringen) traf.

Als Dr. M. vors Fernsehn trat hatte die Aktie der Deutschen Bank in einer mehr als einjährigen kontinuierlichen Abwärtsspirale schon mehr als die Hälfte ihres Werts verloren. Am 14.05.2007 kostete sie 91,618 €, beim Fernsehauftritt von Dr. M. am 6.10.2008 noch 45,828 €. Der erste Tiefpunkt wurde am 21.11.2008 mit einem Kurs von 15,838 € erreicht. Bis zum „Eingreifen“ der Politik verlor sie 46 €, danach noch einmal 30 €.

Hier noch die Commerzbank: Am 06.06.2007 wurde sie mit schwindelerregenden 195,512 € notiert, am 6.10.2008 noch mit 58,042 €. Der erste Tiefpunkt wurde am 21.11.2008 mit einem Kurs von 29,591 € getestet. Bis zum Fernsehauftritt verlor sie 137 €, danach noch einmal 29 €.

Die Crashpropheten behaupten oft, daß eine Krise die Leute plötzlich und unerwartet überrascht. Das war weder beim Zusammenbruch des Neuen Marktes so (der zog sich fast drei Jahre hin), noch während der Finanzkrise. Es war beide Male ein langsames Dahinsiechen mit Ansage.

Man muß auf deutliche Zeichen achten. Meine Freundin und ich waren in der Zeit des Nemax stolze Besitzer der MÜHL-Aktie. Die Aktionäre wurden jedes Jahr zu einem größeren Event eingeladen. Dudelsackspieler aus Schottland wurden eingeflogen und ein New Yorker Ensemble führte ein Musical auf, die West Side Story. Am Rande der Veranstaltung sah ich den MÜHL-Geschäftsführer mit dem schlimmsten kommunalen Verbrecher aus dem 50-km-Umkreis rumstehen. Ich machte meine Freundin drauf aufmerksam und wir verkauften die Aktien mit hauchdünnem Gewinn in der folgenden Woche. Es war hohe Zeit, vier Wochen danach wurde die Insolvenz angemeldet. Wenn man etwas Verdächtiges bemerkt, darf man sich das nicht schönreden. Das zeitnahe Reagieren auf schlechte Zeichen war Olaf Scholz nun halt mit Cum-ex und Wirecard durch die Lappen gegangen. Irgendwie hat er mit Geldsachen auf Rechnung des Steuerzahlers immer wieder Pech. Er sollte sich eine Glaskugel anschaffen oder den Vogelflug deuten lernen, wenn er sich ansonsten nur mit schlechten Beratern umgibt.

Der aktuelle Bezug dieses Eintrags: Die Sinnkrise der Wachstumsaktien des NASDAQ und des TecDAX hatte bereits im März 2021 begonnen. Jetzt erst findet man alarmistische Artikel im Mainstream.  Findige Beobachter hatten ihr Portfolio längst umgebaut und traditionelle Prinzipien anerkannt, zum Beispiel das der schwarzen Zahlen.

Auch solide Aktien werden in stürmischen Zeiten etwas beschädigt. Das hat viele Gründe. Es gibt kreditfinanzierte Aktien und wenn die zu niedrigen Kursen liqidiert werden müssen, greifen die Reingefallenen zu soliden Assets um die Löcher zu stopfen. Auch durch die Verbandelung in ETFs werden Schockwellen überall hin verbreitet. Und es gibt auch den einfachen Faktor der Panik. Ich hatte von Februar bis Mai 2000 mal nachgesehen, wie die Kóronadelle ausgebügelt wurde: Bei Qualitätsaktien sehr schnell.

Es sind immer die gleichen Fortschrittsgesichter, die grenzenloses Wachstum, horizontlosen Lebensraum, große Transformationen und Renditen wie im Sklavenhandel versprechen. Ron Sommer, Hitler, Elon Musk, Mao, Märchenrobert und Annalena, Lenin, Cathie Woods sowie der Wirecard-CEO Marcus Braun. Sie kommen aus ganz unerschiedlichen Kulturen, aber das Versprechen, daß dieses Mal alles ganz anders sei, ist Visionären so gemeinsam wie die Bruchlandung. Es gibt anthropologische Konstanten, Blender finden immer wieder Mitläufer.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Vielleicht das beste an der Zukunft: Es kommt immer nur ein Tag auf einmal.“ (Geh. Rath v. Goethe)