Totalitarismus kommt und geht in weltweiten Wellen
In den Kommentaren dieses Blogs gibt es die Tendenz alle Blödheit des Universums in Deutschland zu verorten. Zugegeben: Mir passiert es in der Hitze des Gefechts zuweilen Berlin zum Dreh- und Angelpunkt fast aller obskurer Projekte zu stilisieren. Das entspricht allerdings nicht den beschränkten Möglichkeiten der Berliner, auch nicht der geschichtlichen Entwicklung der letzten 200 Jahre. Aufschwung und Niedergang oszillierten weltweit, wobei allerdings in den großen Ländern exzessivere Eskapaden abgeliefert wurden, als in den kleinen, wo in der Regel alles ohne überschießenden Eifer nachgeturnt wurde. In Rußland, Frankreich, Deutschland, aber auch China entglitten die Verhältnisse zeitweilig völlig dem bürgerlichen Anstand, aber auch der New Deal und der derzeitige Rassenirrsinn in den USA gehören ins Schema des jeweils waltenden Weltgeistes. Eine Übersicht in ganz groben Strichen:
Auf die sogenannte Sattelzeit zwischen etwa 1760 bis 1880, in der in den wichtigsten Ländern marktwirtschaftliches Denken überwog, folgte 1880 bis 1950 eine weltweite planwirtschaftliche Welle. Von 1950 bis etwa 2000 gab es als Gegenbewegung zumindest im Westen Lockerungen, seit 2000 etabliert sich unter dem Kommando der alten weißen Milliardäre mit Beihilfe der NGOs und der Vereinten Nationen ein neuer Totalitarismus.
Die Sattelzeit begann mit Lockerungen der Leibeigenschaft, der Etablierung von Manufakturen außerhalb der zünftigen Städte und mit Justizreformen. Es erwachte ein bürgerliches Selbstbewußtsein, das sich zuweilen überspitzt äußerte, in Deutschland explizit im „Sturm und Drang“. In Preußen war ein Meilenstein das Allgemeine Landrecht, welches 1794 in Kraft trat. Die liberale Wirtschaftstheorie wurde 1776 von Adam Smith mit dem „Wohlstand der Nationen“ weiterentwickelt. Napoleons Code Civil, die Steinschen Reformen in Preußen, das Verbot der Zünfte in England und Frankreich und die Aufhebung der Korngesetze in England 1846, der Freihandelsvertrag zwischen England und Frankreich 1860, die Aufhebung der Leibeigenschaft in Rußland 1861 und die Herstellung der Gewerbefreiheit für ganz Deutschland nach dem Deutsch-Französischen Krieg gehören in diesen Kontext. Wenn man sich nach den Antrieben fragt: Wichtig war für die modernen Staaten mehr Steuerkraft zu generieren, und der Rubel rollte mit Gewerbefreiheit schneller, als mit Zünften.
Um 1880 begann sich der Wind langsam zu drehen. Schleichend etablierten sich protektionistische Handelspraktiken, noch schädlicher war allerdings die einsetzende Kartellierung mit der die Industrie die Zünfte großtechnisch nachbildete. Den entscheidenden Schlag gegen den Fortschritt löste allerdings der Ausbruch des Ersten Weltkriegs aus, als die Volkswirtschaften auf Basis der bereits vorhandenen Kartelle und Wirtschaftsvereinigungen planwirtschaftlich umgebaut wurden. Nach Ende des Kriegs erfolgte kein Rückbau der Kommandowirtschaft, man richtete sich darin ein. In der deutschen Sozialdemokratie beispielsweise wurde das als Beginn der Vergesellschaftung gefeiert. Besonders strong war diese Tendenz zunächst in Rußland, wo zentrale Planwirtschaft regelrecht zum zentralen Dogma erhoben wurde, aber auch in Deutschland, den Vereingten Staaten, Frankreich, Polen und Italien war ein zunehmender Dirigismus spürbar, mit und ohne Marx.
1947 begann mit dem GATT-Handelsabkommen in der westlichen Hemisphäre die Zeit der Lockerungen. Ludwig Erhard nutzte die Gelegenheit für eine Entschärfung der Planwirtschaft und nannte das Konstrukt „Soziale Marktwirtschaft“. Auch in den Vereinigten Staaten wurden Teile der Wirtschaft in den 50ern auf marktwirtschaftlichen Kurs gebracht. Die EWG-Verträge kann man auch noch in diese Tendenz einordnen. Der wirtschaftsliberale Geist hatte es angesichts der Steinzeitverhältnisse hinter dem Eisernen Vorhang leicht sich zu legitimieren.
