Nicht Schröder hat die SPD gemeuchelt, sondern seine Diadochen

Heute hat Thomas Schmid in der WELT behauptet, Gerhard Schröder habe die SPD als Volkspartei demontiert. „So kam es, dass seine größte innenpolitische Leistung, die Agenda, Schröders politisches Ende einleitete. Und die SPD endgültig den Nimbus der Volkspartei kostete.“ Schauen wir doch mal nach, ob das stimmt.

Mechelroda in Thüringen ist ein Wohnplatz der Handwerker, Kraftfahrer, Verkäuferinnen, der Sozialberufe, kurz der kleinen Leute. Einwohner mit einem überdurchschnittlichen Einkommen machen geschätzt weniger als 10 % aus. Es hat damit ein enormes Potential für die SPD, mehr als die gesamte BRD mit dem reichen Taunus, Oberbayern oder Schwaben. Wenn da nicht die alten Geschichten mit der Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft und der Ablehnung der deutschen Einheit gewesen wären…

Ich habe deshalb einfach mal die Bundestagswahlergebnisse für Mechelroda von 1998 bis 2021 zusammengestellt, um zu zeigen, daß Schmid einem fatalen Irrtum aufgesessen ist, wenn er nicht geradezu böswillig gelogen hat.

Bei den drei Wahlen, wo Schröder Spitzenkandidat war, erreichte die SPD stabil über 30 %, was nachher nie mehr annähernd gelang, Hartz IV wurde von den Schaffenden nicht als Sündenfall aufgefaßt, 2005 stürzte die SPD nicht wirklich ab, da das günstige Vergleichs-SPD-Ergebnis von 2002 auf dem Elbhochwasser dahergeschwommen war. Der Absturz der Sozialdemokraten ins Bodenlose begann erst 2008 nach dem Sturz von Kurt Beck als SPD-Vorsitzender. Und nachdem der Anführer des Putsches gegen Beck, der widerliche Kreml-Stiefelputzer Steinmeier Kanzlerkandidat geworden war.

Beck war der letzte Parteichef, der mal einen Schraubenzieher in der Hand gehabt hatte und einen für Arbeiter vermittelbares Image hatte. Allein seine Frisur wies in diese Richtung. Oder seine Aufforderung an Henrico Frank, sich zu waschen und zu rasieren, um einen Job zu bekommen. 2008 endete die proletarische Geschichte der SPD und der medial-bürokratische Komplex übernahm die Partei. Beck hatte bei den Medienschaffenden keinen guten Stand gehabt, und das ärgerte die Spitzengenossen. Sie wollten lieber bei den Kanalarbeitern von ARD und ZDF gut dastehen, als bei ihren Stammwählern.

Das rote Desaster setzte sich mit Steinbrück und Schulz fort, um 2021 ein retardierendes Moment abzubilden, im klassischen Drama der Lichtblick vor dem Untergang.

SPDCDULinkeAfDKanzlerkandidaten
199833,327,223,1G. Schröder/H. Kohl
200235,535,512,8G. Schröder/E. Stoiber
200531,519,919,9G. Schröder/Dr. M.
200910,441,517,0F. Steinmeier/Dr. M.
201312,037,323,98,5P. Steinbrück/Dr. M.
20173,827,612,229,5M. Schulz/Dr. M.
202116,914,49,330,5O. Scholz/Laschet

Kurzum: Die SPD wurde nicht wegen Hartz 4 nicht mehr gewählt, sondern im Gegenteil. Die Partei war nicht mehr attraktiv, weil sie sich von der Partei der Schaffenden in eine Vertretung von Parasiten gewandelt hatte. Ich meine damit nicht die Leistungsempfänger, sondern den ganzen Schwanz von teuren Beratern, parlamentarischen Kostgängern und NGO-Glücksrittern.

Sicher, der Genosse der Bosse war immer eine schillernde Persönlichkeit.

Foto: Wolfgang Prabel

Schröder war für den politischen Gegner jedoch nie so der Buhmann gewesen, wie seine Nachfolgerin Dr. M. oder H-beck. Man verzieh ihm einiges, weil er dem Krieg gegen die Currywurst im Weg stand, in wirtschaftlichen Fragen auch Lichtblicke hatte und zuweilen authentisch wirkte.

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Es bildet ein Talent sich in der Stille, sich ein Charakter in dem Strom der Welt.“ (Geh. Rath v. Goethe)