Schlangestehen vor der Kaufhalle – nein danke!
Es gab unendlich viele Anekdoten über Schlangen. Eine der schönsten betraf die stets superlange Schlange vor dem Leninmausoleum in Moskau: „Als ich endlich dran war, war der Verkäufer tot“. Oder der Witz, wo gegenüber aus der Schlange in der Kaffeeabteilung im GUM – weil die Ware nicht reichte – zuerst die Juden nach Hause geschickt wurden, am zweiten Tag die übrigen Kunden und am dritten – weil inzwischen alles verschoben war – die Genossen. Letztere beschwerten sich: „Immer werden die Juden bevorzugt!“
Schräg gegenüber unserer Wohnung in Ilmatheen befand sich der Eingang zum KONSUM, einem Laden mit vielleicht hundert Quadratmetern Fläche, der Grundnahrungsmittel und -chemikalien verkaufte: Zum Beispiel Kaffeersatz, Mehl, Essig, Öl, Brühwürfel, Zucker, IMI und ATA. Für Milch gab es einen extra Laden auf der anderen Straßenseite. Gemüse und Obst wurde in einer Holzhütte bei Frau Jellonek angeboten, Brot in den Bäckereien Huschenbeth und Preußel, Schulhefte beim Krämer Brüheim und Fleich bei der HO hundert Meter weiter. Ein Kompletteinkauf konnte wegen Kundenandrang mehrere Tage in Anspruch nehmen. Im Konsum tummelten sich drei Verkäuferinnen: Die Leiterin Frau Müller, ihre Mutter, die wegen ihrer Glatze einen Turban trug und die behäbige Frau Görmar, die die Butter von einem Block abhackte, wog und verpackte. Unsere Oma lag am Fenster den ganzen Tag auf der Lauer, ob ein Lieferwagen aufkreuzte. War das der Fall, wurde die Familie in Alarmbereitschaft versetzt. Ein Kundschafter versuchte erst mal rauszubekommen, was abgeladen worden war. War es etwas Interessantes wie Butter, Eier, Käse etc. wurde jemand in die Schlange geschickt, die sich dann bildete. An einem Sonnabend traf es mich mal wieder. Nach vier Stunden informierten meine Eltern die Polizei über mein Verschwinden. Sie hatten vergessen, daß sie mich zum Einkaufen geschickt hatten. Das war am Ende der 50er Jahre.
Das skurrilste Erlebnis in einer Schlange passierte mir und dem Kaufhaus Heka am Weimarer Theaterplatz in den 70ern. Da standen an einem Freitagnachmittag etwa drei oder vier Schlangen nebeneinander um mehrere Ecken durch mehrere Räume. Als ich nach einer Stunde an der Kasse war eröffnete mir die Kassiern, daß es die Schnellkasse sei, und daß ich mich in eine andere Schlange stellen soll. Ich erlärte der hinterhältigen Weibsperson, daß es unter diesen Bedingungen nicht zu einem Kauf käme und ließ zur Strafe den Korb fallen. Da waren unter anderem ein laveder Milchbeutel aus dünner Plastik und eine gläserne Essigflasche drin, es entstand eine Schweinerei, was sie dann auftitschen mußte. Ich war so verärgert, daß ich die Tür nicht gleich fand und durchs Schaufenster raus wollte. Rums, schlug ich gegen die Scheibe. Das hatte eine schräge Komik, hunderte Leute mußten lachen, ich auch.
