Das Elend der Privatstädte

In der letzten Zeit habe ich oft das Zurechtstutzen des Staats auf bezahlbare Größe thematisiert. Da ist die Kettensäge effektiver als die Heckenschere. Eine Welt ganz ohne Staat ist aber wohl doch Phantasie.

Das ist nicht so, weil der Staat so schön ist, sondern weil privatrechtliche Vereinbarungen ihre Grenzen haben. Ein paarmal habe ich von Titus Gebels Privatstädten gelesen. Da braucht es zum Beispiel jemanden, der verhindert, daß ein Eroberer sich das Privatprojekt unter den Nagel reißt. Es ist aber auch eine Justiz erforderlich, die private Streitereien beendet. Gut, eine Security statt Polizei kann man einkaufen, aber was soll die dürfen? Und ist die immer loyal? Eine Bauordnung braucht es auch. Hat es eine eigene Feuerwehr? Muß man sich Gesundheitsleistungen im angrenzenden Schurkenstaat einkaufen?

Im Laufe meines Lebens bin ich Zeuge mehrerer privater Versuche geworden, Projekte zu realisieren, meist waren es Wohn- und Ferienprojekte mehrerer Familien. Was hoffnungsfroh begann, ist über den Zeitraum von nur zehn oder zwanzig Jahren immer wieder gescheitert.

Es kann der Tod von Mitstreitern sein, familiäre Änderungen, finanzielle Fehlkalkulationen aber auch plötzliche politische Ereignisse. Mir fällt da die Kaffenburg ein, ein Ferienprojekt mehrerer Haushalte, das in den 80ern begonnen wurde. 1989 war plötzlich der Stacheldraht weg und man wollte die Welt sehen. Das reichte zusammen mit familiären Streitereien für ein sinkendes Interesse.

Das was im politischen Raum nicht selten ist, eine selbstdarstellerische, aber inkompetente Leitung, ist in der Privatwirtschaft ebenso möglich. Wirecard, Northvolt, Bankman-Fried, Lilium, Schneider und Benko waren sicher die mutigen Maschinisten der Mißerfolgsturbine, aber es gibt jedes Jahr gescheiterte Geschäftsmodelle, die nicht so hohe Wellen schlagen.

Relativ häufig hört man von Wohnanlagen mit Eigentumswohnungen. Sie sind im kleinen, was eine privatwirtschaftliche Siedlung im Großen wäre. Es gibt eben viel Infrastruktur, die eine Kooperation erfordert: Wasser, Abwasser, Strom, Gas, Zaunanlagen, Grünes, Straßen, Wege, Beleuchtung, Security, Internet usw. Sofort ist eine interne oder externe Verwaltung mit Planwirtschaft erforderlich, also etwas, das gemeinhin der Staat oder die Kommune leistet. Eine Privatstadt ist mit dem modernen Komfort leider keine Robinsonade.

Ich denke, daß die Privatheit immer sinnvoll ist, wenn Wettbewerb herrschen soll. Beim Wohnen gibt es zahlreiche monopolistische Sachverhalte, die eine staatliche Verfaßtheit als gleichwertig erscheinen lassen. Ohne Regeln, Straßen, Kabel und Leitungen für alle gehts eben nicht.

In dem Umfang, wie die Kosten steigen wachsen die Interessengegensätze. jeder Verwalter von Eigentumswohnungen kann davon ein Lied singen. Der eine Vertragspartner ist klimagläubig und will eine Windmühle, der andere nicht, der eine hat Angst vor Kórona und will Maskenpflicht, der andere nicht, Der eine braucht einen Kindergarten oder eine Schule, der andere nicht.

Dazu kommen noch Charaktere. Ich kenne eine Frau, die nicht mit jeder Nachbarsfrau kann, es gibt auch Männer die mit ihren Nachbarn Streit regelrecht suchen.

Da wäre es zu schön, wenn man es im Rahmen einer staatlichen Ordnung wie der Prinz aus dem Märchen vom Schweinhirten machen könnte: Und dann ging er in sein Königreich und machte der Tochter des Kaisers die Tür vor der Nase zu. Magari! Schön wärs!

Grüße an den Inlandsgeheimdienst. Früher gabs auch noch Stadmauern und Wehrpflicht.