Wenn Drei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe
Rezension der drei jüngsten Bücher von Josef Kraus, Egon W. Kreutzer und Alexander Wendt
Erstens: Worum geht es hier eigentlich?
Die in diesem Beitrag behandelten Bücher haben alle drei denselben gedanklichen Ausgangspunkt,
nämlich den katastrophalen Zustand der westlichen Gesellschaft und speziell unseres eigenen Landes. Alle drei Bücher sind in diesem Jahr erschienen, alle drei sind äußerst lesenswert, und alle drei wurden vor dem Abfassen dieses Aufsatzes durch mich gelesen, manches Detail so gar zweimal, weil ich die Bücher parallel las.
Alle drei Autoren sind mir seit Jahren bekannt, und ich beobachte fortlaufend deren Aufsätze und Bücher. Alle drei sind seriös, sind eigenwillig, und sie sind ernst zu nehmen. Das sind die wichtigsten Übereinstimmungen, denn der Inhalt der Bücher und die Herangehensweise der Autoren ans Thema könnte unterschiedlicher kaum sein. Ich selbst habe nun, um die Bücher angemessen zu beschreiben, das Thema in drei Fragestellungen aufgespalten, denen ich die Bücher nach ihren Schwerpunkten zuordnen werde. Diese Fragestellungen lauten:
- Was genau lief da schief und tut es immer noch?
- Wer war das?
- Was ist zu tun, um Abhilfe zu schaffen?
Zweitens.
Was genau lief da schief und tut es immer noch? – Das Tat-Kompendium
Eine bis ins Detail gehende Antwort findet der Leser bei Josef Kraus. Sein Buch „Im Rausch der Dekadenz. Der Westen am Scheideweg“ ist auf 335 Seiten ein Kompendium des Versagens, das vom Verfasser in drei thematische Schwerpunkte gegliedert ist: Struktureller und institutioneller Verfall, ideologische Verirrungen und schließlich die Vergleiche mit den drei anderen großen Ländern des Westens, nämlich Großbritannien, Frankreich und USA.
Innerhalb der Großkapitel wird nichts ausgelassen, ich zähle hier mal einige Themen auf, damit die Vielfalt des Absturzes deutlich wird: Demokratieverfall, EU- und Weltstaat-Wahn, Milliardärs Sozialisten, Morgenthau 2.0, Bildung und Halbbildung, Atomisierung der Familien, polit-mediale Seilschaften. Oder auch: Machbarkeitswahn und rosa-bunter Marxismus, Grenzenlosigkeit und Selbstverachtung, Infantilisierung, Multikulti, Islamophobie und Demutsgesten, Sprach- und Denkregime und schließlich das Woke-sein als der neue Totalitarismus-Konsens der sog. Eliten. Das mag als Rundschlag in die Strukturelemente der neuen Heilslehren und für deren praktische Beurteilung genügen.
Wer hier sucht, wird fündig, auch mit einem Zitatenschatz fündig bis zum Abwinken. Es ist ein Handbuch, das sich komplett, wenn auch mit steigendem Ärger über die Verhältnisse lesen lässt, wie auch als Nachschlagewerk für die komprimierte wie ausufernde Unvernunft nutzbar ist. Man legt das Buch leicht betäubt aus der Hand.
Drittens:
Wer genau läuft da eigentlich Amok? – Das Täter-Kompendium
Es ist, wie schon eingangs gesagt, der selbe Acker, doch von ganz anderer Art ist das jüngste Werk von Alexander Wendt. Sein Buch „Verachtung nach untern. Wie ein Moralelite die Bürgergesellschaft bedroht – und wie wir uns dagegen verteidigen können“ ist ein Reportage Abenteuer auf 372 Seiten. Ja, das ist es wirklich, denn Autor Wendt nimmt den Leser auf seine Recherchetouren zu den Tätern und Opfern der Schönen Neuen Welt mit.
Auch bei Wendts Buch mögen einige Beispiele für seine Ausflüge genügen, um die Leselust anzuregen. Der Anlandungsplatz für afrikanische Wirtschaftsflüchtlinge in Portugal mit den armen Schweinen einerseits und den großmäuligen Zuwanderungsgewinnern andererseits, die erhabenen Ankläger eines für unabdingbar erklärten Verhaltenskodex einerseits und die Opfer ihrer Anklagen, gegen die es keine Verteidigung gibt, sondern nur dieses schauerliche inquisitorische Konstrukt, in dem Ankläger und Richter in einer Person auftreten.
Auch ein überraschender Ausflug in die Welt des großen Geldes, in der Wendt Macher zu Wort kommen lässt, die munter erklären, warum man diesen ganzen woken Mist nicht nur mitmacht, sondern befeuert. Die Antworten sind niederschmetternd: Die Geldzaren wollen ihren Mitarbeitern in der Welt der finanziellen Sinnlosigkeit ein Spielzeug zum Liebhaben in die Hand geben. Auch sei Davos weniger ein ideologischer Tummelplatz als eher ein praktischer Ort, wo man jedermann treffen könne, was wiederum weniger erstaunt. Man hat es lange geahnt.
Auch sind Ausflüge in die Welt der Plattformen zu besichtigen, und in die entnervenden Brutstätten für immer neue Mitmacher, ein schier unerschöpfliches Reservoire zur Unterdrückung der restlichen Menschheit. Das alles ist keine erfreuliche, aber umso mehr erhellende Lektüre, Runde um Runde starker Toback, man lasse sich durch den gefälligen Erzählstil des Autors nicht täuschen. Auch dieses Buch legt man aus der Hand und sagt: Aha.
