Rechtsstaat war gestern – mein Sudelbuch im August 2023

Gastbeitrag von Helmut Roewer

Während sich die Kaste Urlaub gönnt, funktionieren die Apparate ungebremst weiter: Ärzte werden eingelocht, Richter aus dem Dienst entfernt, ganz normale Bürger abgehört und beim großen Vorbild jenseits des Teiches ein Ex-Präsident dem Haftrichter vorgeführt. Das Publikum bleibt desinteressiert, selbst als das Kriegsverbrechen eines Kernwaffenangriffs auf Deutschland aufgedeckt wird.

Erster August 2023

Ostfront: Die Meldungen mehrerer Tage nachsortiert. Hierbei bemerkt, dass bei den Erdkämpfen die Aussagen beider Seiten nicht mal vage zusammenpassen. Hieraus die Folgerung gezogen, dass Entscheidendes nicht stattgefunden hat, vor allem nicht der mehrfach groß angekündigte strategische Durchbruch der Ukrainer im Raum Saporoshje in Richtung Asowsches Meer.

Ostfront (2): Beide Seiten drohen einander mit politischen Gesten, Polen durch Zusammenziehung von Kampftruppen an seiner südöstlichen Staatsgrenze, Russland und Weißrussland durch gemeinsames Auftreten ihrer Führer und einer unmissverständlich harten Sprache gegen Polen. Man werde deren Einmarsch in die westliche Ukraine nicht hinnehmen.

Ostfront (3): Der tschechische Präsidenten-General Pavel mischt sich ein und verlangt Internierungslager für die in Europa lebenden Russen.

Ostfront (4): Russland verstopft mit Gewalt die Löcher für die Verschiffung von ukrainischem Export-Weizen. Der Aufschrei der Welt hierüber beschränkt sich auf den Wertewesten.

2. August 2023

US-Sonderermittler Jack Smith hat eine zweite Anklage gegen Ex-Präsident Trump vor einer Grand Jury in Washington DC losgetreten. Während sich die erste seit einigen Wochen mit Dutzenden von Vorwürfen über die Mitnahme von klassifizierten Regierungsdokumenten aus dem Weißen Haus in sein Privathaus in Florida befasst, beschäftigt sich das zweite Anklageverfahren mit dem Vorwurf, Trump habe am 6. Januar 2021 zusammen mit sechs anderen Personen eine Verschwörung gegen den Verfassungsstaat USA angezettelt, indem er öffentlich und zu Unrecht behauptet habe, die Präsidentschaftswahlen vom November 2020 seien gefälscht worden. Man staunt, wenn man’s liest.
https://www.documentcloud.org/documents/23893894-show_temp-2.

Trump (2): Der Hass des Establishments auf diesen Mann muss grenzenlos sein und die Furcht vor ihm auch. Hass und Furcht haben verursacht, dass nichts unversucht blieb, ihn aus dem Amt zu entfernen und einen Neustart zu verhindern. Nur umgebracht hat man ihn noch nicht, was mich ehrlich wundert.

3. August 2023

Es ist ungerecht, dass alle auf Annalena Bb. herumhacken. Ich hingegen möchte sie und ihre Eloquenz nicht missen. Erst heute Morgen habe ich mich halb totgelacht. „I believe I spider“, so las ich (für Engländer hier in meiner Übersetzung: Ich glaube, ich spinne). Das ist natürlich ein Fake.

Annalena (2): Gut fand ich auch, dass sie von den „Nigerern und Nigererinnen“ schrieb oder sprach. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber zuzutrauen wäre es ihr schon. Gewiss nicht, obwohl sie undeutlich spricht, sagte sie: Negerer und Negererinnen – jedenfalls meinte sie es nicht so.

Annalena (3): Früher hatten Minister einen Pressesprecher, dessen Aufgabe es war, dem Pressepöbel deutlich zu machen, was der Minister gesagt haben könnte. Im Fall der Annalena Bb. ist es genau umgekehrt. Die Hauptaufgabe ist mitzuteilen, was sie keinesfalls gesagt hat.

