Den Hools verdanken wir den Sieg
Der zweite Oktober 1989 war der entscheidende Tag für die Revolution. Bereits in den Wochen zuvor trafen sich einige Abweichler montags in den Leipziger Kirchen und versuchten danach zu demonstrieren. Sie wurden ruppig daran gehindert. An diesem zweiten Oktober hatte die Partei die Kampfgruppen und Bepo am Ring aufgestellt, um die Demonstration im Keim zu ersticken.
Im Gegensatz zu den Vorwochen erschienen die Leipziger Fußballfans in Massen zum Rundlauf. Wer erinnert sich noch an Lok Leipzig? Die Hools gaben der Demonstration Halt und Struktur. In allwöchentlichen Schlachten mit der Polizei gestählt und geschult schritten sie stolz und furchtlos an den Kampfgruppen vorbei und verhöhnten diese nach Strich und Faden. Die mehr intellektuellen Dissidenten waren von diesem machtvollen Schutz sehr angetan. Kein Stasi traute sich mehr Demonstranten aus dem Zug zu reißen und zu verprügeln.
Ich erinnere mich auch dankbar an die erste Demonstration in Weimar. In die Pastoren und den Bürgermeister, die in der ersten Reihe liefen, hatte ich was Führung in einer Schlacht betraf wenig Vertrauen. Sie machten ihren Job gut, aber es passierte nichts Schlimmes. Gleich zu Anfang führte der Zug an 10 russischen Schützenpanzerwagen entlang, die zwischen Schloß und Landschaftshaus Aufstellung genommen hatten. Nichts für schwache Nerven. Danach standen immer wieder bewaffnete Organe und Zivilstasi an der Strecke, die den rund zwei Kilometer langen Zug jederzeit hätten aufreißen können. Aber überall waren furchterregende Hooligans im Zug. Sie riefen „Schnitzler in den Tagebau“, „Wir sind das Volk“ und „Reisefrei bis Shanghai“. Mein Nebenmann beschimpfte mit Feldwebelstimme zwei Polizisten am Straßenrand, daß denen eine Gänsehaut über den Rücken lief. „Wir würden am liebsten mitlaufen“ murmelten die zwei.
So kippte die Stimmung bei den Systemlingen auch in Leipzig. Die Kampfgruppen waren aus Kleinstädten zusammengetrommelt worden. Zwei Wochen später liefen die bewaffneten Organe zum Volk über und in diesen Kleinstädten gab es wöchentliche Demonstrationen. Die Kampfgruppen waren dabei.
Den Fußballfans verdanken wir den Sieg. Danke Hools!
Dèjá vu.
Da hat sich ja nicht viel geändert in der DDR 2.0.
Das „Neue Deutschland“ dämonisiert diejenigen, die nicht mit dem muselschleimenden Hauptstrom (der vorletzte Staatsratsvorsitzende: „Der Islam gehört zu Deutschland“) schwimmen.
Und natürlich sind die heutigen Hooligans mit den noch böseren Mächten unseres Staates im Bunde.
Ein Hoch auf den Medien-Pluralismus und die Meinungsfreiheit. Ich als Wessi kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, als es das bei uns noch gab.
Der Deutsche Michel