Der Horror vor dem deutschen Desaster
Ein Vierteljahr haben in Österreich drei Parteien über die Regierungsbildung verhandelt: Die Volkspartei, die man etwas konservativer als die CDU einordnen würde, die Sozialdemokraten, die ein breites Spektrum vom linksradikalen Babler bis zum Realo Doskozil (Landeshauptmann im Burgenland) umfassen und deshalb zerstritten wie die Kesselflicker sind, sowie die Neos, die man am ehesten mit der FDP vergleichen kann.
Die drei Parteien haben zur notwendigen Haushaltskonsolidierung recht unterschiedliche Vorstellungen, ÖVP und Neos wollen sparen, die SPÖ plant Steuererhöhungen. Kern des Problems ist wie in Deutschland die Rente. Während Sahra Wagenknecht Österreich als Paradies für die Senioren ansieht und das dortige System nach Deutschland übertragen will, ist es vor Ort wegen der Demografie und der Einwanderungskosten aber auch am Scheitern. Korrekturen tun Not. Worüber man sich aber nicht einig wurde.
Nun hatten die Neos anhand des deutschen Exempels vor Augen, was mit einer weichgespülten liberalen Partei passiert, wenn sie sich mit machtgierigen Radikalinskis einläßt. Da ist es besser nicht zu regieren als schlecht zu regieren. Und alle drei Parteien erlebten während der Verhandlungen das Zerbrechen der deutschen Ampel, was als MENETEKEL, als düstere Prophezeiung erschien. Man schaut in Österreich ja etwas mehr nach Deutschland, als wir Österreich beobachten. Die Neos zogen als erste die Notbremse, und beendeten die Unterhandlungen, die Volkspartei schmiß den Bettel einen Tag später hin.
Die anvisierte Dreierkoalition hatte dieselbe einzige Intention, wie die deutsche Nationale Front: Die Regierungsbeteiligung der Rechten – in Österreich der Freiheitlichen – zu verhindern. Das ist nun gescheitert, Rechnerisch wäre noch ein Bündnis von ÖVP, SPÖ und den Grünen möglich. Das läge aber nicht im Interesse der ÖVP. Sie würde zwischen den Mühlsteinen der überwiegend linksradikalen Medien und der woken Partner zerrieben werden.
Neuwahlen würden das Übergewicht der FPÖ noch verstärken, alle haben Angst davor, besonders die hoch verschuldete ÖVP. Der Ball liegt nun wieder in der Hofburg wo der greise Bundespräsident sitzt. Als ehemaliger Grüner kann er die FPÖ nicht leiden und hat deren Vorsitzenden Kickl nicht mit der Regierungsbildung beauftragt. Bisher jedenfalls.
Entscheidend für den weiteren Verlauf sind die Beratungen der ÖVP-Granden. In zahlreichen Bundesländern regiert die ÖVP bereits mit der FPÖ. Das Burgenland wurde sogar einmal von einer Koalition aus SPÖ und FPÖ regiert. Die österreichische Politik war immer etwas gelenkiger, als die deutsche, auch weil ÖVP und SPÖ sich traditionell nicht das Schwarze unterm Fingernagel gönnen.
Wie in Deutschland auch, ist die Hauptstadt in der Provinz recht schlecht gelitten. In Wien haben die Grünen und die SPÖ ihre Schwerpunkte. Eine Koalition mit rot und grün hat also in den Augen der Landleute den Hauptstadt-Makel. Im dichten Gestrüpp dieser Aspekte weiß derzeit niemand, wie sich die Regierungsbildung ausgeht.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Der junge König schleppte sich in den ungeheuren Gewandstücken mit den Kleinodien Karls des Großen, wie in einer Verkleidung, einher, so dass er selbst […] sich des Lächelns nicht enthalten konnte.“ (Geh. Rath v. Goethe über die Krönung von Joseph II.)
Beitragsbild: Ratlosigkeit. Aus der Wiener Theaterzeitung
Selbst in der Schweiz tun sich offenbar Probleme bei der Rentenversicherung auf, obwohl die hierzulande einige als Vorbild sehen. Die Probleme zeigen sich bei den Geringverdienern, die keine Einzahlungen in die 2. Säule (Arbeitgeber) und 3. Säule (eigene Beiträge) haben, also ausschließlich von der gesetzl. Rentenversicherung leben müssen, bei hohen Lebenshaltungskosten.
Allerdings könnte man bei uns froh sein, wenn man nur die schweizer Probleme hätte.