Annalena (4): Unzutreffend ist übrigens auch die weit verbreitete Ansicht, unser Bundeskabinett bestehe nur aus Clowns, so dass die echten Satiriker daneben keine Chance hätten. Die gestrige Zellerzeitung beweist das Gegenteil. Und in seiner Leserbriefspalte finde ich dieses hier: „HeizTipp für den Winter: Da es sowieso nicht genug Strom gibt, sollten Sie einfach Ihr E-Automobil verbrennen. Aktuelle Schiffsunglücke beweisen: Es brennt sehr lang und heiß!“

Nach soviel Information schalte ich früh halbsieben das Internet aus, um mich den Tag über mit was Serösen zu beschäftigen (Lesen & Schreiben). Kann nicht verhindern, dass ich im Briefkasten, im echten, ein Buch vorfinde, eingeworfen ohne jeden Kommentar: Alexander von Bismarck: Begegnungen zwischen Russen und Deutschen. Geblättert und verblüfft festgestellt, dass ich darin eiannten Namen vorfinde, meinen.

4. August 2023

Grundsatz des Sieges: Bekämpfe niemals diejenigen, die mit dir in die selbe Richtung marschieren.

Grundsatz (2): Knurrend füge ich mich meiner eigenen, stets breitmäulig verkündeten Weisheit. Deshalb werde ich nicht… nein, wirklich nicht… aber ich denke mir mein Teil. Anschließend, nach dem Nachdenken, das Maul zu halten, verlangt strenge Selbstdisziplin. Ehrlich. Ich knirsche mit den Zähnen.

Grundsatz (3): Bei den deutschen Unternehmern bin ich mir nicht so sicher, in welche Richtung sie marschieren. Jetzt jedenfalls beklagen sie sich über neue Regularien aus Brüssel, welche sie mit großem Aufwand ab Anfang 2024 erfüllen sollen. Mir geht dieses Gejaule unerhört auf die Nerven, denn es ist typisch deutsch. Regeln einhalten, anstatt geschlossen zu sagen: Was geht mich das an? Andere Länder verfahren genau so.

Grundsatz (4): Das erinnert mich stark an den Stabsunteroffizier Rieske während meiner Grundausbildung. „Einfach garnich ignorieren,“ so sagte er, speziell an die Abiturienten gewandt, die ihm unterstellt waren – ich war einer davon.

Grundsatz (5): Die in Spanien wohnende Freundin, der Nationalität nach eine Polin, sagt, sie könne mich nicht, wie von mir angeregt, im Frühherbst treffen, weil sie, wie jedes Jahr zum fraglichen Zeitpunkt, zu den Dudelsack-Weltmeisterschaften nach Edinburgh reisen müsse.

Grundsatz (6): Die Firma Mey & Edlich in Leipzig ist ein Herrenbekleidungs-Versand. Ihre Kataloge halten seit Jahren für mich unverzichtbaren Mindeststandart ein: a) Sie sind in der Warenbeschreibung selbstironisch witzig, b) Sie verzichten auf die farbige Exotik bei der Darstellung ihrer Erzeugnisse. Will sagen, die männlichen Kleiderträger könnten Leute aus der Nachbarschaft sein.

5. August 2023

Sehe gewohnheitswidrig ein längeres Interview auf YouTube an, das Dirk Pohlmann mit dem schweizerischen, in den USA lehrenden Physiker Hans Benjamin Braun führt. Es geht um den Anschlag der USA auf die Nordstream Pipelines im September 2022. Es sei ein thermo-nuklearer Waffeneinsatz gewesen, so Braun. Erst denke ich: Wieder so eine dolle Theorie, doch von Minute zu Minute werde ich nachdenklicher. Die Aussagen sind nachvollziehbar, und sie sind sehr gut belegt. https://www.youtube.com/watch?v=q-Z1gegDGvs.

Nordstream (2): Dass die Amerikaner die Täter sind, schrieb ich bereits Tage nach dem Anschlag. Alles, was man an Fakten zusammenraffen konnte, sprach eine eindeutige Sprache. Doch dass sie Atomwaffen einsetzten, wäre mir im Traum nicht eingefallen.

Nordstream (3): Die das planten und ausführten, sind Kriegsverbrecher der Sonderklasse. Ihr Motto lautet: Wir können das, und wir tun es auch. Selbstredend sind die Beteiligten auch feige, denn, natürlich, es traut sich keiner von ihnen an die Sonne.