Mit dem Wegfall der Goldbindung des Dollars, dem Ende der Sowjetunion und der ökonomischen Entkrampfung in China begannen die neuerlichen Probleme der marktwirtschaftlichen Ordnung. Es gab um 2000 ja keinen globalen Wettbewerbspartner mehr, der wirklich herausforderte. Zunächst breitete sich bürokratischer Schlendrian aus – ich nenne nur mal die von Brüssel verlangte Qualitätszertifizierung. Dann begann mit der Energiewende manch unlogisches Manöver: die mathematisch und physikalisch fehlerhafte Energiesparverordnung und der Kernkraftausstieg, welcher der von der Klimakirche gewollten CO2-Ersparnis massiv im Wege stand und stehen wird, eigentlich wegen Bewußtseinsspaltung ein Fall für die Psychiatrie. Als Ersatz für das Sowjetimperium wurde ein nichtstaatlicher Feind ausgemacht: Das Klima, gegen welches derweilen mit mehr Aufwand gerüstet wird, wie seinerzeit gegen die Rote Armee.
Konrad Lorenz hatte in „Das sogenannte Böse“ bereits angekündigt, daß nach einem – 1992 von Francis Fukuyama behaupteten – „Ende der Geschichte“ interne Zerwürfnisse heraufziehen würden, womit er Recht behalten hat. Das Kapitel Trump und der Kasus Brexit waren so welche und sie werden nicht die letzten sein, weil sich die Realität gegen Traumwelten immer wieder Bahn bricht. Die chinesische Herausforderung wurde von Obama und Dr. Merkel mehr oder weniger verdrängt, während man lächerlicherweise nicht gegen, sondern mit Windmühlenflügeln gegen einen selbsterfundenen Gegner kämpft. Es geht insbesondere den Eselinnen noch zu gut und sie lassen sich von Millardären und Träumern (fast alle männlich, alt und weiß) aufs Eis schicken.
Wenn sich der Westen arm politisiert und phantasiert hat, wird er aufwachen. Aber leider nicht vorher. Es war immer die Not, welche schwimmen lehrte. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, nach den Napoleonischen Kriegen, nach den Weltkriegen. Dann wird wieder jeder Tag ein neuer Anfang sein. Wir müssen jetzt erst mal durch eine Phase der politischen und ökonomischen Finsternis, wobei man darauf achten muß, das persönliche Umfeld möglichst weit aus dem staatlichen Stress herauszumanövrieren.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Wenn auch Gewalt und Terror den Frieden zu gefährden drohen, wir wissen aus einer langen Geschichte, daß Gewalt und Terror keinen Bestand haben und keinen Bestand haben können. – Das Recht war auf die Dauer immer stärker als die Gewalt und wird es auch in Zukunft sein.“ (Dr. Adenauer)
Allerdings ist den Worten am Schluss besonders zuzustimmen. Absolute Enthaltsamkeit in politischen Fragen. Wer im öffentlichen Dienst ist, sollte ihn verlassen. Die nächste Krise wird sich „Schuldige“ suchen, wie immer. Ich tippe auf den ÖD mit seinen Privilegien.
Danke für das Landen auf dem Teppich („Das entspricht allerdings nicht den beschränkten Möglichkeiten der Berliner, auch nicht der geschichtlichen Entwicklung der letzten 200 Jahre.“), das klingt doch etwas realistischer. An der geographischen Lage und somit geopolitischen Situation Deutschlands kann man nichts ändern, der Bewegungsspielraum ist recht begrenzt.
Was das Kliemer angeht, so sehe ich das auch als eine Art Rudelbildungsversuch, der möglichst wenig der üblichen Unterscheidungen (nach Sprache, Religion, Klasse und sonstwas) übernimmt, um querbeet „allen“ ein hehres anzustrebendes Ziel zu bieten. Dies geht mit den üblichen Phänomenen einer Erweckungsbewegung einher… und verschiedene Gruppen suchen sich dadurch in bessere Stellung zu bringen oder schlicht Geschäfte zu machen (Al Gores CO2-Zertifikate als Erneuerung des Ablaßhandels).
