Der Tempel des eigenen Körpers

Mit dem Abfall vom Glauben haben sich zahlreiche Sekten etabliert, um das entstandene spirituelle Loch zu füllen. Eine davon ist der Schönheitswahn, ihr prominentester Auswuchs ist derweilen wohl die eitle Marie Antoinette, welche das Auswärtige Amt bevölkert, wenn sie nicht gerade fremden Völkern auf die Nerven fällt.

„Nur in schönen Körpern können schöne Seelen wohnen“ ließ Johann Gottlieb Schummel am Ausgange des 18. Jahrhunderts seinen „Spitzbart“ schreiben, einen völligen Phantasten und Versager, der offensichtlich von Jean-Jacques Roussou inspiriert war und in der zeitgemäßen pädagogischen Herde mittrabte.

Diese Idee der Ehe von Schönheit und Intelligenz ging mit dem Ende des Sturm und Drang noch mal zeitweilig unter, dominierte 100 Jahre später jedoch die Publizistik. Liebe zur Natur – das wäre ja noch gegangen. Wer hat etwas gegen ein wenig Rohkost, kalte Beine beim Wassertreten und ein wenig Sport. Die neuen Irrlehren erhoben jedoch einen Ausschließlichkeits- und Wahrheitsanspruch, der befremdet. Zahlreiche Tempelentwürfe wurden gemalt und weisen auf ein religiöses Vakuum hin, das nach dem Abschied von der christlichen Religion schnell mit goldenen Kälbern und anderem heidnischen Unrat aufgefüllt werden sollte. In solche Tempel schritten junge Männer und junge Mädchen mit erhabenen Gedanken getrennt, um sich in einem Raum zum Rudelbumsen zu treffen, gemalt zum Beispiel von Fidus. Auf einem unschuldigen Hügelchen bei Ascona im Tessin wurde eine Kommune der Lebensreform aufgebaut, in der sich Alkoholiker wie Hermann Hesse und Gesundheitsapostel wie Ida Hoffmann sammelten. 1905 wurde der Berg „Monte Verità“ getauft, Berg der Wahrheit, um zu demonstrieren, daß hier die Wahrheit mit Löffeln gefressen wurde. Die Kommunarden rannten nackt herum, vollführten ekstatische Feuertänze bei Vollmond, fasteten und meditierten. Das Wasser für die Naturdusche mußte ein armer Italiener mit seinem Esel heraufschaffen. Was muß der bei sich gedacht haben?

Mit der Reformbewegung erfolgte der Aufstieg der Lehren von der Erbgesundheit und Rassenhygiene, denn schnell wurde klar: mit Leibeszucht und Rohkostsalaten allein ließ sich der „Neue Mensch“ nicht basteln, manche Nudisten waren von Anfang an auch ohne geriebene Möhrchen schön, andere blieben unansehnlich, fett, spindeldürr, runzelig, glatzköpfig oder schlabberig, wie sehr sie sich bei der Malträtierung des Leibes auch mühten. Es gab genetische Grenzen, die mit Ernährung und Sport allein nicht überwunden werden konnten. Diese unansehnlichen menschlichen Unkräuter sollte der Sensenmann ernten.  

Links wie rechts grinste der Teufel angesichts des Schönheitsfetischismus aus der Kulisse. Die Sozialdemokratin Oda Olberg verkündete 1907 in der „Neuen Zeit“: „Nicht weil ich orthodoxer Parteisoldat bin, glaube ich, daß die Forderung der Rassehygiene in der sozialistischen Bewegung ihren wirksamsten Bahnbrecher hat, sondern ich bin Sozialist, weil ich das glaube.“

