Statt Hygienekonzepte lieber Dorfschule
Nun soll nach den Ferien bald die Schule losgehen, und keiner weiß recht wie. Maulkorb, Hygieneabstand, Quarantäne, Tutorials am Heimcomputer? Viele der Probleme sind in den letzten 60 Jahren künstlich geschaffen worden, die es vorher nicht gab. In der Nachkriegszeit trafen sich auf dem Orte im Klassenraum von jedem Jahrgang fünf bis zehn Schüler und wurden vor Ort von einem sogenannten Kanter unterrichtet. Das war ein Multitalent, der vier Klassenstufen gleichzeitig im Griff hatte. Wenn bei uns in Weimar mal Lehrermangel war, sprang der Kanter Seifert aus Tiefurt ein. Er marschierte mit seinem Zeigestock wie ein Feldwebel durch den Raum und drillte uns mit Kettenaufgaben und Einmaleins. Wir liebten es. Die Ergebnisse in Rechnen, Lesen und Schreiben waren damals deutlich besser als in den heutigen hochgerüsteten Zentralschulen. Der Kampf gegen Analphabetismus und Rechenschwäche wird in den technisierten Klassenräumen mit Beamern, sonnen- und windgesteuerten Rolläden, Computern und digitalen Tafeln verloren.
1965 begann das Elend. Die Tiefurter Schüler – sieben an der Zahl – wurden in der fünften Klasse in meinen städtischen Klassenverband eingegliedert, so daß wir eine Mannschaftsstärke von 49 Schülern ereichten. Das war entgegen der modischen Propaganda für immer kleinere Klassen nicht das Problem. Ungünstig wirkte sich von Anfang an die Seuchenhygiene aus. Statt Kórona nervten damals MKS und Rotlauf. Die Vermischung von Schülern aus verschiedenen Orten machte Maßnahmen erforderlich: Eine Seuchenmatte vor der Schule, Desinfektionsschüsseln im Klo und verschärfte Fingernagelkontrollen. Es ist wirklich nicht alles neu, was heute in den Bildungsministerien so erdacht wird.
Es gab ja nicht nur in den umliegenden Dörfern Nutztiere, sondern auch in Weimar. Die Kulturstadt hatte immer wieder seuchenbedingte Rückstände in der Sauenbedeckung, wie man der örtlichen Lügenpresse entnehmen konnte. Auch im Hähnchenkombinat in der Rießner Straße (heute Paulstraße) wurde permanent mit Keimen jeglicher Boshaftigkeit gekämpft. Der Betrieb war systemrelevant, weil hier die Grundlage für die extrem leckeren, damals republiksberühmten Geflügelbratwürste gelegt wurde, die fast drei Jahrzehnte auf dem Goetheplatz gebraten wurden und zusammen mit den Schuhgeschäften in der Schillerstraße eine Achse des Kulturtourismus waren, um die sich mehr drehte, als ums Deutsche Nationaltheater. Ich hatte damals einen Arbeitskollegen mit Spitznamen Bubi, den die Frau am Zahltag immer persönlich abholte, damit er nicht den halben Monatslohn mit einem Mal auf dem Goetheplatz verfraß. Er verdiente nur 370 Mark und hatte fünf Kinder. Eine Geflügelbratwurst im Brötchen kostete immerhin 85 Pfennige.
Ich bin ein bißchen vom Thema abgekommen. Eine einfache Lösung für den hygienisch unbedenklichen Schulbetrieb ist die Wiedererfindung der Dorfschule. In kleineren ländlichen Kollektiven ist die Ansteckungsefahr fast gleich Null, weil neben der Vermischung verschiedener Orte auch die Busverladung entfällt. Sollte doch einmal ein Krankheitsausbruch erfolgen, ist nur eine sehr kleine Einheit betroffen und weniger Eltern werden wegen staatlich verhängten Schulschließungen, Testungen usw. in Angst und Schrecken versetzt, weil sie bei der Arbeit schon wieder fehlen.
Gerade ist in Weimar in einer Plattenbaugroßsiedlung eine neunköpfige Familie unter Quarantäne gestellt worden, weil sie bei Verwandten in Mordrhein-Vandalien war. Normalerweise wäre die Grundschule im Krisenmodus, aber es sind zum Glück noch Ferien. Der Kindergarten steht derweilen Kopf. Ich denke den sogenanten Normalbetrieb kriegen CDU und SPD nicht hin, auch weil der Lauterbach ständig ins Zwangsfernsehen kommt und das Treiben verrückt macht.
Vielleicht begünstigt nicht nur die Globalisierung die ganze Panik um das Virus, sondern auch die Zentralisierung. Die Staatsmedien machen seit Wochen Werbung für die sog. „zweite Welle“, aber Lösungen haben sie nicht azubieten. Auf PB werden die Bildungexperten dagegen geholfen. Es gibt nie perfekte Vorschläge, aber gegenüber gar keiner Schule ist die pädagogisch bewährte Dorfschule hygienisch im Vorteil.
Grüße an den V-Schutz, unter „Reaktionäres“ abheften!
Ja die Geflügelbratwürste. Ich denke heute immer noch mit Wehmut an sie. In Jena gabs die auch, nahe beim Westbahnhof. Dort habe ich mir ne ganze Tüte fürs Abendbrot davon voll machen lassen.
