Schlankheit rächt sich – zumindest im Brückenbau

Die eingestürzte Carolabrücke in Dresden wurde in einer Zeit errichtet, wo in Ost und West der Wettbewerb um das schlankeste Bauwerk ausgetragen wurde. Die Brücke hat eine maximale Stützweite von 120 m. Der Vorgängerbau hatte geringere Stützweiten und mehr Pfeiler. Viele Brücken sind wegen dem Schlankheitswahn der 70er Sanierungsfälle.

Man muß natürlich auch wissen, daß die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von Brücken um die 80 Jahre schwankt, danach müssen sie hingehalten oder ersetzt werden. Die Uhr der Carolabrücke ist noch nicht ganz abgelaufen.

Es handelt sich entsprechend den in der BILD veröffentlichten Fotos offensichtlich um eine Spannbetonhohlkastenkonstruktion. In den letzten Jahren wurden viele Brücken mit externer Vorspannung gebaut, was den Vorteil hat, daß man die Spannglieder bei Prüfungen sehen kann. 1970, als die Brücke errichtet wurde, war diese Bauweise noch unüblich. Bei Spannverfahren zur Vorspannung mit nachträglichem Verbund liegen die Spannglieder in einem Hüllrohr (Spannkanal), das nach dem Aufbringen der Vorspannkraft mit Einpressmörtel verpresst wird. Das war 1970 das üblichste Verfahren.

Bei Brückenprüfungen kann man die Spannglieder nicht sehen, sie verlaufen ja im Betonquerschnitt. Man ist darauf angewiesen Betonrisse zu identifizieren, durch die Wasser eindringen kann, Abplatzungen des Betons zu finden, und man kann mit verschiedenen Hilfsmitteln (Utraschall, Radar, Impakt-Echo usw.) die Lage der Spannglieder und Verpreßfehler orten. Es bleibt immer ein Restrisiko durch Meßungenauigkeiten und örtliche Hindernisse bei der Untersuchung. Es wäre mal interessant zu wissen, welche Note die Brücke bei der letzten Prüfung erreicht hatte.

Was man auch wissen muß: In den letzten Jahren gab es eine Laständerung durch Verbreiterung der Kappen. War das doch etwas mutig?

Der Einsturz reiht sich in eine Kette verschleppter Sanierungen und hinausgeschobener Ersatzbauten.

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Nur wer richtig vorspannt, kann auch richtig ausspannen,“ (Prof. Erhard Hampe)