Goliath gegen die die sieben Zwerge
In der Bibel besiegt David den Riesen Goliath mit einer Steinschleuder. Es ist eine Waffe, die in der Levante immer noch sehr beliebt ist. Aber sie vollbringt in einer technisierten Welt keine Wunder mehr. In der Moderne ist das Zusammenspiel der hochgerüsteten Waffengattungen unabdingbar um Respekt zu erheischen. Teure Lenkwaffen bestimmen schon den ersten Angriff. Und die Atomkeule steht immer irgendwo in der Ecke. Armeen, die weniger als 20.000 $ pro Jahr und Soldat ausgeben sind außer für Bürgerkriege und die Abnahme von Paraden nicht zu gebrauchen.
Der Eurasische Goliath ist Rußland mit einem Wehretat um die 85 Mrd. $ jährlich. Pro Soldat sind das immerhin 70.000 $. Das bedeutet, daß die Armee wieder einsatzfähig ist.
Die angrenzenden Staaten sind fast alle stark unterlegen. Polen gibt 10,2 Mrd. $ für Rüstung aus und hat pro Soldat etwa dieselben Kosten wie Rußland. Damit ist diese Armee gut ausgerüstet, aber sieben Mal kleiner.
Die Ukraine hat ein Wehrbudget von nur 1,7 Mrd. $ und gibt pro Soldat 5.000 $ jährlich aus. Die ukrainische Armee würde im Falle einer Auseinandersetzung in Minuten weggeblasen werden. Verschärfend zur unzulänglichen Ausrüstung kommt hinzu, daß Ostukrainer und Westukrainer sich nicht ausstehen können. Das ist wie Preußen und Sachsen in der Nationalen Volksarmee. „Sachsen raustreten zum Probehängen“ hieß es damals.
Die Türkei gibt zwar 18,2 Mrd. $ für die Streitkräfte aus, pro Soldat sind das aber nur 25.000 $. Viele Leute, aber schlecht ausgerüstet. Für Kämpfe mit den Kurden reicht das, einem internationalen Konflikt sollte die Türkei lieber aus dem Wege gehen.
Tschechien und Rumänien sind keine ernsthaften machtpolitischen Adressen. Beide Länder geben je etwa 3 Mrd. $ für Verteidigung aus, für die rumänische Armee sind das 50.000 $ pro Soldat und für die tschechische immerhin 132.000 $. Früher ging in NVA-Kreisen der Witz um, Hauptwaffe der tschechischen Armee seien Messer und Gabel. Der ist offensichtlich überholt.
Alle diese Länder zusammen sind Rußland konventionell unterlegen. Und sie haben keine Atomwaffen. Ohne die NATO gibt es im Osten überhaupt kein militärisches Gleichgewicht. Die NATO hat konventionell aber ein logistisches Problem mit der weiten Anreise. Statt einer militärischen Konfrontation und Sanktionen ist die Teilung der Ukraine deshalb eine gute Lösung für alle Seiten.
Die Supermacht Rußland hat mehr Probleme als nur die Ukraine. Ein altes Trauma ist der Ferne Osten. Die Amur-Region war einmal chinesisch und am Nebenfluß Ussuri gab es 1969 einen 4monatigen Grenzkrieg zwischen den elitaristischen Bruderstaaten Rußland und China. Im Moment herrscht Eintracht zwischen beiden Ländern. Die Grenzstreitigkeiten wurden vorerst beigelegt, könnten zu gegebener Zeit jedoch wieder aufflammen. China hat einen Wehretat von 144 Mrd. $, pro Soldat 63.000 $. Ganz unbeschützt kann Rußland den Fernen Osten nicht lassen.
Und dann verzettelt sich Rußland in Transnistrien, Abchasien, Tschetschenien, Inguschien, Ossetien und Dagestan. Weiterhin müssen die ehemaligen asiatischen Sowjetrepubliken in der Räson gehalten werden: Turkmenistan, Tadshikistan, Usbekistan und Kasachstan. Auch dort sind überall in der Kolonialzeit eingewanderte Russen zu beschützen und russische Interessen zu wahren. Dann gibt es noch den sperrigen Weißrussenzaren Lukaschenko, der ständig Geld und Gas von Moskau braucht. Wie alle Großherrscher hat Putin nachts Albträume. Überall droht Kontrollverlust.
Danke für die sehr gute Aufstellung. Die Zahlen sind plausibel, sollten jedoch noch um Zahlen für die USA und die westeuropäischen Länder ergänzt werden. Dann würde das fundamentale Kräfteverhältnis zum Ausdruck kommen, welches Russland keineswegs als Goliath erscheinen lässt. Das mit den langen Wegen in die Ukraine ist nicht sehr überzeugend. hat die NATO etwa in Afghanistan doch durchaus bewiesen, dass sie auch bei sehr langen, umständlichen Nachschubwegen einsatzfähig sein kann. Die Luftherrschaft über der Ukraine sollte der NATO z.B. sicher sein.