6. August 2023

Nach nur 48 Stunden des Abschaltens frühmorgens aus dem Fenster und auf den Nachrichtenstau geblickt: Draußen biegen sich die Bäume im Sturm und drinnen schiebt sich Afrika vor alle Quasi-Neuigkeiten. a) Zum Wetter kein Wort mehr. Nur dies: der Sommer ist vorbei. b) In Niger bahnt sich ein Weltkonflikt an, denn es geht um die Herrschaft über unermesslich wertvolle Bodenschätze. Meine letztjährige Rundreise taucht aus dem Nebel der Erinnerung auf. Hitze und Uranabbau im Wüstensand.

Muskelspiele: Vor Alaska findet ein russisch-chinesisches koordiniertes Flottenmanöver statt. US-Strategen sind empört. Jungs, jetzt bekommt ihr einen Eindruck davon, wie die Russen sich fühlen, wenn ihr hochgerüstet in der Ostsee herumschippert.

Muskelspiele (2): Währenddessen hat sich Putin mit den afrikanischen Big Bosses getroffen. Mainstream belehrt uns, dass das nur Wind vor der Hoftür sei. Ich denke, da unterschätzt man die Cleverness der Afrikaner. Sie haben gelernt, mit ihrem Pfund zu wuchern – und tun’s, wie man sieht.

7. August 2023

Vor über hundert Jahren waren Mischehen in Deutschlands besseren Kreisen beliebt, will sagen: es paarten sich Ehewillige von mosaischer Abkunft mit jenen anderen, die das nicht waren. Keiner der Betroffenen konnte ahnen, dass unter der Herrschaft des NS-Pöbels in den 1930er Jahren das modern Geglaubte zu den schlimmsten Konsequenzen Anlass gab.

Mischehen (2): Zu solchen zwischen Evangelischen und Katholiken kam es dann in den 1950er Jahren, als die Konfessionsgrenzen durch die Flüchtlingsmassen aus dem Osten gesprengt wurden und zudem der Nachkriegs-Männermangel den Frauen Anlass bot, nicht nach dem Gebetbuch zu fragen, sondern zu nehmen, was zu kriegen war.

Mischehen (3): Vor rund drei Jahrzehnten entdeckten westdeutsche Männer das Ossi-Weib und fanden es attraktiver als das Gewohnte. Von der Gegenrichtung, was die Geschlechter anbelangt, hörte ich nie.

Mischehen (4): Ein Blick auf sommerliche Straßen und Plätze belehrt darüber, dass ein bestimmter Typus sehr junger Frauen am Orientalen Gefallen findet. Auch hier ist die Sache einseitig – ganz offensichtlich. Deutsche Männer, die dabei zu kurz kommen, rächen sich, indem sie lange Flugreisen in Kauf nehmen.

9. August 2023

Es schickt der Herr den Jockel aus: Tichy weiß, dass der Business Insider weiß, dass das Kanzleramt weiß, dass der BND weiß, dass die ukrainische Segelyacht das Tatwerkzeug der Nordstream-Sprengungen war. Jungs, die Geschichte war schon vor Wochen eine lächerliche Lüge. Sie wird nicht dadurch wahrer, dass man ihr jetzt Glaubwürdigkeit dadurch unterzujubeln versucht, es würden beim Bund genau deshalb Ermittlungen wg. der Preisgabe von Dienstgeheimnissen stattfinden. Es sei denn, es wäre ein Dienstgeheimnis, die Bevölkerung mit der Yacht-Story hinter den Baum zu führen. Eine Lüge zu Staatswohlzwecken, sozusagen. Das blöde Volk soll’s nicht mitkriegen, dass es die amerikanischen Kriegsverbrecher – unsere Verbündeten – waren, die uns mit der thermonuklearen Waffe angriffen.

10. August 2023

Spätfolgen der Ganzheitsmethode beim Lesenlernen: Beim Durchblättern des jüngsten Katalogs
meines Berliner Lieblings-Verramschers bleibt mein Blick entzückt an dem Buch-Titel Laberworte hängen. Enttäuschung und Amüsement halten sich die Waage, als ich beim zweiten Hinsehen bemerke, dass es sich in Wirklichkeit um Laborwerte handelt. Nein, das werde ich nicht beschaffen.

Laberworte (2): Annalena Bb. soll gesagt haben: Die Ukraine hat ein Recht auf Selbstbeseitigung.

