Berlin ist wieder völlig überrascht

Die Geschwindigkeit des Zusammenbruchs des Regimes in Afghanistan erinnert an das schnelle Ende der DDR. Nach dem Rückzug der Schutzmacht – in Afghanistan die Amerikaner, in Deutschland die Russen – gab und gibt es kein Halten mehr. Selbst die CDU wurde 1989 überrascht, die Grünen und die SPD sowieso. Das lag an schlechter Aufklärung der Nachrichtendienste und dem schon damals üblichen Ohrenblasen. Und heute liest man in der BILD, daß das Auswärtige Amt das Botschaftspersonal hektisch in der letzten Sekunde evakuiert. Wieder alles überraschend für die Phantasten in der Berliner Blase.

Sicher ist es seit Menschengedenken üblich, den Mächtigen das zuzutragen, was sie hören wollen. Sonst kann man leicht außer Dienst gestellt werden, wie Hans-Georg Maaßen. Die Vor-Ort-Kämpfer der Bundeswehr wußten längst was Phase ist, aber niemend hörte denen zu. In jeder Ebene der Hierarchie wurden die Fakten geschönt nach oben weitergegeben, wie früher die Planzahlen.

Ein Hauptfeld, der seinen Namen vorsichtshalber nicht preisgegeben hat, in der WELT: „Wenn ich in diesen Tagen in den Nachrichten lese, was in Afghanistan passiert: Es überrascht mich nicht. Wir haben gewusst, dass es so kommen wird. Ich habe Dorfbewohner mal gefragt: Was ist besser, die Zeit unter den Taliban, oder die Zeit jetzt mit uns? Die Antwort lautete: die Taliban.“ Auch den Grund des Desasters benennt er klar: „Weil Politiker und auch Vorgesetzte in der Bundeswehr nicht sagen, was in Afghanistan wirklich war. Sondern alles schön malen, um selbst besser dazustehen.“

Oberstabsfeldwebel Eggert: „Das Erstarken der Taliban hat aus meiner Sicht damit zu tun, dass wir auf der einen Seite zwar eine gute militärische und polizeiliche Ausbildung auf den Weg gebracht haben, aber politisch Korruption nicht nachhaltig bekämpft wurde. Meiner Meinung nach war dieser Einsatz militärisch zu keiner Zeit zu gewinnen.“

Es hat keinen Wert, wenn die Führung immer nur Berichte akzeptiert, die deren Vorurteile stützen. Es wird Zeit, daß die Spitzenpolitiker in den Strafvollzug überstellt oder nach Chile ausgeflogen werden und durch Leute ohne Scheuklappen ersetzt werden, die einen engeren Bezug zur Realität herstellen können. Durch Zuhören, durch Offenheit, durch Neugier, durch Forschergeist und Ehrlichkeit.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: Herren lassen sich die Mücken abwehren, aber nicht die Ohrenbläser.