Es wird noch für so einiges als Vehikel benutzt werden, gerade auch für totalitäre Anwandlungen wie Abschaffung des Bargelds.
Benjamin Disraeli hat das aus seiner imperialen Sicht doch ähnlich wie das hiesige Kommentariat gesehen, indem er die Reichsgründung 1871 als _die_ Revolution bezeichnete, womöglich grösser als die französische.
Ohne diese plötzlich kritisch gewordene Masse wäre der greise Engels nicht mit den SPD-Granden zusammengekommen, hätte Lenin nicht vom deutschen Generalstab geschwärmt, hätte es den bösartigen Roman „Die 500 Millionen der Begum“, die sinnlose Flottenpolitik, die Kolonialabenteuer, die Elektrizitätskartelle (unter denen wir gerade wieder leiden), die Grossmäuligkeit und vieles Üble mehr nicht gegeben.
Kriege und auch Barbareien gab es überall und immer und wird es immer geben, aber der deutsche Gleichschritt-Untertan als Subjekt der Geschichte ist eben einmalig.
Selbst der politisch eher irrlichternde Danisch hat das unlängst in seinem Artikel über die zwei Deutschlands mehr gefühlt als rational schlüssig begründet.
Kurz, regionalisierte, dezentralisierte deutsche Länder in einem anderen Verbund als dem mit sich selbst täten ihren Einwohnern und der Welt besser.
NB. Womöglich ist diese empfundene Selbstkritikalität auch ein Grund für die Irrationalität, mit der Deutschland der Kernenergie begegnet.
Der Artikel müffelt nach Anbiederung an die Obrigkeit. Wohl zu viel Kritik gewagt?
Na nun ist alles in Ordnung und man kann sich wieder den Börsenkursen widmen.
Es oszilliert auch hier gewaltig.
Vielen Dank für dieses schöne Aufzeigen von langfristigen Trends! Für so etwas schätze ich Wolfgang Prabel ganz besonders.
Der letzte Satz mit den Worten: „wobei man darauf achten muß, das persönliche Umfeld möglichst weit aus dem staatlichen Stress herauszumanövrieren“: bedeutet er, dass sich der Autor nun aus der Politik und aus der AfD zurückziehen wird? Dies ist keine polemische rhetorische Frage, sondern interessiert mich, weil sich für mich persönlich diese Frage gerade stellt.
Der Autor ist es gewohnt auch unter schwierigen Umständen zu agieren. Das war in den 80ern so wie heute. Gelernt ist gelernt.
Trump hat uebrigens einen Merger angekuendigt, die den Launch seiner neuen Media-Plattform bewirken wuerde:
https://www.cnbc.com/2021/10/21/trump-linked-spac-shares-soar-more-than-40percent-on-news-of-social-media-deal.html
Die Aktie der Schluesselfirma tat dann Folgendes:
https://finance.yahoo.com/quote/DWACU?
Nicht, dass ich eine große Sympathie für den Polenpremier Morawiecki habe, aber dessen Rede vom 20.10.2021 vor dem EU-Parlament hätte ich doch schon gerne einmal nachgelesen. Sie wird in deutschen staatsnahen Print- und TV-Medien leider nicht im deutschen Wortlaut veröffentlicht. Bei Achgut.com aber ist sie drin (unter Rubrik „Woche“ etwa bei 20.10.21 findet man den Text in Deutsch).
Warum wird der Redetext nicht hier veröffentlicht? Schlechtes Gewissen oder Angst vor Wahrheiten? Wenn man die Rede liest, versteht man den Polen, der sich auf das polnische Gerichtsurteil über Nachrangigkeit des EU-Rechts gegenüber polnischen Recht ausführlich auslässt. Aber so ist das eben, wenn die EU-Zentralbürokraten von oben herab in Gutsherrenart auf die Polen eindreschen.
Hier zum Nachlesen die Rede von Morawiecki:
https://www.achgut.com/artikel/im_wortlaut_die_rede_des_polnischen_premiers_mateusz_morawiecki_vor_dem_eu_
In gleicher Gutsherrenart erdreisten sich westliche Botschafter – allen voran der deutsche, der dabei nicht fehlen darf – in der Manier sturmgehärteter Gralshüter aller universellen Menschenrechte – die plumpe Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Türkei.
