Weltverbesserung mit Rathenau und Annalena
Nicht nur der Islam, der Konfuzianismus oder die Orthodoxie, auch die westliche Kultur war und ist von einer Überlegenheitsüberzeugung geprägt. 1830 machte Frankreich der moslemischen Sklaverei im Mittelmerraum ein Ende, was mit der damaligen Technik nicht ohne die Besetzung von Tunis und Algier ging. Gleichzeitig wurde Griechenland unabhängig. Damit und mit der Kolonisierung Afrikas wurde die moslemische Welt machtpolitisch mehrere Stufen nach unten durchgereicht, vom agressiven Angreifer und Unterdrücker zum Underdog. In Europa kam statt Erleichterung über den überwundenen Feind ein Gefühl der Überlegenheit auf. Statt sich abzugrenzen, ging man immer stärker in die Offensive.
Heute äußert sich die Rechthaberei in Organisationen wie „Offene Gesellschaft“ und der Beschwörung „unserer Werte“. Wenn Annalena aufbricht, um schwarzen, weißen, gelben, roten und braunen „Wilden“ ihre elitäre und narzißtische Sichtweise aufzupöbeln, so folgt sie dem Muster gescheiterter Kolonialisten.
Die Kolonisierung wird oft als wirtschaftliche Ausbeutung des Südens dargestellt. Schwarze Zahlen waren allerdings selten. Was die europäischen Mächte antrieb waren Machtstreben, Rechthaberei und Prestige. Rechthaberei insofern, als man Missionare und Beamte losschickte, die Afrika und Asien europäisieren sollten, d.h. die dortigen Kulturen auslöschen. Auch Karl Marx war von dieser Betrachtungsweise nicht frei, „Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterte Kommunikation alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation.“ Eine galaktische Fehlprognose, Barbaren jagen an amerikanischen Unis Juden vom Campus. Die dritte Welt hat das Zentrum des Westens gekapert, nicht umgekehrt.
Einen Einblick in die Denkweise gescheiterter Weltverbesserer – und dazu gehörte zweifellos Walther Rathenau – liefern die Reflexionen, die er 1908 nach zwei Afrika-Besuchen verlegte.
Auf Seite 148 schrieb er, daß fremden Volksstämmen die heimische (also europäische) Herrschaft, Denk- und Arbeitsweise auferlegt wird, eine Seite weiter sinniert er darüber, daß dem Neger die Nachhaltigkeit des Okzidentalen nicht innewohne. Auf Seite 150 kam er auf die Unfähigkeit, des an Untertanentum gewohnten deutschen Mittelstands, in den Kolonien Führung zu praktizieren zu sprechen: „Die Kultur in Negergebieten beruht aber auf einer sehr ausgedehnten Herrschbefugnis“, der Arbeitgeber bleibe für vieles was er tut nur sich selbst verantwortlich. Die Inkompetenz vieler Deutscher erzeuge eine „unklare, nervöse und erhitzte Stimmung, führe zu Gewalttätigkeiten und Exzessen, verwirre den geschäftlichen Blick und machen sich schließlich in leidenschaftlichen Anklagen und Beschuldigungen Luft“. Das Verhältnis des deutschen Liberalen zum Eingeborenen liest sich so: „Der Neger unterscheidet sich geistig vom Okzidentalen durch weit herabgesetzte Fähigkeit zur Abstraktion und Konzentration. (…) Deshalb wird eine festgegründete geistige Entwicklung des Negers für alle absehbare Zeit ein frommer Wunsch bleiben.“
„Ein Land von nahezu zehn Millionen Einwohnern (Ostafrika) soll durch wenige Hundert weiße Männer und einige Bataillone farbiger Schutztruppen in Schach gehalten werden. Neben der eingeborenen Indolenz der Schwarzen bringt nur der grenzenlose Respekt vor der Tatkraft des Europäers, der Macht seines Landes und der zauberähnlichen Kraft seiner Hilfsmittel diese paradoxale Wirkung hervor. Der Respekt ist erhöht durch die Furcht, welche die Konquistadoren des Landes durch scharfes, oft brutales Vorgehen erweckt haben (,,,) so ist hiermit die Möglichkeit gleicher Behandlung der Weißen und Schwarzen ausgeschlossen, wobei dann freilich zu fordern ist, daß der Respekt auch im ethischen Sinne durch eine vorbildliche Führung der Europäer bestärkt werde. Daß diese Ungleichheit sich auch auf die Rechtspflege erslrecke, ist darin begründet, daß Ehren- und Freiheitsslrafen auf den Neger nicht wirken, und daß Verhaftung oder Verurteilung von Weißen durch Farbige in diesem Gedankenkreise unzulässig ist. Es ist zuzugeben, daß wir in der Kolonie Rassenjustiz betreiben und ohne solche zurzeit nicht bestehen können.“
