In Merkels Kreml brennt noch Licht

Die Kanzlerin ist für ihre Nachtsitzungen gefürchtet. Gestern war wieder so eine. Die übernächtigen Fotografen richteten zur Schlafenszeit ihre Apparate auf die erleuchteten Fenster. Die Szenerie erinnert an das Gedicht von Erich Weinert: Im Kreml brennt noch Licht. In der ersten Hälfte der 50er wurde das in der Schule noch auswendig gelernt, heute kennen es nur noch wenige. Zeit an das Machwerk zu erinnern:

Wenn du die Augen schließt, und jedes Glied
und jede Faser deines Leibes ruht –
dein Herz bleibt wach; dein Herz wird niemals müd;
und auch im tiefsten Schlafe rauscht dein Blut.

Ich schau’ aus meinem Fenster in der Nacht;
zum Kanzleramte wend ich mein Gesicht.
Die Stadt hat alle Augen zugemacht.
Und nur in Merkels Zimmer ist noch Licht.

Und wieder schau’ ich weit nach Mitternacht
zum Kanzleramt. Es schläft die ganze Welt.
Und Licht um Licht wird drüben ausgemacht.
Ein einz’ges Fenster nur ist noch erhellt.

Spät leg’ ich meine Feder aus der Hand,
als schon die Dämmrung aus den Wolken bricht.
Ich schau’ zum Amt und ruhig schläft das Land.
Ihr Herz blieb wach. Im Kanzleramt ist Licht.

 

 

Bildquelle: Jan Dams