Heute mußte das fressen was ein Westbetrieb zusammenpanscht und dir als Bratwurst aufdrückt. Ich habe mal geprüft und 20-25% Wasser in denen gemessen. Beim Herstellen der Fleischmasse müsse man mit Eis kühlen, daher der große Wasseranteil in den Würsten , so die Antwort eines großen Wurstfabrikanten. Auch die Bestückung mit anderen als den ortsüblichen Gewürzen wurde mit der Begründung gegeben,, das man sie sonst im Westen nicht verkaufen kann. Auch da mußte fressen was der Wessi für dich parad hält. Und neben der Geflügelbratwurst vermisse ich auch noch so manches andere leckere Wurstprodukt von damals. Aber man muß sich wohl an die zwangsweise Ernährung durch industrielle Masseprodukte aus dem Westen gewöhnen.
Jetzt kaufe ich alles lieber beim 20 km entfernte nächsten Dorffleischer.
Ja, der hartgummiartige Speck mit Pulver-Rührei (und womöglich Mix-Kaffee, jedenfalls sehr seltsam) wurde an den Raststätten der Transitautobahnen an die Westler verkauft. Die rächen sich jetzt, ist doch klar.
Da bist Du falsch informiert. In einer Autobahngaststätte auf der A9, Richtung Süden, gleich hinter dem Hermsdorfer Kreuz, gab es für die Westler jahrelang Nutriabraten statt Kaninchen. Heute gibt es dort Bratwurst über den Zaun .
Aber nicht von den gleichen Betreibern.!
Übrigens wird die Autobahngaststätte von den Einheimischen „Rattenschenke“ genannt.
@Siegfried: ich fürchte wir sprechen von der gleichen Lokation. Da bin ich im Winter 1983/4 ein einziges Mal während meiner Transitzeit eingekehrt, für das erwähnte Rührei. Ich glaube, es gab auch Bratkartoffeln dazu, aus was immer die waren.
Was immer in der Dorfschule gelernt wurde, Kochen war es nicht.
Aber die Ökonomie war in der DDR hervorragend organisiert.
Das Fell des Nutia wurde an die Reichen im Westen verhökert, und das Fleisch des armen Viehs wurde zu Kaninchenbraten veredelt und an die Transitreisende verabreicht. Ob die „Bratkartoffeln“ aus Futter- oder Zuckerrüben zubereitet wurden entzieht sich meinem Wissen. Ich war nie in irgendeiner Kneipe. Ekele mich bis heute dort einzukehren..
Geflügelbratwurst auf dem Goetheplatz –
gefühlt 1 Meter lang und 1cm Durchmesser, Brötchen von vorgestern.
Und die Geflügelmasse direkt gewonnen durch eine Ansaugvorrichtung auf dem Dach vom Kiosk für die zahllosen Tauben. 🙂 🙂 🙂
Aufgrund des czernobylmässig ausser Kontrolle gelaufenen Verwaltungsapparates sind Dorfschulen samt Kantoren zu teuer. Wo sollen auch die Kinder herkommen? Hmm, allerdings gibt es Dörfer, da könnte man den Kantor durch einen Imam erstzen, dann ginge es vielleicht.
Das Photo von den Schulbänken – wunderbar. Man sieht noch die Aussparunge für die offenen Tintenfässer. Aus einem der Fäßchen hat ein armer Teufel öfters zu unserer kindergrausamen Gaudi getrunken. Er mußte auf den Schulweg oft einen Hartriegelstecken schneiden, mit dem er vom Pädagogen regelmäßig verprügelt wurde. Dieser wchon betagte Lehrer rief auch oft Dorfmädchen der 4. und 5. Klasse zu sich an das Pult und sie mußten sich immer stehend eng an ihn drücken, „Kätha, kumm mol bei misch!“.
Wenn er hustete, hat er dann den Schleim aus dem Fenster auf die dörfliche Schulstraße gerotzt, wo die bescheidenen Autos und Mopeds der nahen Manufakturarbeiter geparkt waren. Von diesem u.a. Galvanisierbetrieb schwammen die Fische im nahen Flüßchen regelmäßig kieloben. So war es bei uns im Westen.
Den Dorfschulunterricht der 50er habe ich in schlechter Erinnerung: Chaos durch Parallelunterricht mehrerer Klassen, stinkende Toiletten, qualmende Kohleöfen. Die neue POS für mehrere Kuhnester war eine Erlösung. Warum Dr. Prabel dahin zurückwill, verstehe ich nicht. Wenn schon, dann konsequent ein Ende des staatlichen Bildungsmonopols zugunsten freier konkurrierender Privatschulen.
Also – wir haben hier in unserem 2000-Seelen-Kaff (Stadtrecht 🙂 ) Kita, Grundschule, Regelschule, Edeka, Fleischer, Bäcker, Friseur, Physiotherapie, mehrere Hausärzte, 2 Zahnärzte, Post, Tankstelle, Kneipe mit Pension, viele hilfreiche Handwerker, Kirchenverein, Karnevalsverein, Ortstheatergruppe, Blumenladen, 2 Gärtnereien etc. pp.
Die Leute sind zufrieden – Corona kennt man aus dem Fernsehen.
Nur der Bus fährt selten, so wie überall auf dem Lande.
Magdala?
Die stinkenden Toiletten und die Kohleöfen waren in der Stadt auch. Der Unterricht fiel immer mal aus, wenn die Kohlen alle waren.