Laberworte (3): „Wenn die gesellschaftliche Mitte die Institutionen des Staates nicht mehr respektiert, ist absolut Gefahr im Verzug. Die staatlichen Institutionen sind der Lackmustest,“ sagte der Hundertprozent-Schulz soeben. Man lauschte ihm, weil er der Vorsitzende der Friedrich Ebert-Stiftung ist. – Nein, Meister, es ist genau umgekehrt: Wenn in einer demokratisch organisierten Republik die Institutionen die Mitte verachten, ist Feuer unter dem Dach.

16. August 2023

Vier Tage vom Schreibtisch entfernt und von der Elektronik abgeschnitten, öffnen den Blick in eine andere Welt: die Hanse am Ausgang des Mittelalters. Was für eine Macht- und Prachtentfaltung. Das Durchstreifen von Lübeck und Wismar, den beiden rivalisierenden Königinnen im Norden, gibt einen, wenn auch schwächlichen Eindruck auf das, was einmal war. Unsere heutigen Verbündeten haben viel Fleiß darauf verwendet, diese Zeugnisse in den 1940er Jahren zu ramponieren. Den Rest besorgten wir selbst: der westliche Wiederaufbau durch unglaubliche Bausünden, die östliche Variante durch mutwillige Sprengungen des Stehengebliebenen. Jeder auf seine Weise.

Vier Tage (2): Das Erlebte passt in kein Sudelbuch. Es will sorgsam bedacht und zusammengefasst sein. Meine laienhaften Fotos werden mich beim Erinnern unterstützen.

17. August 2023

Die Ausstellungsbesucherin, sichtlich euphorisch, verkündet mir die Geburt des Enkels (Ich transkribiere im Folgenden für die Nachwelt aus dem Schwäbischen). Es folgen die üblichen technischen Daten. Um etwas Höfliches zu sagen, frage ich nach dem Namen des Kindes. – Lu, sagt sie, einfach Lu, zwei Buchstaben. – Ich: Sehr sparsam. – Sie schweigt einen Moment. – Ich: Spart Tinte beim Unterschreiben. – Sie, meinen Einwurf übergehend: Das Schwesterle heißt Bo. – Aha. – Sie: Beide Namen sind absolut tschenderneutral. – Ich wende mich wieder den Bildern zu.

Ausstellung (2): Das Kunsthaus Apolda ist eine Adresse, die man kennen sollte. Seine Ausstellungen kann man ohne Übertreibung sensationell nennen. Die augenblickliche ist dem Maler Hermann Stenner gewidmet. Von dem Mann hatte ich zuvor nie gehört. Will nichts heißen, denn ich bin in Sachen Malerei ein nichtpraktizierender fröhlicher Amateur, der gerne gute Bilder anschaut. Und diese Bilder hier sind gut. Sehr gut sogar.

Ausstellung (3): Die Bilder stammen aus einer Privatsammlung aus Stenners Heimatstadt Bielefeld. Nach Schließung der Ausstellung in Apolda wird die Sammlung verkauft. Ich nehme an, dass die mittlerweile greisen Sammler Geld brauchen. Eine Stadt, die auf sich hielte, käme leicht auf die Idee, diesen Fundus anzukaufen. Tut sie aber nicht. Ist halt Bielefeld. Mir fallen dazu nur unangenehme Witze ein.

Ausstellung (4) Stenner, der Maler, um den es hier geht, wurde ganze 23 Jahre alt. Er ist als Kriegsfreiwilliger am 5. Dezember 1914 bei einem Sturmangriff an der Ostfront im heutigen Polen gefallen. Er wurde so – sicher ganz unfreiwillig – zum Frühvollendeten. Was er hinterließ, versetzt den Betrachter in Erstaunen.

Ausstellung (5): Von akademischem Malen, so schrieb Stenner, hielt er nicht viel, aber er konnte es. Und wie. Er durchraste in seinem jungen Leben ganze Malerei-Perioden, von denen mir seine impressionistischen Bilder am meisten zusagen. Ich unterlasse es, sie zu fotografieren, denn ich weiß, den Blickeffekt im Wechsel von nah und fern, kann die Kamera nicht festhalten. So belasse ich es bei einigen anderen Sachen. Szenen vom Jahrmarkt in Bielefeld und dem Spaziergang an der Bahn. Bei der eher unscheinbaren Zeichnung Zwei Frauen unter den Zypressen muss ich unwillkürlich lachen. Warum nur?

