Das Ende einer planerischen Mutprobe
Komplexe Probleme zerlegt man in kleine überschaubare Teilschritte und löst sie einzeln. Mit dieser Taktik soll der Hauptstadtflughafen BER gerettet werden.
Was war passiert? Der Meisterarchitekt hatte ein Ensemble von vertrackt großen Innenräumen als zusammenhängenden Raum konzipiert. Wo im Flughafen Frankfurt a. M. mehrere Abschnitte aneinandergrenzen und voneinander getrennt sind, sollte es in Berlin etwas Besonderes sein, ein überdimensionaler Brandabschnitt mit einer einzigen Entrauchungsanlage.
Große Innenräume haben große Probleme. Das betrifft nicht nur den Brandschutz, sondern die Innenluft überhaupt. Wo sich Türen sonst problemlos öffnen lassen, beginnen Türen von großen Hallen ein Eigenleben zu entfalten. Sie müssen wegen den wechselnden Druckverhältnissen zwischen Innen und Außen maschinell angetrieben werden, so wie der Lenkverstärker im Auto.
Diese unübersichtlichen Druck- und Strömungsverhältnisse in großen Räumen sind den bisherigen Planern der Entrauchungsanlage zum Verhängnis geworden. Bei kleinen Räumen ist es kein Problem im unteren Raumbereich mit einer Höhe von 3 bis 4 m, wo sich Menschen flüchtend bewegen, eine rauchfreie Schicht zu erzeugen. Das kann auch mit einfachen Entrauchungsöffnungen erreicht werden, die im Brandfall über Rauchmelder betätigt werden. In größeren Räumen ist es Standard maschinell über Lüftungsanlagen oder spezielle Entrauchungsanlagen zu entrauchen. In Raumensembles mit anspruchsvollen Geometrien versagt die zentrale Entrauchung offenbar. Das ist eine Lehre von BER.
Die Planung der Entrauchung wurde nach Angaben des Architekten auch empfindlich durch nachträgliche Vergrößerungs- und Änderungswünsche des Bauherrn gestört. Daß der Bauherr während Planung und Bau alles mehrmals durcheinanderbringt, ist normal. Ein erfahrener Architekt weiß damit umzugehen, indem er möglichst hausbacken plant und wenige Experimente macht.
Die Auswahl des Brandschutzplaners erfolgt meistens in Abstimmung mit dem Architekten. Derjenige Planer wird in der Regel ausgewählt, der den Wünschen des Architekten nicht widerspricht und die gestalterischen Kreise nicht stört. Ich habe es oft erlebt, daß vor der Auftragsvergabe heilige Schwüre der Planer abgelegt werden, die sich nachher im Klein-Klein der Planung als Luftnummern entlarvten. In diesem Fall war es wirklich etwas mit der Luft, und zwar mit der Entrauchungsluft.
Nun soll ein neuer Brandschutzplaner aus dem Freistaat Sachsen die Kuh vom Eis holen. Sein Vorgehen erscheint logisch und durchdacht. Er macht aus der einen Entrauchungsanlage sieben, das Problem wird in kleine lösbare Teilschritte zerlegt. Mehrere Entrauchungsabschnitte hätte man gleich planen sollen.
BER ist ein Mahnmal wie man bei einem großen Bauvorhaben durch ästhetischen Mut, technischen Gigantismus und Risikofreude eine teure Bauzeitverlängerung von vier Jahren verursachen kann. Es ist nicht alles technisch machbar, jedenfalls nicht zu überschaubaren Kosten. Und man kann daraus lernen: Wenn etwas in dieser Größenordnung schiefgeht, haben alle Beteiligten versagt: Der Bauherr, der Architekt, der Brandschutzplaner, der Projektsteuerer… Die Gerichte werden sich im Nachgang jahrelang mit dem Fall Beschäftigen. Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem teuren Vergleich enden.
Danke, ein Prabel-Artikel reicht, und ich verstehe endlich, was im Berliner Großflughafen los ist.
Bleibt die Frage, was haben die Jornalisten gemacht, deren Flughafen-Artikel ich die vergangenen Jahre gelesen habe? Sich an Äußerlichkeiten abgearbeitet? An der Oberfläche geblieben? Agenturmeldungen abgetippt, die im wesentlichen aus einer Presseerklärung eines in den Fall verstrickten Verantwortlichen bestanden haben? Schade um die Zeit, die man mit zweitklassigen Medien vertut.