Streik mit Ansage
Die Gorillas versuchen etwas verrücktes: Einem preissensiblen Publikum in der teuersten großstädtischen Kulisse minderwertiges Happi unter fragwürdigen Sicherheitsaspekten auszuliefern. Nun kam es zu einem Spontanstreik. Interessant mal die Hintergründe auszuleuchten.
Die Strampler – zur Aufwertung ihres fragilen Standes als „Rider“ bezeichnet – verdienen in der Regel 11 Euro die Stunde. Das macht im Monat etwa 1.760 € brutto. Davon kann man in Kleinkleckersdorf bescheiden leben, wenn man keine Miete zahlen muß und in einer geerbten Kate oder bei Mutti wohnt. Aber in Berlin, Frankfurt oder München??? Mein Jüngster hat in einer größeren Hauptstadt grade was einigermaßen Anständiges gemietet, da ist man mit ungefähr 1.000 € kalt dabei.
Auch die Herrschaften, die die bestellte Ware kommissionieren, verdienen in derselben Größenordnung, wie die Rider (der Google-Übersetzer zeigt „Fahrerin“), die Antreiber und Einpeitscher – alle mit englischen Berufsbezeichnungen aus Phantasyfilmen – können sich bei städtischen Mieten und Preisen beerdigen. In der feudalen Hierarchie eines Verteilzentrums kommt man ohnehin nicht über 3.000 Kröten hinaus.
Das eigentliche Unternehmen, welches die Gorillas inzwischen geschluckt hat, ist Delivery Hero. Darüber hatte ich kürzlich berichtet: Mit jeder Lieferung sponsert man dem Kunden etwa die Hälfte des Preises. Ende 2020 hatten sich 4,7 Mrd. € Nasse angesammelt.
Heute war ich mit meinem Schlepper beim TÜV unten im Tal. Da habe ich einen befreundeten Malermeister getroffen, der Mitarbeiter sucht. Malern ist etwas, wo man nach relativ kurzer Zeit mitmischen kann, es ist kein Hexenwerk. Ich habe zu Hause jeden Winter zwei Räume renoviert, ohne eine Lehre. Es gibt genug Jobs, wo man einen vernünftigen Lohn erlangen kann und sich die Berliner Miete versparen.
Mir fehlt das Mitleid mit den Ridern und das Mitleid mit Delivery Hero. Diese Billigjobs im Tante-Emma-Laden auf Rädern bringen es nicht.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Das einzige also, was den arbeitenden Mann fleißig machen kann, ist ein mäßiger Arbeitslohn. Ein zu geringer macht ihn je nach seinem Temperament kleinmütig oder verzweifelt.“ (Bernard de Mandeville)
In GB haben die Reiter von Ryde im Juni 50-70% Gehalt eingebüsst und sind nun unter Mindestlohn. Gibt verschiedene Streiks von unabhängigen Gewerkschaften. Die Wobblies haben es bekanntlich sogar bei Starbucks geschafft, halbwegs vernünftige Löhne durchzusetzen.
Die roten Gewerkschaften des Altlandes will keiner mehr haben, ausser den Leerern (natürlich).
Man muss mal die Nationalitäten der Reiter aufdröseln, es kann gut sein, dass zwei oder drei junge Kerle aus einem Clan diesen offiziellen Job ausüben wegen „Fördern und Fordern“, der Rest aber wie gehabt von Drogen und Prostitution usw. lebt. Da stellt sich übrigens auch die Frage nach der Miete nicht.