18. August 2023

Frühmorgens zwischen fünf und sechs wird es nur zögernd hell. Dichter Nebel und völlig windstill. Kein guter Tag für die Erneuerbaren. Sieht man mit bloßem Auge.

Früh am Morgen (2): Frage mich, warum nicht mal die Vögel von sich hören lassen. Auch für Rasenmäher ist es noch zu zeitig. Gottseidank.

„Hätte ich anders formuliert,“ ist eine Einwendung, die grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, zeigt sie doch, dass der andere sich mit den eigenen Gedanken beschäftigt hat. Erst die routinemäßige Wiederholung weckt den Verdacht, es könne sich um Nörgelei handeln.

Es ist anders (2): Einwendungen gegen meinen Wera Gutschkowa-Aufsatz von gestern sind über Nacht eingetrudelt. Warum lesen die Leute sowas Abseitiges in der Nacht? Die Briefzeilen selbst belegen, dass das Lesen nur flüchtig gewesen sein kann. Aber interessant sind sie schon. Die Gedanken haben offenbar bei Reizwörtern zugeschnappt, ohne den Kontext zu erfassen. Sowas nennt man Schnellschuss.

Die Hornisse, die gestern Abend gegen zehn ins Wohnzimmer kam, ist wohl wieder weg. Wusste gar nicht, dass die auch im Dunkeln fliegen können. Weiß es jetzt aber. Das Insekt war unangenehm groß und machte einen bedrohlichen Brummton. Im Vergleich dazu sind die Wespen am Nachmittag auf der Südseite des Hauses geradezu putzig.

Und auch das noch aus fremder Feder, bevor das Tagewerk beginnt. „Ablasshandel: Statt Kerosin hätte man auch Annalena ablassen können“ (Leserbrief aus der Zellerzeitung). Noch was, auf die Schnelle: Kann man sagen: Das nächste Manuskript scharrt schon mit den Füßen?

19. August 2023

Erste Konsequenzen des Wachtwechsels bei den Soros-Menschen-Verbesserungs-Stiftungen: Der angekündigte Rückzug aus der EU. Glaub ich kein Wort von. Wäre nämlich zu schön, um wahr zu sein. – Ist vielleicht der Erkenntnis geschuldet, dass andere mildtätige US-FamilienStiftungen auch ohne Soros-Sohnemann die allfällige Gemeinnützigkeit gegen die hiesigen Völker walten lassen können.

Soros (2): Die Früchte der von ihm gesponserten Wahlen der Bezirksstaatsanwälte (sogenannte Demokraten) in den USA zeigen sich beim scheinbar unkoordinierten, in Wirklichkeit jedoch dezentralen Vorgehen gegen Trump. Neuerlich in Georgia. Bald wird der Mann so von Anklagen der abenteuerlichsten Art zugeschüttet sein, dass an die Präsidentenkür nicht mehr zu denken ist.

Ostfront: Sie hat sich, wie von Wunderhand gesteuert, aus den Nachrichten geschlichen. Nur noch ab und an ein zerbombter ukrainischer Getreidespeicher, damit wir die Empörung nicht gänzlich verlieren.

Ostfront (2): Was mag da vorgehen? Erschöpfung auf der einen und Beharren auf dem Erreichten auf der anderen Seite. Langsam ahnt man im Wertewesten, dass es aus Sicht der Russen nichts zu verhandeln gibt. Halte das für falsch, denn die russischsprachigen Brennpunkte der Industrie von Charkow, der Werften von Nikolajew und des Hafens von Odessa sind nicht vom Tisch, sondern bestenfalls aufgeschoben, was zur russischen Mentalität des Schritt für Schritt passen würde. Wir werden noch davon hören, wenn auch nicht heute.

Ostfront (3) Was ist mit den Polen und ihrem Rüstungs- und Einmarsch-Geschrei? Sind dort offenbar mit innenpolitischem Wahlkampf-Getöse ausgelastet.

Ostfront (4): Der Kolonialherr blickt versuchsweise nach Afrika. Das wäre eine Erklärung für die Stille, die sich wie ein Leichentuch über die Ukraine senkt. Schlimmer noch: Es wirkt, als würde ein verwöhntes Kind ein benutztes Spielzeug wegwerfen.

