Der schöne Traum des Anarchismus
„Meistens gelangen die Menschen nur durch die Folgen der Unordnung zur Einführung der Ordnung, und Gesetzlosigkeit führt gewöhnlich erst zu Gesetzen.“ Das schrieb Schiller 1789 auf, bevor die französische Revolution völlig entgleist war, die Guillotine rund um die Uhr köpfte und lange bevor Fürst Metternich auf dem Wiener Kongreß den vorrevolutionären Zustand wieder annähernd herstellte.
Es dauerte weltgeschichtlich immer nur Sekunden. manchmal Minuten, bis die Robespierres, Lenins und Merkels die Freiheit ruinierten und den demokratischen Traum durch Vermachtung der Gesellschaft beendeten. Ich möchte garnicht auf Einzelheiten eingehen. In zwei Jahrtausenden ist es nirgendwo, nirgendwann und nirgendwie zu einer nichtstaatlichen libertären Ordnung gekommen. Das muß Gründe haben, die in der menschlichen Natur liegen. Die Leute sind unterschiedlich, und wer mal in einen Kindergarten gegangen ist, kennt die waltenden Verhältnisse. Es gibt Kinder, die etwas bauen wollen, und es gibt welche, die sich nur an Zerstörung und Machtausübung erfreuen. Bei den Erwachsenen ist das genauso. Die einen erarbeiten den Reichtum, die anderen studieren Politologie oder wechseln vom Kindergarten ins Europaparlament.
Der Anarchismus hatte sehr verschiedene Ausprägungen: In Rußland und Katalonien war er kommunistisch gepolt, in Amerika im Gegenteil libertär. Derweilen ist ein libertärer Präsident in Argentienien an die Hebel der Macht gekommen. Wir werden sehen, was draus wird.
Als Traum ist der Anarchismus natürlich ein schöner, solange er eben eine Fata Morgana bleibt. Wenn man mal eine Stunde die häßliche Fratze der grünen Tyranney vergessen will, kann man ein paar tollwütige Hunde – einen Mix aus Wodka, Tabasko und Himbeersaft – trinken und zu den Seifenmädchen ins Konzert gehen. Es ist ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, er ist allerdings schöner anzuschaun, als die autoritären und verfressenen Erziehervisagen der Klimasekte.
Es sind übrigens zwei französische Schwestern, die seit vielen Jahren gemeinsam musizieren. Auf PB gibts keine Buchstabensekte. Der Sonntag gehört also heute mal der Schönheit und der Freiheit.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst:
Wer half mir
Wider der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
(Goethe in seiner libertären Gärung, bevor er Geh. Rath wurde)
Jaja, was lesen wir von Rudolf Rocker, dem deutschen Anarchisten, als er von Durruti zum Mitkämpfen aufgefordert wurde? „Oh nein, ich bin der hohe Vertreter einer internationalen Organisation…“
Meine akademischen Lehrer ließen keinen Zweifel daran, dass Freiheit eine starke Ordnung schaffende Obrigkeit braucht. In Anarchie ist niemand frei, weil er den ganzen Tag aufpassen muss, dass man ihn nicht beraubt oder umbringt.
Eine seelische Katastrophe ist bindungslose Freiheit. Ein bindungsloser Mensch ist ein verzweifelter Mensch. Vielleicht ist dies das Hauptverbrechen der Woken: Dass sie im Namen grenzenloser individueller Entfaltung dabei sind, Bindungen zu zerstören: familiäre Bindungen, kulturelle Bindungen, gegenseitige Verantwortlichkeiten. Wir sehen einen Anstieg von Verzweiflungstaten, Selbstmorde und, in den USA, die mass shootings, wobei es sich überwiegend um verzweifelte Männer handelt.
Ich erlaube mir eine kleine Begriffskritik:
Oft werden die Begriffe „Anomie“ und „Anarchie“ durcheinander geworfen oder als identisch angesehen. Sie bedeuten jedoch etwas völlig Unterschiedliches. „Anomie“ ist die Gesetzlosigkeit, bedeutet letztlich die gewalttätige Gesellschaft, wo (faktische) Macht (der politischen Machthaber oder der Mobs) über den (faktisch abgeschafften) Gesetzen steht. Die Gesetzesbrüche einer Regierung (also: der Weg in die Anomie) dienen i.d.R. dazu, Herrschaft ohne Kontrolle aufrecht zu erhalten. „Anarchie“ ist jedoch die Freiheit von Herrschaft.
