Zwei Klassentreffen und kein Natschalnik

Die Journos wundern sich immer, warum die Ossis so aus der woken Spur laufen. Auch der Merz tat kürzlich verwundert. Es sind keine soziologischen Studien erforderlich, um auf den Grund zu tauchen, man kann das auch mit zwei Stichproben klären. Das Meeting der Abiturklasse von meiner Freundin und mein eigenes sind rum. In der Russenzeit war die Klassenstärke nie unter 40, so daß man bei 70 anwesenden Probanten von Repräsentativität auf niedrigem Niveau ausgehen kann. Die eine Klasse lernte im Ostberliner Bonzenviertel um die Stalinallee, die andere in Weimar (Thür.).

Natürlich gab es 1969 eine knüppelharte Auswahl. die meisten waren Bonzenkinder. Ich verdanke mein Abitur einer Einbruchsserie von zwei Kindern der SED-Kader, die für die Erweiterte Oberschule vorgesehen waren, bin also Profiteuer der Jugendkriminalität,

Wenn man nun nach 50 Jahren mal sieht, was aus den Abgängern geworden ist, so fällt auf, daß es niemand in die oberen Etagen des Verwaltungsapparats geschafft hat. Obwohl alle 1990 im besten Alter waren, um einen Sprung auf der Karriereleiter zu schaffen. Zumal ja genug Posten verteilt wurden. Nicht nur im Staatsapparat, sondern auch in Hochschulen, Theatern, in den Medien und sonstwo.

Einer hat es zum Weihbischof geschafft, das ist ein katholischer Zeremonienmeister, ihm wurde als Bischof allerdings ein Wessi vor die Nase gesetzt. Aus einer Parallelklasse ist einer Professor geworden, allerdings in Mexiko, Bundesstaat Niederkalifornien. Eine Mitschülerin synchronisierte Meryl Streep und hatte ein gutes Auskommen. Einige haben es als Freiberufler geschafft, ein bißchen Knete zu machen. Das war in Berlin sehr schwierig, weil die Auftragsvergabe extrem monopolisiert ist.

Wer sich nun wundert, warum die Ossis anders ticken, der stößt knüppelhart auf die Tatsache, daß sie nicht zu den Wunderkindern gehörten, die von den Korruptionsmechanismen der BRD profitiert haben, und wenn, dann nicht viel. Wir wurden in der Schule auf Einordnung in ein Kollektiv trainiert – was heute euphemistisch als Teamfähigkeit gefeiert wird. In den Westschulen wurde erbarmungslos die Präsentation geübt. Das könnte auch ein Grund für den Unterschied sein. Nach dem Zusammnénbruch ging der Spruch rum: „Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm, beim Wessi ist es anders rum.“ Das Dummstellen hat den Füchsen nichts gebracht.

Dabei sind teamfähige Natschalniks oft besser, als Wolkenkratzer. Ich habe ohne Dienstmercedes und ohne provokantes Auftreten 30 Jahre lang Kollektive in der Spur halten müssen, von fünf Betrieben ist trotz schwieriger Umstände nie einer Pleite gegangen. Sechzehn Jahre lang habe ich Gemeinderäte von dies und das überzeugt, die achtköpfige AfD-Fraktion im Kreistag ist auch vollzählig ins Ziel gegangen. Es braucht keine Visionen und keine Selbstdarsteller, es reicht solides Handwerk. Das ist aber bei den Wessis nicht gefragt. Und so werden West und Ost noch eine Weile getrennte Wege gehen.

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Allen Gewalten zum Trotz sich verhalten“ (Goethe)