Viertens.
Was ist zu tun, um Abhilfe zu schaffen? – das Reparatur-Kompendium
Das Buch von Egon W. Kreutzer „Wie der Phoenix aus der Ampel. Modell Deutschland 2029“ unterscheidet sich grundlegend von den beiden vorgenannten Werken, denn es setzt alles das, was wir bei Kraus und Wendt gelesen haben, voraus, ohne lange darüber zu debattieren. Dabei ist es keineswegs so, als unterscheide sich Kreutzer von den beiden anderen in seiner grundlegenden Analyse. Wer hierzu Näheres wissen will muss sich auf seine Webseite begeben, https://egon-wkreutzer.de/. Dort ist einschlägiger Stoff bis zum Abwinken. Am eindrucksvollsten seine firmen- und standortgenaue chronologische Fortschreibung der Vernichtung von Arbeitsplätzen in Deutschland.
Kreutzer hat sein Buch unter ein fremdes Motto gestellt: „In Zeiten der Krisen suchen die Weisen nach Lösungen; die Narren geben anderen die Schuld.“ Und dann geht er an alle problematischen Politikfelder mit der kalten Logik des Betriebswirtschaftlers heran. Ich nenne hier einige seiner Themen: Die Bevölkerung, aufgespalten in die Eckpunkte Arbeitslosigkeit, Arbeitskräftemangel, Zuwanderung und Einbürgerung, Abwanderung der Qualifizierten. Dabei bliebt er nicht stehen, sondern nennt jeweils hageldicht seine Lösungsvorschläge, welche die radikalsten Änderungen der Steuer- und Subventionspolitik ebenso enthalten, wie den Zusammenhang zwischen Besteuerung und Sozial-Politik.
Zugleich unternimmt Kreutzer einen Ausflug durch die Souveränität Deutschlands. Seine Vorschläge sind schallende Ohrfeigen für die Anbeter von UNO- und WEF-zentrierten Weltbeherrschungs-Phantasien und der EU-Apparate-Herrschaft. Ich denke mal, das ist genug Streitstoff, aber das Dickste kommt jetzt gleich: Kreutzer weiß genau, dass sich Unseredemokratie gegen jeden seiner Vorschläge mit der Macht
ihrer Beharrungs- und Zerredungskräfte wehren wird. Er weiß, dass das Kartell der Ungeeigneten einer Lösung im Wege steht, Wachstum und Wohlstand der Bevölkerung in Deutschland wieder auf ein realistisches Gleis zu stellen. Deswegen schlägt er vor, dass die Lösung der von ihm angerissene
Probleme an Experten-, Beratungs- und Entscheidungsgremien für die nächsten vier Jahre zu übertragen sind. Und die Abgeordneten? Die werden derweil in einen wohlverdienten Urlaub geschickt, in dem sie keinen Schaden anrichten können. Dieses Buch legt man weniger betäubt wie die beiden anderen, sondern eher verblüfft aus der Hand.
Fünftens.
Die drei von mir hier besprochenen Bücher stellen einen seltsamen Dreiklang dar. Sie ergänzen einander, zumal sie alle drei zur gleichen Zeit unabgestimmt und originell den Stoff der Krise darbieten. Wenn man sie gelesen hat, kommt man auf die alles entscheidende Frage zurück: Was nun? Jeder der drei Autoren – das unterstelle ich hier – wird das ebenso kennen, wie ich es bei jedem Vortrag, bei jeder Lesung erlebe: Die Leute nicken zustimmend (sie wären sonst gar nicht gekommen), und einer aus dem Publikum sagt zum Schluss: Alles richtig, und was genau soll ich jetzt tun?
Mustern wir unter diesem Aspekt noch einmal die drei Bücher durch. Ich verkürze, um den Kern klarer herauszuarbeiten. Kraus schlägt die Rückbesinnung auf die Werte des christlichen Abendlandes vor. Wendt vertritt, dass es notwendig sei, sich gegen die Anfechtungen innerlich zu wappnen und die altbekannte Tatsache zu berücksichtigen, dass es kein „ewig“ bei gesellschaftlichen Abirrungen gebe, sondern diese an ihren Widersprüchen selbst scheitern würden. Kreutzer ist, wenn man so will, der radikalste. Er hält die Heilung nur für möglich, wenn man den Unfähigen das Mandat zum Handeln entzieht. Wie das genau gehen soll, das bleibt die Frage – immerhin.
Drei Bücher, drei Inhalte, drei Anregungen. Alle drei Bücher enthalten Sätze, bei denen man unwillkürliche die Stirn runzelt. Wie auch anders? Doch wer es dabei belässt, der handelt blöde, denn die Gesamtschau ist das Wesentliche. Bleibt die Hoffnung, dass diese Werke auf fruchtbaren Boden fallen. Ich empfehle sie alle drei, weil sie sich wundersam ergänzen. Ich empfehle sie allen denjenigen, denen es ernst ist mit unserm Land. Es möge nützen.
„Und was empfiehlst du?“ ruft der wie stets hartnäckige Leser zum Schluss. „Beweg dich endlich,“ antworte ich ihm.
©Helmut Roewer, November 2024