Ein Hauch des Superbowls in Weißrußland
Der Sonntag gehört der Kunst, heute werfen wir auf unserer musikalischen Rundreise durch den Osten einen Blick nach Minsk. Weißrußland hat dank der Erinnerung an die ungeschlachten BELARUS-Schlepper ein etwas grobmotoriges Image. Die Traktoren wurden nach altrussischer Tradition vermutlich aus einem Stück gefeilt. Auch die große Mütze von Zarewitsch Lukaschenko vermittelt kein supermodernes Bild.
Was die Landessprache betrifft, so ist die Situation noch wackliger, als in der Ukraine. Nur 26 % der Einwohner sprechen sie zu Hause, etwa 13 % gehen in eine weißrussische Schule. Die Sprachenpolitik ist deutlich liberaler als in der Ukraine. Sicher möchte der Landesdiktator es mit Zar Putin nicht verderben und läßt den frechen Zungen ihren russischen Lauf.
Zum dargestellten Event traten die Damen von t.A.T.u. nach zahlreichen internen Zerwürfnissen im September 2022 im Dynamostadion von Minsk erstmalig wieder gemeinsam auf. Was interessant ist: Sie geben sich oft als Lesben aus und küßten sich auf der Bühne, In Rußland wurde dieses ganze Lesben-Ding niemals ernst genommen. Wenn sie in Talkshows interviewt und gefragt wurden: „Seid ihr wirklich Lesben?“, sagten sie: „Nein, das ist ein Trick. Wir haben Freunde, wir sind ganz normale Mädchen, wir machen das für’s Image.“ Nicht nur in Russland schlug t.A.T.u. wegen ihres sexualisierten Auftretens jedoch gleichwohl harsche Kritik entgegen, etwa von Seiten der englischen BBC, von NBC, der Regierungspartei Einiges Russland, der Kommunistischen Partei und der Russisch-Orthodoxen Kirche.
Hinsichtlich des Songs All the Things She Said wurde t.A.T.u. im Westen der „Anpreisung von Pädophilie“ beschuldigt. Insofern widerlegt der Auftritt in Minsk das buchstabensektenfeindliche Image, welches unsere von den Oligarchen gesteuerten Medienmarionetten von Moskau und Minsk entwerfen. Mittlere Libertinagen werden auch in strengen Gegenden erlaubt. Minsk ist nicht Pjöngyang, der Hermannplatz oder Teheran.
Super Bowl mit beschränktem Budget, ist mein Eindruck.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: Putin hat Julia Timoschenko (ukrainische MP 2007 bis 2010) auf einen Spieß gesteckt und dreht sie über einem Feuer. Lukaschenko steht dabei und fragt: „Wladimir, Wladimirowitsch, warum drehtst du sie so schnell?“ – „Es geht nicht langsamer, sie klaut Kohlen.“