In zahlreichen Publikationen engagierte sich fast gleichzeitig Richard Ungewitter für die Verbreitung der ›Nacktkultur‹, die er als Allheilmittel gegen den körperlichen und seelischen ›Niedergang‹ des modernen Großstadtmenschen propagierte. Gleichzeitig trat er für eine bewußte ›Rassenzüchtung‹ ein, da durch die christliche und sozialistische Verbrüderung eine gefährliche Mischung der Rassen entstanden sei. Die Skandinavier stellte er als einzige noch ›reine Rasse‹ als Vorbild dar, die außerdem auch das ›Nacktbaden‹ kultivierten. Schon die Mischehen zwischen dem ›nordischen‹ und dem ›alpinen‹ Menschen hätten zum körperlichen ›Niedergang‹ geführt. »Aus Gründen der gesunden Zuchtwahl fordere ich deshalb die Nacktkultur, damit Starke und Gesunde sich paaren, Schwächlinge aber nicht zur Vermehrung kommen«, – so sei es laut Ungewitter schließlich schon bei den alten Germanen gewesen, die »neben ihrem Waffen- und Jagdhandwerk gleich den Hellenen das Nackttanzen zwischen Schwertern und Spießen« geübt hätten.“

Das sind freilich Spielchen, von denen Tacitus nichts wußte, er beschrieb als Zeitgenosse etwa das Gegenteil. Trotz den häßlichen Realitäten kam es in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zur Bildung von vier regelrechten Schönheitsstaaten, die zwischen einem und 72 Jahren rumwüteten.

Was Ungewitter früher mit blonder Reinzucht bezweckte, streben die Merkeljünger mit dem Gegenteil an: „Die Abschottung ist doch das, was uns kaputt machen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe. Für uns sind Muslime in Deutschland eine Bereicherung unserer Offenheit und unserer Vielfalt. Schauen Sie sich doch mal die dritte Generation der Türken an, gerade auch die Frauen! Das ist doch ein enormes innovatorisches Potenzial!“, so der Merkelknecht Schäuble am 8.6.2016. Das ist so blödsinnig, daß ich es nicht kommentiere. Die CDU muß nicht durch den Verfassungsschutz, sondern durch den Narrdoktor beobachtet werden.

Nach diesem Ausflug in einen fatalen Teil der Schönheitsgeschichte einige kurzgefaßte Bemerkungen zu den Schönen, wie wir sie kennen. Es hat den Anschein, sie seien für die mindere Fruchtbarkeit der westlichen Welt verantwortlich. Man muß mal recherchieren, wieviele Kinder die Werbeikonen der Gesichtschemie zur Welt bringen, und wie unfruchtbar Pornodarstellerinnen sind. Wieviele Sportlerinnen haben mit Vor- und Rücksicht auf Rekorde noch nie ausgepackt, wie das im ländlichen Raum heißt? Wieviele Geburten die modernen männlichen Schönheitsköniginnen zustandebringen? Gibt es da manchmal die Sorge vor Zahnausfall, verlorener Karrierezeit, Babybauch und Cellulitis? Manchmal wird die Schwangerschaft wohl als Tempelschändung angesehen. Es braucht mehr Wertschätzung für Mütter, und Minderachtung vor Perfektion, die nur um sich selber kreist und den Sinn des Aufputzens vergessen hat. Früher nannten die jungen Damen die Dehgse vor der Redutte „Kriegsbemalung“, sie ließen sich abschleppen oder schleppten selbst ab. Immer mit dem Ziel einen Vogel zu finden, der für den Nestbau geeignet erschien.

Wenn ich zum Beispiel Anabel Schunke auf Facebook verfolge: Sie sitzt bestimmt lange vor dem Spiegel, ist aber eine Prinzessin wie aus dem Märchen „König Drosselbart“. die in keiner Bar den richtigen findet: Der eine ist zu klein, der nächste zu dumm und dem nächsten gehören zwar alle Felder und Wälder, im südöstlichen Niedersachsen, er hat aber ein spitzes Kinn. Lieber Gott, laß es Schlamperei regnen!

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Das einfach Schöne soll der Kenner schätzen, Verziertes aber spricht der Menge zu.“ (Geh. Rath v. Goethe)