Sie tun es, wie es immer auch mit dem Kreml tun, nämlich verbunden mit Androhung von Sanktionen. Und so sind auch ihre Versuche der finanziellen Erpressung der Regierungen in Budapest und Warschau zu bewerten. Letztendlich halten sie auf der ganzen Welt damit politische Spannungen am Leben.
Ich finde den Sultan vom Bosporus auch nicht besonders angenehm (es geht jedoch nicht um den Erduan, sondern um die Souveränität der Türken), aber die Reaktion des Sultans mit der Drohung der Botschafterausweisung sehe ich als gerechtfertigt an. Richtig so, Erduan!
Nun ist das Geschrei in Berlin groß. „Mit Bestürzung haben wir es aufgenommen, und uns fehlt jedes Verständnis dafür“, heißt es aus dem Hause Maas.
Warum verstehen sie das nicht? Weil sie mit solcher Art des Umgangs mit souveränen Staaten in ihrem Hinterhof fast immer durchkamen. Meistens war es mit dem Sultan vom Bosporus immer noch glimpflich ausgegangen, denn der ließ bekanntlich immer mit Geld das Maul zustopfen. Vielleicht will der diesmal wieder Geld haben.
Ein kurzer Zusatz zu meinem Beitrag:
Zum ersten Teil meines Beitrags (gelesen bei Epoch Times DE):
Morawiecki fragte später in einem Intervie zu dem diskutierten Problem: „Was passiert, wenn die Europäische Kommission den Dritten Weltkrieg beginnt?“
Ich denke, er habe damit fragen wollen: „Glaubt die EU-Kommission ernsthaft daran, dass EU-Recht dann noch Vorrang vor polnischem Verfassungsrecht haben könne?“ So gesehen, bejaht sich die Vorrangigkeit des nationalen Rechts der Polen von selbst.
Und zum zweiten Teil meines Beitrags (gelesen bei Epoch Times DE):
„Unsere Absicht war nicht, eine Krise zu verursachen“, sagte Erdogan am Abend in einer Fernsehansprache. Es sei nur darum gegangen, „unsere Ehre, unseren Stolz und unsere souveränen Rechte zu schützen“.
Ich wusste es doch, der Sultan ist frech, und doch ist er zu feige, eine Sippe von Erpressern entgegenzutreten.
Eine alte Frage: Wo kommt die Botschaft her? Oder auch die Hoffnung, die Freiheit und der Wohlstand.
Damals, vor 50 Jahren, war es DER WESTEN, also Usa/Westeuropa. Hier herrscht jetzt große Verwirrung, die zunehmend an die „Kulturrevolution“ in China erinnert.
Wo wohnt sonst noch Hoffnung? In China? Wohlstand schaffen ist dort zumindest ein Thema. Bissl mehr Freiheit wäre hilfreich. Vielleicht folgt das ja noch.
Osteuropa? Ist ein Kandidat für Freiheit und Wohlstand, verbunden mit einer Portion Christentum sowie traditionellem Volkstum auf slawischer Grundlage.
Lada Niwa als Kult, schon jetzt nicht ausgeschlossen.
Jüdische Neuansiedlung dort wäre, wie so oft in der Geschichte, hilfreich.
Das ist der Charme des kühnen Längsschnitts. Man sieht einige überraschende Strukturen und dank der Kommentare auch das, was andere sehen. Davon das meistens ebenfalls überraschend. Danke bestens.
Was die weltweiten Wellen betrifft: Da denke ich zuerst an die Welle der „Red Decade“, die den sog. Westen ganz erfasste und unter anderen Umständen auch Deutschland mitgeschleppt hätte. Denn wir erleben heute einfach eine Neuauflage der Red Decade, bis in komische Nuancen hinein.
Zu studieren lohnt sich, wie und warum die erste Red Decade verebbte. Unter anderem deshalb, weil Roosevelt, um seinen Weltkrieg zu gewinnen, die Unterstützung der Großkirchen und der „gemäßigten“ Republikaner brauchte und deshalb die „vier Freiheiten“ verkündete – eine pseudoliberale Show, die ernst genommen wurde und dadurch eine neuliberale Gegenrevolution in Gang setzte.