Diese „Freiheit von Herrschaft“ (Anarchie) ist eine unerreichbare Utopie. Auch eine Anarchie braucht bzw bräuchte Ordnung, um sicherzustellen, dass keine Herrschaft entsteht, braucht bzw. bräuchte also eine Ordnung mit Machthintergrund.
Daher haben wir uns (seit der Epoche der Aufklärung) für die kontrollierte Macht resp. die kontrollierte Herrschaft entschieden, also für die demokratische Gewaltenteilung. Auch die Demokratie hat allerdings einen herrschaftsfreien (wenn man so will: anarchischen) Raum geschaffen — und zwar um den individuellen Menschen herum. Das hat sie mit Grundrechten getan.
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Mit ihren fadenscheinigen Behauptungen von der großen Freiheit im Sozialismus haben die Marxisten / Linksideologen viele anarchistische Geister auf ihre Seite gelockt, so auch Bakunin: Voller Euphorie begann er das Marx’sche „Kapital“ auf russisch zu übersetzen, bis ihm klar wurde, was für einen totalen Staat, was für eine totale Herrschaft die Marxisten / Linksideologen wollten. Da hat er mitten in der Arbeit alles hingeschmissen.
Man muss das Problem nicht theoretisieren, schon gar nicht in einer akademisch determinierten Betrachtung vergangener Ereignisse.
Nehmen wir die Dinge rein praktisch. Wenn es um ein Böllerverbot in Berlin geht (Neukölln, nordliche Sonnenallee), zeichnet das Meinungsbild der Multi-Kulti-Bevölkerung ein eindeutiges Urteil: Chaos, überall Chaos und eine Hoffnung auf Besserung. Einer äußerte sich so: „… natürlich nicht. Wir leben hier außerhalb aller Gesetzte. Weder Polizei, noch der Senat haben hier irgend etwas zu melden“.
https://www.rbb-online.de/abendschau/videos/20231216_1930/1.html
Das ist Anarchie, die sich über mindesten drei Jahrzehnte unter Schwarz, Rot, Dunkelrot und Grün
in diesen Quartieren wie ein Krebsgeschwür entwickeln konnte.
Danke für die Klarstellung, J.S. Diese Unterscheidung von Anarchie und Anomie war mir nicht klar.
Eine Anarchie, also eine Ordnung ohne Herrschaft, halte ich allerdings für längerfristig nicht stabil. Denn wie soll Ordnung aufrecht erhalten werden, ohne jemanden, der sie durchsetzt? Was soll gegen Betrüger oder Vertragsbrüchige gemacht werden? Braucht man nicht jedenfalls eine Justiz mit der Gewalt, ihre Urteile auch gegen Widerstrebende durchzusetzen? Selbst in der Fußball-Kreisklasse gibt es Schiedsrichter.
Trotzdem ist es ja erstaunlicherweise so, dass sich auch „spontane Ordnungen“ bilden – ohne Machtausübung einer Zentralgewalt. So wie im Universum, so ist es auch in der Marktwirtschaft – die Sterne bzw. die Produzenten-Konsumenten folgen bestimmten Regeln, auch bevor sie gezwungen werden (F.A. von Hayek).
Auch die „spontante Ordnung“ einer Marktwirtschaft, die angeblich ohne Zentralgewalt auskommt, braucht jemanden, der die Eigentumsordnung schützt. (Ich kann mir nicht vorstellen, dass F.A. Hayek das nicht irgendwo erwähnt.) Sonst wird geraubt und es kommt zu Selbstjustiz. Das gilt natürlich auch im internationalen Handel: Nur weil eine Macht gegen Piraterie und ihre Spielarten vorgeht (gegenwärtig sind es meist die USA, die diese kostenträchtige Aufgabe auf sich nehmen), kann friedlicher Welthandel existieren.