Wie man gesund durch Laus Lebers Verschwörungshölle kommt

Immer mehr Deutsche glauben an Verschwörungserzählungen. Das führt in Familien und Beziehungen oftmals zu schweren Konflikten. Bei PB gibt es für Betroffene konkrete Tipps.

Als der Stubenarrest losging, da fing das mit dem exzessiven Fernsehen an. Und mit dem TV, da kamen die Fragen. Die kleinen Fragen zunächst, die man sich so stellt, die Fragen danach, ob die Dinge wirklich so sind, wie die Dinge uns erscheinen, oder ob hinter den Dingen, die uns erscheinen, nicht noch ganz andere Dinge stecken. Und plötzlich, ein paar Monate später, da war aus den Fragen ein Weltbild geworden. Und in diesem Weltbild, da gibt es menschenverachtende Querdenker und Alternative, die klapprige Rentner mit Kóronaausdünstungen ermorden wollen, da gibt es Klimaleugner, die mit dem Auto zur Arbeit oder in die Ferien fahren und in Kauf nehmen, daß sich Gymnasiasten auf dem heißen Asphalt die Fußsohlen verbrennen. Egomanen, die sich verantwortungslos ein Steak brutzeln und damit den Untergang von ganzen Inselgruppen im Pazifik bewirken.

Die gedankliche Radikalisierung von Thea Artig ging ziemlich schnell. Zunächst hielt ihr Mann das noch für eine Art Spleen, eine Merkwürdigkeit, ein seltsames Hobby, das aus dem Überfluss an Zeit resultierte, das seine Frau nun wegen dem Korona-Stubenarrest hatte. Ausgehen, Fitneßzentrum und Treffen mit Freunden fielen weg, es gab nicht mehr viel zu tun, im zwangsfinanzierten Fernsehen aber jede Menge Beiträge von Eskapisten mit allerlei abstrusen Theorien.

Aus dem Fernsehen und Twittern wurde schließlich eine Obsession und aus dem ehemals so harmonischen Eheleben eine Zerreißprobe. Wurde noch vor fünf Jahren in besseren Facebook-Gruppen und schlechteren Feuilletons darüber diskutiert, wie man denn nun das Weihnachtsfest übersteht, wenn der merkwürdige Onkel nach dem dritten Glas Branntwein mal wieder mehr Flüchtlinge aufnehmen will, hat man heute ganz andere Probleme, über die es innerfamiliär zu diskutieren gilt. Hilfe, meine Frau glaubt Xavier Naidoo, Björn Höcke und Hans-Georg Maaßen wären Nationalsozialisten!

Die Spannbreite der gesamtgesellschaftlich kursierenden Verschwörungserzählungen ist dabei natürlich groß, sie reichen von nachvollziehbaren Theorien hin zu paranoiden Wahnvorstellungen, aber sie alle finden mehr und mehr Zuspruch. Nach verschiedenen Studien glaubten bereits vor dem Kórona-Ausbruch noch rund 10 Prozent der Deutschen daran, daß die SPD Arbeiterinteressen vertritt oder daß der Bundestag über die Verbrennung von Strauchschnitt entscheiden darf.

Auch wenn das Thema im Mainstream nicht behandelt wird, gibt es für Angehörige von Verschwörungsgläubigen, wie Frau Artig, nur wenige richtige Anlaufstellen. Bis jetzt. Hendrik M. Broder gibt sich mit dem Blick in seinen Spiegel Mühe, die Zellerzeitung klärt alle zwei bis drei Tage aktuelle Desaster auf, der hessisch sprechende Afrikaner Hallmack stellt Videos ins Netz. Wer als Angehöriger also darunter leidet, daß sich nahestehende Menschen tiefer und tiefer in dem Kaninchenbau der großen Verschwörungsmythen verirren, der findet hier Hilfe. Und natürlich hat auch PB ständig aufklärerische Einträge am Start.

In einem ersten Schritt wird versucht, betroffene Personen zu stabilisieren. In einem zweiten Schritt wird versucht, wieder eine Ebene zu finden, auf der eine Beziehung stattfinden kann. Viele Menschen sind kurz davor, die Beziehung zu ihrem Partner oder ihrem Elternteil abzubrechen, weil der Leidensdruck tatsächlich sehr hoch ist. Es wird dann nach Wegen gesucht, wie man in Kontakt bleiben kann. Einer dieser Wege ist es, gemeinsame Themen zu finden, die nichts mit dem Fernsehen und Twitter zu tun haben. Vielleicht einfach mal wieder eine gemeinsame Fahrradtour oder Gartenarbeit machen. Ein Fundament dafür schaffen, daß Kommunikation möglich bleibt.

Wichtig ist es jedenfalls, sein Gegenüber ernst zu nehmen. Der Glaube an den Klimawandel, sozialistische Planwirtschaft, Maskennutzen und die Schuld von Israel an allem zieht sich einmal durch den gesellschaftlichen Querschnitt, auch Akademiker sind dafür offen.

Das Verschwörungstheorien gerade heute so viele Anhänger finden, paßt gut in eine entideologisierte Zeit, in das Paradigma der Postmoderne, in der es nicht mehr nur die eine Wahrheit, sondern eine Vielzahl an Wahrheiten gibt, die man sich in einer Art Baukastensystem selber zusammenbasteln kann. Die größte und vielleicht gefährlichste Verschwörungserzählung unserer Zeit ist die Erzählung von der Schädlichkeit von CO2, eine Art Best-of aus sämtlichen vergangenen Theorien von Malthusianismus bis Euthanasie und sich beliebig erweitern lässt. Man kann sich problemlos an linken oder rechten sozialistischen Narrativen bedienen und sie mit allerlei popkulturellen Versatzstücken ausschmücken und anbauen. Im Gegensatz zu einer klassischen Sekte, in der das geheime Wissen von einer oberen Instanz vorgegeben wird, bieten Verschwörungsmythen Mitmachpotenzial. Jeder kann auf dem linksfaschistischen Portal Twitter an ihnen mitschreiben, das macht sie so attraktiv.

Gründe für Verschwörungsgläubigkeit sind die Anerkennung, die man in diesen Kreisen erfährt. Man wähnt sich im Besitz von einem bedeutenden Wissen, glaubt eine weltweit umspannende Verschwörung von Trump, Attila Hildmann, Orbán, dem Wedler, dem Brexit, dem Flügel und Stuttgart 0711 durchschaut zu haben, Teil von etwas Großem, etwas Bedeutendem werden zu können, wenn man diese Verschwörung aufdeckt. Der zweite Punkt ist die Selbstwirksamkeit. Der Kóronastubenarrest hat dazu geführt, dass viele Menschen das Gefühl haben, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren, sich ohnmächtig fühlen. Wenn Sie aber auf FfF-Hüpfparties gehen, Autos anbrennen, sich im Internet austauschen und äußern, aktiv werden, dann ist das eine Form von Selbstermächtigung. Vor allem, wenn Sie dabei auch noch gegen eine Gruppe arbeiten, die Ihnen vom Zwangsfernsehen vorgegeben wird.

Man sollte das Gärtnern als neues Hobby entdecken und die gemeinsame Zeit im Freien verbringen. Den Fernseher sollte man zertrümmern.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst. Merkwürdige Wesen und Fabeltiere – der feuerspeiende Kommentator, die häßliche Verrückte, die Hüpfdohlen, zitternde und stotternde Höflinge samt ihrer Königin – leben in einer Traumwelt nach ihrer eigenen Unsinnslogik.

 

Beitragsbild: Zwei ausgebrochene Verrückte, Darstellung aus der Scheuchzer-Bibel, 18. Jh.