Am 27.11.1796 bei Herders
Christoph Martin Wieland, die Schriftstellerin Frederike v. Berlepsch, Major von Kalb und Gymnasialdirektor Böttiger zu Hause bei Herders. Es wird über Ifflands Schauspiele geredet. Anlaß war die vortägige Aufführung von „Julius von Tarent“ im Weimarer Hoftheater. Der Oberhofprediger und besoldete Berufsmoralist Herder: „Ich“, sagte er, „muß schon nach meinem Stande her die Moralprediger lieb haben. Aber auf der Bühne sind sie sehr am unrechten Ort. Und Iffland moralisiert und hält Strafpredigten durch ganze Szenen.“ – „Aber der Teutsche will das“, warf Madame Herder ein, „Er will überall den Kampf gegen Rächts. Das reine Kunstwerk kann er nicht ohne Verurteilung der AfD denken.“
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen.“ (Geh. Rath v. Goethe)
Die Anwendung der Anekdote auf unsere Zeit ist sehr sinnig, nur die Grundlage ein bisschen wacklig. „Julius von Tarent“ wurde ja nicht von Iffland verfasst, war schon 22 Jahre alt und wird dem (an sich nicht so sehr moralisierenden) Sturm und Drang zugerechnet. Vorstellen könnte ich mir, dass Iffland das Stück überarbeitet hat und Herders Kritik sich auf diese Bearbeitung bezieht. Das späte 18. Jh. hatte schon starke vor-biedermeierliche Züge (Rückzug auf das häusliche und familiäre Leben, das vor dem Weltgetriebe geschützt werden muss), denen Iffland als Autor (und wohl auch als Intendant) entgegenkam.
Der Sturm und Drang ist mit seiner skurrilen Überhöhung der bürgerlichen Existenz und einer neuen naturgesetzlichen Moral ein Protest gegen den feudalen Betrieb. Den direkten Angriff konnte man sich nicht leisten (so wie seit Nancy und Buschmann), dafür ging man was das Ego betraf an die Grenzen des guten Geschmacks.