Chlorhühnchen und das Freihandelsabkommen

Eine Salmonellenerkrankung gehört in Deutschland zu den meldepflichtigen Krankheiten. Salmonellenerreger sind sehr hartnäckig, selbst in getrocknetem Kot sind sie länger als 2 Jahre nachweisbar. Auch wenn die Krankheit für den normalgesunden Menschen schnell überwunden ist: laut Wikipedia sterben weltweit jedes Jahr doch mehr als ein halbe Million Menschen. Übrigens sind 90% aller lebensmittelbedingten Erkrankungen durch Salmonellen verursacht. Die Krankheit ist also nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Eine Vorbeugung durch Lebensmittelhersteller also mehr als wünschenswert.

Das Chlorhühnchen ist zur Wunderwaffe der TTIP-Gegner geworden. In der Öffentlichkeit begründen sie ihre Abneigung gegen ein transatlantisches Freihandelsabkommen vorrangig medienwirksam mit dem Gesundheitsschutz der europäischen Bevölkerung. Im Fall der Unterzeichnung eines Abkommens würden amerikanische Chlorhühner nach Europa eingeführt und den Verbrauchern zum Verzehr verkauft.

Oh, wie gräßlich! Chlor ist eines der reaktivsten Elemente und reagiert mit fast allen anderen Elementen und vielen Verbindungen. Die hohe Reaktivität bedingt  die Giftigkeit des elementaren Chlors. Immerhin wurde Chlor im Ersten Weltkrieg als Kampfgas eingesetzt. Die Leute sollen also von den verhaßten Amerikanern mit Chlor vergiftet werden, so suggerieren uns die Protektionisten.

Chemie ist aber oft überraschend. Verbindungen von Chlor haben völlig andere Eigenschaften als das  Element Chlor.

Natriumchlorid sollte man auf keinen Fall verbieten!  Es handelt sich um Kochsalz. Ein Mensch enthält etwa 50 bis 100 g Chlorid. Ohne Chlorid im Blutplasma kein Leben! Es regelt den  Wasserhaushalt des Körpers. Auch der Magensaft, hat eine hohe Chloridkonzentration.

Die desinfizierende Wirkung von Chlordioxid wird bei der Wasseraufbereitung ausgenutzt. Neben Trinkwasser wird auch Schwimmbadwasser auf diese Weise von Bakterien befreit.

Die amerikanischen Hühnchen werden wie wir Menschen im Schwimmbecken mit Chlordioxidlösung gebadet, um Salmonellen abzutöten. Nur daß die Hühnchen dann bereits tot sind und wir Schwimmbadbesucher leben. Und zwar erfolgt die Chlorung der Hühnchen schon vor dem Verkauf an den Verbraucher. Der Schweizer Aaron T. Schwarz hat dazu einen pointiert zugespitzten Eintrag geschrieben. Die Salmonellenbekämpfung mit Chlordioxid sei völlig rückstandsfrei und ungefährlich. Schwarz schreibt: „Man könnte sich mit gebratenen Chlorhühnern nur dann umbringen, wenn man sich den Grillspiess in den Bauch rammen würde.“

Daß die Grünen und ihr politisches, kulturelles und redaktionelles Umfeld sich für die Natur engagieren, von Naturwissenschaft aber keine Ahnung haben ist leider zu wenig bekannt. Zahlreiche Grüne, Attac-Aktivisten und Journalisten kämpfen gegen die Chlorhühnchen. Die keimige Symbiose zwischen Salmonellen und Biohühnern ist offensichtlich ihr Leitbild. Nun hat sich aber auch eine orientierungslose Physikerin wieder zu Wort gemeldet. Frau Dr. Merkel verkündete 2014 auf einer Wahlveranstaltung in Worms: “Es wird keinen Import aus Amerika von Chlorhühnchen geben. Das habe ich schon jahrelang verhindert und das werde ich auch weiter verhindern. Das ist gar keine Frage.” Also soll es weiter wäßrige und schmerzhafte Salmonellen-Durchfälle in Deutschland geben…

Die Vorkehrungen gegen Salmonellen in Deutschland beginnen erst in der Küche des Verbrauchers: Das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz schreibt: „Fleisch, vor allem Geflügel, im Kühlschrank zugedeckt auftauen, dabei das Abtropfwasser in einem Gefäß auffangen und wegschütten. Wichtig ist, dass andere Lebensmittel damit nicht in Berührung kommen.“ Vom Kühlschrank zum Spülstein oder zur Toilette muß eine Art Castortransport stattfinden. In der Küche ist allerdings nicht mit einer Sitzblockade von Frau Roth zu rechnen, wie auf dem Weg nach Gorleben. Auch wird sich Herr Hofreiter nicht am Ausguß anketten. Nach dem Ausschütten der Salmonellenbrühe muß man den Spülstein und den Transportbehälter noch einer Hitzebehandlung unterziehen und die Hände desinfizieren. Und dann können immer noch Salmonellen am Geflügel kleben, solange, bis es auf 70 Grad erhitzt wird. Ein amerikanisches Chlorhühnchen kann man dagegen ohne Umstände auftauen und es entstehen überhaupt keine Hygieneprobleme in der Küche.

Vielen Menschen ist die Salmonellengefahr bei der Zubereitung von Hühnern schlicht nicht bekannt. Sie gehen sehr unbefangen und unbedarft mit den verseuchten Lebensmitteln um und verschleppen Salmonellen an Salate und andere Kaltgerichte. Gerade an warmen Tagen vermehren sich Salmonellen explosionsartig.

Muß nun das TTIP-Freihandelsabkommen befürwortet werden, um hygienische Zustände auch in Deutschlands Küchen zu erreichen? Nein! Geflügel könnte man ja auch ohne Freihandelsabkommen chloren! Allerdings müßte Deutschland erst aus der EU austreten. Die  europäischen Agrarminister hatten das Chlorhuhnverbot im Dezember 2008 erneuert, um sich die ausländische Konkurrenz vom Halse zu halten. Der Deutsche Bauernverband, der Zentralverband der Geflügelwirtschaft und der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatten bei Frau Merkel interveniert. Mit Erfolg. Die vormalige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner stellte die Tatsachen vollends auf den Kopf, als sie vor der entscheidenden Sitzung der Agrarminister verkündete: „Wir werden gegen die Einfuhr von kontaminiertem Geflügel stimmen“. Frau Merkel und Frau Aigner haben vor der Geflügelwirtschaft und den Globalisierungskritikern bedingungslos kapituliert. „Dumme Gänse“ könnte man sich denken, doch das wäre diesen Vögeln gegenüber ungerecht. Gänse sind mutig und wehrhaft.

Es gibt mit den Vereinigten Staaten sicher ernstere Fragen zu verhandeln als Chlorhühnchen, zum Beispiel die Frage der Schiedsgerichte im Handel. Sie sind beim Außenhandel zwischen Ländern mit entwickelter Rechtskultur nicht sinnvoll. Aber notwendige Diskussionen werden durch idiotische Hetze von Freihandelsgegnern und Lobbyisten gegen Chlorhühnchen überlagert und in den Hintergrund gedrängt. Der öffentliche Diskurs über das Freihandelsabkommen wird auf Druck der Öko-Partei, der Lobbyisten und durch die Berichterstattung in den Medien mit völlig unwissenschaftlichen Argumenten als Angstkampagne geführt. Und Frau Dr. Merkel fällt wieder einmal Entscheidungen, die sich mit Vernunftsgründen nicht untersetzen lassen. Armes Deutschland…