„Evangelische und katholische Missionen sind über das ganze Land verbreitet. Ihre sichtbaren Erfolge auf religiösem Gebiet sind bisher durchweg gering, und mancher verständige Missionar spricht unumwunden aus, daß eine erzieherische Vorbereitung zur Erreichung des späteren religiösen Zieles gegenwärtig als die wichtigsle Aufgabe angesehen werden müsse.“
„So dürfen wir hoffen, daß die Erziehung zur Kolonisation abermals dem deutschen Geisl ein Gebiet erschließen wird, das seiner irdischen Mission entspricht. Der Resultate dieser Erziehung aber wird die deutsche Politik dann bedürfen, wenn die zweite und vielleicht letzte Aufteilung kulturbedürftiger Länder eintritt: die Kolonisationsperiode der heute von dekadenten Rassen und Staatswesen beherrschten Gebiete.“
Soweit Rathenau. Annalena hat den Ball aufgenommen und spielt ihn weiter: Noch gibt es genügend dekadente Kulturen und Staatswesen, die sie umkrempeln will. Mit der Orthodoxie hat sie es, aber auch China ist ihr ein Dorn im Auge. Und wenn Trump die Wahl gewinnt, wird sie den Großangriff auf Amerika vortragen. Kein Gegner ist groß genug, ihren Ruhm zu mehren.
Das Problem von Rathenau war, daß die deutsche Burschenherrlichkeit zehn Jahre später beendet war, und das war in Bezug auf Kamerun, Kiatschou, Ostafrika, Neuguinea und Togo ganz gut so. Die Sieger des WK I wurden vom lieben Gott bestraft und mußten sich noch dreißig Jahre länger mit ihren teuren und nutzlosen Kolonien rumärgern, mit den ehemals deutschen zusätzlich. Hoffen wir, daß Annalena, die von ihrer irdischen Mission überzeugt, die Welt dem grünen Geist erschließen will, genauso scheitert. Wer die Kräfte überspannt, wird überrannt.
Wir haben es wirklich mit Größenwahn zu tun.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Hier sitz’ ich, forme Menschen // Nach meinem Bilde, // Ein Geschlecht, das mir gleich sey,“ (der jugendliche Sturm-und-Drang-Goethe, bevor er Geh. Rath wurde)
Danke für diese Zusammenschau.
Was man sich halt immer wieder vor Augen halten muß: anderswo ist es anders. Und man muß damit irgendwie umgehen. Das sorgt für Überraschungen und unwillkommene Rollen, die man zugeteilt bekommt. Was die Leute in zB Togo über die deutsche und englische Herrschaft – eine Kolonialisierung im eigentlichen Sinne war es mangels europäischer Siedler ja eigentlich nicht – so denken und was sie damals bevorzugt hätten – schwer zu sagen.
Die Frage ist doch, wie reagiert Anna Lena auf Absagen und Enttäuschungen?
Mit jetzt erst Recht? Wie war die Reaktion auf Katar Fußball?
Ich unterstütze jede Polemik gegen Frau Baerbock, aber auch dieser Text scheint mit etwas unterkomplex.
Zunächst halte auch ich die europäische Kultur einigen anderen doch für überlegen. Da sind z.B. einige afrikanische. Stammeskulturen haben in der heutigen Welt ihre Nachteile: Marktwirtschaft, Industrialisierung usw., alles was für das Überleben von 8 Mrd. Menschen nötig ist, funktioniert in Stammesgesellschaften nicht so richtig. Rhodesien -> Simbabwe sollte uns eine Warnung sein. Es gibt auch Untersuchungen über den IQ in Subsahara-Afrika, die vielfach angezweifelt werden, aber doch nicht unglaubwürdig sind, bei denen die Afrikaner, milde gesagt, nicht so gut abschneiden (was Rathenaus Beobachtungen erklären könnte). Auch der weitreichende Glaube an Hexerei ist nicht unbedingt hilfreich.
