Vor 100 Jahren: Schon einmal Messertime

Seit 2015 ist Merkeldeutschland eine Abstich- und Messerrepublik. Die blutige Gegenwart wird oft einer sonnigen und sicheren Vergangenheit gegenübergestellt, wobei der Blick in den Rückspiegel oft verklärend ist.

Ein deftiges Lied, das sog. „Hiawatha“ hat gerade 100jähriges Jubiläum.

Die Weimarer Republik wurde kulturell durch die gewaltsüchtige Jugendbewegung dominiert. Das zeigte sich auch an der Folklore: Licht aus, Messer raus, ist nur ein Beispiel. Die SA sang zum Beispiel von etwa 1928 bis 1933: „Und wenn das Blut vom Messer spritzt, dann gehts nochmal so gut“.

Reichsinnenminister Severing beklagte 1929 ausufernde Gewalt, wie man sie erst seit etwa 2015 wieder kennt: „Am 25. 8. wurden in Essen vier von einer Veranstaltung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold kommende Mitglieder dieses Verbandes auf ihrem Heimwege von Nationalsozialisten überfallen. Die Nationalsozialisten rissen ihnen die Abzeichen des Reichsbanners ab und zerfetzten zum Teil ihre Kleidung. Die mitgeführten Musikinstrumente wurden zertrümmert; ein Reichsbannermitglied erhielt mit einem Schlagring einen Hieb über den Kopf. Am 1.9.1929 überfielen in Köln einige Kommunisten zwei der Hitlerjugend angehörende junge Leute und verletzten einen durch Messerstiche in die Hand. Am gleichen Tage veranstaltete der Stahlhelm in Hamburg einen Umzug nach dem Sportplatz in Lokstedt. An der Hamburger Grenze hatten sich etwa 500 Kommunisten angesammelt, die über die Stahlhelmmitglieder mit Stöcken, Totschlägern und Gummischläuchen herfielen. Den ganzen Tag wurden auch in der übrigen Stadt von Kommunisten Gewalttätigkeiten gegen Andersdenkende begangen, die teilweise schwerverletzt wurden. Zwei Stahlhelmmitglieder wurden in einer Straßenbahn von drei Kommunisten mißhandelt. Auf dem Loignyplatz wurden aus einem Kraftwagen von Jungkommunisten Seltersflaschen gegen die Teilnehmer eines marschierenden Stahlhelmzuges geworfen. Am 6. 9. wurde in Köln ein Angehöriger der Lützow-Jugend von Kommunisten schwer mißhandelt. Am gleichen Tag kam es in Oranienburg zu einer Schlägerei zwischen 25 Nationalsozialisten, die in ein von der KPD benutztes Versammlungslokal einzutreten begehrten, und Anhängern der KPD. Dabei fanden Messer, Spaten und andere gefährliche Werkzeuge Verwendung, so dass verschiedene Personen verletzt wurden.“

Auch das Lied von Mackie Messer (1928) tropft von Blut:

Und der Haifisch, der hat Zähne
Und die trägt er im Gesicht
Und Macheath, der hat ein Messer
Doch das Messer sieht man nicht.

Und es sind des Haifischs Flossen
Rot, wenn dieser Blut vergießt
Mackie Messer trägt ’nen Handschuh
Drauf man keine Untat liest.

An der Themse grünem Wasser
Fallen plötzlich Leute um
Es ist weder Pest noch Cholera
Doch es heißt: Mackie geht um.

An’nem schönen blauen Sonntag
Liegt ein toter Mann am Strand
Und ein Mensch geht um die Ecke
Den man Mackie Messer nennt.

Und Schmul Meier bleibt verschwunden
Und so mancher reiche Mann
Und sein Geld hat Mackie Messer
Dem man nichts beweisen kann.

Meine Großmutter und mein Vater erinnerten sich an die Weimarer Zeit mit sehr gemischten Gefühlen. Die Oma konnte manchmal tagelang die Wohnung in Berlin-Wedding nicht verlassen, weil auf der Straße regelrecht Bürgerkrieg war. Der Vater berichtete aus einer Kleinstadt von regelmäßigen politisch motivierten Schlägereien vor den Glas-Biergeschäften am Zahltag.

Einmal hängte der geschiedene Mann meiner Oma (es muß zwischen 1930 und 1932 gewesen sein) auf dem Balkon eine Hakenkreuzfahne auf, um ihr Ärger zu bereiten. Es gab vor dem Haus einen kommunistischen Auflauf und die von der Lügenpresse aufgeputschte Menge versuchte das Haus zu stürmen. Die Oma nahm schnell die Fahne weg und die Lage beruhigte sich wieder.

Die Kaiserzeit und die Bonner Republik waren was Rechtssicherheit und Rechtsschutz betrifft, recht effizient. Wenn man die Zeit seit 1870 Revue passieren läßt, so waren im Westen etwa 110 von 150 Jahren recht bürgerfreundlich, im Osten nur 70 von 150 Jahren. Im Osten ist es deshalb geläufiger, daß eine gesicherte Rechtsordnung keine Selbstverständlichkeit ist.

 

Grüße an den V-Schutz. Rundum der Kampf aufs Messer: Lern du zu dieser Frist, daß Wunden heilen besser als Wunden schlagen ist! (F. Freiligrath)