Zeitsprung in die Endachtziger. Unser Haus hatte mehrere Schwachstellen in der nur halbsteinstarken Rückwand, die ausgebessert werden mußten. Ich hatte das immer vor mir hergeschoben, weil ich Einwände meiner Freundin befürchtete. Oder solche arbeitsintensiven Vorschläge, wie das Schlafzimmer vorher auszuräumen. Eines Tages ging sie wieder mal in den KONSUM. Ich hatte schon ein bißchen vorbereitet, wartete daß sie weg war, nagelte ein Gerüst zusammen, nahm die Steine aus dem Fachwerk so geschickt heraus, daß der Lehmputz auf der Innenseite der Wand stehen blieb und hatte bereits angefangen neue Steine ins Fachwerk zu mauern, als sie wiederkam. Das Anstehen hatte etwa zwei Stunden gedauert, was ich optimal genutzt hatte. Weil mit dem Schlafzimmer alles staubfrei gut gegangen war, schickte sie sich nach kurzen Protesten in die entstandene Lage.
Die längste dreireihige Schlange wand sich um die U-Haftanstalt, das Kreisgericht und endete im Volkspolizeikreisamt VPKA. Das war am 10. November 1989 als die Pässe für die Ausreise gestempelt wurden. Die Polizisten stempelten im Akkord, die Ausweise wurden in Wäschekörben in die Amtsstuben reingegeben und auch wieder rausgebracht, trotzdem entstand eine 300 Meter lange Schlange, in der den Tag über geschätzt 5- bis 10.000 Leute gestanden hatten.
Damals habe ich mir geschworen nie wieder mehr als 10 Minuten anzustehen, und das habe ich auch eisern eingehalten.
Nun kommt die zurückgebliebene alte Hexe aus der zugekoteten und zugekoksten Reichshauptgosse und will daß wir wieder anstehen. Das kann die xxx Elitistenhure vergessen. Die Weihnachtseinkäufe haben wir schon am 30. November hinter uns gebracht, der Keller und drei Kühltruhen sind wohlgefüllt. Wenn Dr. Merkel Blackout macht, springt der Notstrom an und der Holzherd im Keller geht in Betrieb. Das xxx Miststück kann uns mit ihren abwegigen Ideen mal xxx.
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Update am 5.12.2020: Wenn man gleich um 6:30 beim Bäcker ist und um 7 Uhr in der Kaufhalle, kann man sich das Schlangestehen sparen. Habe ich selbst gestestet. Duschen, Rasieren, Zähneputzen kann man alles nach dem Einkauf erledigen, mit dem Geßlerlappen sieht sowieso niemand, ob man schon feingemacht ist.
Grüße an den V-Schutz: Kürzlich stellte jemand eine Korrelation zwischen der steigenden Staatsverschuldung und dem immer höheren Anteil von Frauen in der Regierung fest. Nun haben zwei immer größer werdende Zahlenreihen nicht notwendig einen inneren Zusammenhang. Bei dem xxx Merkelpersonal aber doch!
Kann man etwa den Grad des Sozialismus an der Länge der Schlangen erkennen? Finde ich ziemlich naiv, aber das taugt als Indikator.
Hat der Holzherd auch Filter und Katalysator? Liegen entsprechend gestempelte, amtliche Bescheinigungen vor? Und auch noch Notstrom!
Der Feind sieht dein Licht, hiess es doch mal.
Die junge Dame vom Ordnungsamt raucht selbst stark. die hat zwar Filter, aber keinen Kat.
Sag ich doch. Du darfst nicht in die Scheune gehen, wenn sie brennt. Du musst vorher gehen, oder zumindest drin gewesen sein.
Köstlich! Und für „Wessis“ immer wieder aufschlussreich, da sie von diesen alltäglichen Ritualen kaum etwas mitbekamen und sich das auch heute noch schwer vorstellen können. Vielleicht erleben sie es aber in der „DDR 2.0“ noch hautnah?
Ich stand mal vor vielen Jahren Samstag früh in der üblichen DDR-Schlange geduldig wartend wie alle anderen auch.
Da kam ein Typ um die Ecke, musterte die Schlange, schritt sie ab und ging dann direkt in den Laden mit den Worten: „Ich geh schon mal rein, da geht’s schneller.“
Hat geklappt – alle waren sowas von perplex. 🙂 🙂 🙂