Es spricht also eine ganze Menge dafür, dass wir gut daran tun, unsere eigene Zivilisation zu schätzen und zu bewahren. Nicht funktioniert hat allerdings die demokratische Missioniererei, jedenfalls nicht in Afrika und auch nicht im islamischen Raum. Demokratie scheint ja nicht mal in Russland zu funktionieren. Aber Indien? Wollen die Inder wirklich wieder in der Maharadscha-Kultur leben, die es gab, bevor die Engländer kamen? Mit ein bisschen Witwenverbrennung?
Richtig ist, dass europäische Besserwisserei, mit der die Grünen jetzt für ihre Umweltreligion missionieren, nicht funktioniert. Den USA ist es auch nicht gelungen, Demokratie im Irak oder Afghanistan einzuführen. In Libyen wurde mit moralischen Argumenten ein Diktator gestürzt, und das Land ist seitdem im Bürgerkrieg. Riesenfehler westlicher Besserwisserei. Aber in einigen anderen Dingen ist der Westen vielleicht doch ganz hilfreich. Die Minderung des Hungers in der Welt wäre ohne westliche Überlegenheit (Grüne Revolution ab den 1960’er) nicht möglich gewesen.
Die Welt ist kompliziert. Komplizierter als Frau Baerbock es sich vorstellt – aber das ist ja auch nicht so schwierig.
Die europäische Kultur war überlegen bevor es die Grünen gab. Jetzt fühlt sie sich überlegen.
Genau so ist es.
„Die europäische Kultur war überlegen bevor es die Grünen gab. Jetzt fühlt sie sich überlegen.“
Die europäische Kultur ist nicht deshalb plötzlich weniger überlegen, weil die Grün-Linken (a) sie nicht verstehen, (b) ihre eigenen Ressentiments in diese Kultur hineinprojizieren, (c) das Erhaltenswerte nicht vom zu Verbessernden unterscheiden können und (d) die Kraft, das Wissen, die Fähigkeiten dieser Kultur missbrauchen.
Herr Prabel kennt seinen Goethe: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, / Erwirb es, um es zu besitzen.“ Die Mühe des Erwerbens des Erbes, welches allen Nachkommen aufgegeben ist, wenn sie ihr eigenes Leben führen wollen: den ererbten kulturellen Reichtum nutzend, die weitergereichten Fehler vermeidend, sich des Schrotts entledigend, diese Mühe haben sich Grün-Links in ihrer Infantilität nicht gemacht. Aber das Erbe ist da, ein Großteil des Reichtums ist immer noch da. Er wird nur nicht genutzt und z.T. missbraucht.
Übrigens gehört Neugier für und Respekt vor anderen Kulturen auch zum europäischen Erbe (neben dem Hochmut und der Selbst-Grandiosität), sowie die Bereitschaft, dort von anderen zu lernen, wo es sinnvoll ist. Beides, Neugier und Respekt sind bei Links-Grün auch nicht so häufig zu finden, um es milde auszudrücken.
Fazit: Wir haben keinen Grund, unsere eigene Kultur herabzusetzen und die anderer blind anzuhimmeln. Europa hat der Welt viel gegeben und es hat ihr immer noch viel zu geben. Die Mühe, das Erbe zu erwerben, um es zu besitzen, eine Daueraufgabe, ist die Voraussetzung. Bisher ist das Erbe noch da. Es wartet.
[Herrn Prabel meinen Dank, dass ich hier die Möglichkeit habe, meine Gedanken dazu einmal darzulegen.]
Die europäische Kultur war auch immer widersprüchlich. Hexenverfolgung und Aufklärung, Pazifismus und Atombomben, alles europäische Erfindungen. Momentan herrscht der Glaube, dass die Klimakatastrophe kommt und der Westen allein weiß, wie man sie verhindern kann.