Zweifel vor der Hitlerhalle
In Weimar gab es jahrzehntelang den monströsen Rohbau der Reichskongreßhalle, eine Verlängerung des fast fertig gestellten Gauforums. Im Volksmund hieß das Ding einfach Hitlerhalle. Am Ende der 70er hatte eine ungarische Baufirma ein Dach draufgesetzt und Wände rangebastelt, weil man den Koloß mit sieben Kelleretagen nicht sprengen wollte oder konnte. Zahlreiche Betriebe wie Reh-Kinderkleidung und Ratioprojekt zogen ein.
Im Prinzip war ich in der Russenzeit der weit verbreiteten Überzeugung, daß sich der real existierende Sozialismus – so das Eigenframing – und der Kapitalismus – so das der BRD-Fremdmarke – unterscheiden. Selbst der eifernde Stabü-Lehrer ließ daran keinen Zweifel. Nur daß er der Meinung war, daß die Sowjetunion der Hort des Fortschritts wäre, was vom einfachen Volk wegen in die Hose gegangener politischer Bildung bezweifelt wurde.
Auf dem Weg von der Innenstadt zum Blechbüchsenviertel – so die in der Kulturstadt gängige Bezeichnung der östlichen Bahnhofsgegend um die Watzdorfstraße (aka Ossietzkystraße) – mußte man an der Hitlerhalle vorbei, wenn man nicht den Weg durch die sog. Gaskammer (aka Karl-Liebknechtstraße, vormals Adolf-Hitlerstraße, davor Bürgerschulstraße) und durchs Gauforum wählte.
Vor der Halle – und seltsamerweise nur immer an dieser Stelle – kam mir in den 70ern und 80ern wiederholt der Gedanke, daß sich Zone und BRD nicht unterscheiden, daß die hier und dort behaupteten Systemunterschiede nicht existent wären oder allenfalls gering. Wenn ich den Platz vor der Halle passiert hatte, erschien mir das wiederum absurd.
Das Gehirn speichert alle Informationen, die wir aus der Umgebung aufnehmen, in sogenannten kognitiven Räumen. Das betrifft nicht nur rein geografische Daten, sondern auch deren Zusammenhänge mit Objekten und Erfahrungen. Als kognitive Räume bezeichnen wir dabei innere Speicher, in denen wir mental die komplexe Realität vereinfacht anordnen und abspeichern. Je nach Eigenschaft liegen Objekte dann nah zusammen oder weit voneinander entfernt im kognitiven Raum. Die Hitlerhalle und der Systemwettbewerb lagen also zufällig – oder auch nicht – nah zusammen.
Der zweite festzuhaltende Fakt ist, daß es keine abwegigen Gedanken gibt, daß die Realität unsere Albträume oft einholt.
Nun sind 50 Jahre vergangen, die Halle nennt sich nach einem weiteren Umbau Atrium und Wellkomm Center. Inzwischen sind die letzten Unterschiede zwischen Zone und BRD verflacht, wir sind absurderweise demokratiemäßig in der DDR 2.0 angekommen. Das ist nicht nur mein Eindruck, immer mehr Leute teilen diese Meinung.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Zur Resignation gehört Charakter. “ (Geh. Rath v. Goethe)
In der Tat, die Unterschiede sind verschwunden.
https://reitschuster.de/post/zerstoerung-der-familie/
Das neue Koalitionspapier erinnert mich irgendwie an eine Traditionspflege von deutschen Totalitarismus.
Es ist erschreckend wie viele Deutsche diesen Terror anhängen und sich schamlos Demokraten nennen.
Ich ordne dies Papier kurz und knapp unter „Ermächtigungs- und Rassegesetz 2“ ein.
Europa sei wachsam, der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch und wieder aktiv.
Nutzungsänderung der unfertigen Quer-Halle: In den Neunzigern bin ich da mal bei einem Ortstermin dringewesen. In der Ermittlungsakte wurde die Lokalität als „das Pisshaus“ bezeichnet. In der Tat, man konnte es kaum überriechen.
Ja, jetzt wo Sie’s sagen fällt’s mir auch wieder ein. Gruselige Ruine, passt irgendwie nicht zum Goethehaus und zum Ami.
Es gibt im Internet eine Fotogalerie (Magdlung und Weimar eingeben), wo man sehen kann, was in der Breitenstraße abgerissen werden mußte, um dem Gauforum Platz zu machen.