Inquisition in Halle

Mir ist noch jene Wissenschaftskultur bekannt, in der man sich zu 100 % über jeden ausgemachten Blödsinn einig war, um sich im Hinterzimmer bis zum Filmriß zu betrinken und drüber zu lachen. Derzeit wird so eine aprilfrische Reinheit der Erkenntnis wieder angestrebt. Drei Prozent Abweichler hält man schon wieder nicht mehr aus. Die „organisatorische Festigung der Universität und ihre Säuberung von konterrevolutionären, kleinbürgerlichen, entarteten und feindlichen Elementen“ – so ein Originalzitat aus der Ulbrichtperiode – fordert immer mehr Opfer.

Aus Kekulés Worten spricht die „Argumentation des Klassenfeindes“. Sicher ein Schädling, der außerhalb „unserer Gesellschaft steht“. Er wird mit seinen Ansichten dem „sozialistischen Erziehungsprozeß an einer Hochschule nicht gerecht“.

Diese Zitatfetzen begründeten 1978 den Rauswurf eines Hochschulmitarbeiters aus einer ostzonalen Hochschule. Im Osten ist das wirklich nichts Neues. Honecker behauptete allerdings nicht, daß in seiner Satrapie Toleranz, Vielfalt und Diversität geherrscht hätten. Bei ihm hießen die Leitpfosten noch „Linientreue“, „Ergebenheit“ und „revolutionäre Wachsamkeit“.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Wissenschaftstheoretiker haben wiederholt demonstriert, daß auf eine gegebene Sammlung von Daten immer mehr als eine theoretische Konstruktion passt.“ (Thomas S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen.)