Den Stubenarrest nutzen

Noch immer haben Schulen und Kindergärten nicht wirklich geöffnet. Auf dem Lande haben die Kinder es gut. Sie toben auf der Straße, rodeln und aus einem riesigen Schneehaufen, den der Winterdienst zusammengeschoben hatte, wurde ein Iglu. In der Stadt ist dagegen mehr oder weniger trauriger Stubenarrest.

Aus den „Maßnahmen“ von Dr. Merkel muß man versuchen etwas zu machen. Ich schlage einen Kochkurs vor. Denn da haben viele Leute echte Defizite. Wenn ich in der Kaufhalle mal in die Einkaufswagen reinillere, sehe ich viel teure Fertig- und Halbfertigware. Das deutet darauf hin, daß elementare Kulturtechniken verlorengegangen sind.

Meine Großmutter hatte mich in der Vorschulzeit in der Stunde vor dem Mittagesssen fast täglich mit in der Küche und sie erklärte immer was und wie sie kochte. Damals wurde ein Herd mit Eierbriketts betrieben und zusätzlich gab es schon einen Gasherd. In der Nachkriegszeit ging es natürlich ums Sparen. Fast alles gab es nur auf Marken, Reste vom Vortag mußten in das Essen vom nächsten Tag integriert werden, denn es gab noch keine Kühlschränke. In der Speisekammer stand ein sog. „Gazeschrank“, ein mit Plastikgewebe ummanteltes Holzregal, das lediglich bewirkte, daß die Fliegen nicht an die Lebensmittel kamen. Es gab im Sommer immer wieder Schimmel und sog. „Miezen“, dezente Frühstadien des Schimmels. Dann wurde der Schimmel abgenommen und der Rest wurde „aufgekocht“.

Milch wurde noch sauer, auch kein Grund sie wegzuschütten. Meine vornehme Aufgabe war es, sie morgens aus dem Kellergeschoß des Hellerwegs 32 mit einer Milchkanne aus Aluminium zu holen. Die Milch lagerte in großen Kannen und wurde mit einer Kelle umgeschöpft. Dabei kamen immer mal Haare der beiden älteren Damen, die den Job machten, mit in die Ware. Ja, liebe Leser, in den Fünfzigern trug man noch keinen Sturzhelm beim Dreiradfahren, man starb nicht an verschimmelter Marmelade und viele Sachen hatten ohnehin den zweiten Frischgrad, schon wenn man sie kaufte, zum Beispiel die sog. „Kühlhauseier“.

Die häufigsten Gerichte waren:

Makkaroni mit Tomatensoße (das Prinzip der Mehlschwitze steckt da drin)

Eierkuchen (die zeitgemäß einen hohen Mehl- und Milchanteil hatten) mit Obst

Kartoffelpuffer mit Apfelmus

Eingemunktes (alte Brötchen in süßer Milch eingeweicht)

Grießbrei mit Obst (wie vermeidet man, daß der Brei „Beton“ wird)

Brühe mit Möhren und Grießklößchen

Nudelsuppe mit Möhren

Tellersülze aus Eisbein mit Gurken-, Möhren- und Eierscheiben

Kartoffelsuppe mit Möhren, Sellerie, Bohnen gebr. Speck und Würstchen

Rote-Beete-Suppe mit Schafsbug, Kartoffelwürfeln und Dill

Quarkkeulchen (ich hatte mal das Mehl vergessen und wunderte mich, daß sie nicht fest wurden)

Gebratene Heringe mit Kartoffelbrei (zu vermeiden, daß der Brei Beton wird)

Hackeklößchen mit Kartoffelbrei und Möhren (Klöße müssen locker und knusprig sein)

Ich denke, diese Köstlichkeiten sollte jedes Kind nach dem Stubenarrest selbst kochen können oder mithelfen bei der Zubereitung. Sonst ist der ganze Aufstand gegen den Tod völlig umsonst gewesen.

 

Grüße an den V-Schutz: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen“ (könnte vom Geh. Rath v. Goethe sein)

 

Beitragsbild: Historische Koch- und Backstelle im Ungarland (funktioniert noch, ist einsatzbereit)