Ostfront (5): Nur noch Soros (siehe oben) will erklärtermaßen in dem unglücklichen Land weiter wirken – im Ersten Weltkrieg sprach man frontübergreifend von den Hyänen des Schlachtfeldes (der Arnstädter A. Paul Weber hat sie genial portraitiert).

20. August 2023

Der Ex-Chef des BfV, Hans-Georg Maaßen, werde, so lese ich, nachrichtendienstlich überwacht.
Willkommen im Club.

Maaßen (2): Das ist, falls sein Nachfolger hierfür in überholendem Gehorsam verantwortlich ist, keine kluge Entscheidung im Sinne des Machterhalts, denn der Ex-Verfassungsschutz-Chef stellt so etwas wie einen Rettungsring für seine Partei, die CDU, dar. Er hält Altwähler bei der Stange, die noch der Illusion einer konservativen CDU anhängen und deswegen das gewohnte Kreuzchen machen sollen. Wenn man die vergrault, wird die Luft um die Funktionärskaste dünn. – Nun ja, man kann nicht alles haben.

Maaßen (3): Urkomisch ist die Meinung seiner Mitfunktionäre in der Werteunion bezüglich des Ukraine-Konflikts. Ein Mitvormann erklärte mir unter Berufung auf den Ex-Geheimen, es sei gesicherte Erkenntnis, dass der Putin nach der Ukraine Warschau einnehmen und dann auf Berlin marschieren werde. Dem vorzubeugen, sei die Kriegsbeteiligung unerlässlich. Ich riet ihm, sich rasch eine Fahrkarte nach Kiew zu kaufen.

21. August 2023

Merkwürdig: Die Seriosität des britischen Nationalarchivs Seiner Majestät in Kew (TNA) erschien mir früher nicht diskussionsbedürftig. Und jetzt?

TNA (2): Während der sog. Pandemie konnte ich kostenfrei Akten herunterladen. Das ist vorbei. Dafür bietet man mir wieder Dinge, die ich schwerlich entbehre, zum Kauf an. Bei einem gerahmten Portrait von Thomas Morus („lass Minderwertige für dich kämpfen“) habe ich einen Moment gezögert. Aber jeden Früh an die Kriegsgrundsätze unserer anglo-amerikanischen Rivalen erinnert zu werden, erscheint mir doch übertrieben.

Archive (3), diesmal meines: Die gestrige Suche nach der Hyäne von A. Paul Weber (Eintrag von vorgestern) hat Stunden gedauert, weil ich vieles mit Wiedersehensfreude in die Hand nahm, was ich überhaupt nicht gesucht hatte.

22. August 2023

Der Spezialist ist einer, der etwas kann, aber nicht weiß, was er tut.

Spezialist (2): Man bedient sich seiner, weil man etwas weiß, aber nicht beherrscht, wie man es tut.

Spezialist (3): Was passiert, wenn man solche des Militärs einfach machen lässt, durften die Deutschen im Sommer 1914 erleben. Der vom Großen Generalstab stolz ausgerechnete und angewendete Schlieffen-Plan eines Zweifrontenkrieges (Frankreich niederwerfen, bevor die russische Dampfwalze anrollt) war einen Tag nach Kriegsbeginn gescheitert, denn da standen die Russen bereits diesseits der Grenzen in Ostpreußen.

23. August 2023

Als 1913 in Moskau ein Mann das Ölgemälde Iwan der Schreckliche und sein Sohn des russischen Malers Ilja Repin mit dem Messer zerschnitt, witzelten die russischen Kritiker des Meisters: Iwan der Schreckliche leistet seinem Sohn Erste Hilfe.

Russischer Witz (2): Über alle Hochs und Tiefs der politischen Epochen hinweg begleiten solcherart Äußerungen die uns oft kaum zu begreifende Hinnahme der Ereignisse. Dabei sind sie von schneidender Schärfe – vermutlich ein Gegengewicht zur Knute.

Russischer Witz (3): Ich lese das Mammut-Buch 1913 des Schweizers Felix Philipp – nein, ich versuche es nur, denn es ist unlesbar. Hängen bleibt, dass die seinerzeit dortzulande agierenden Künstler alles das vorwegnahmen, was uns heute noch als künstlerisch avantgardistische Ausdrucksform, in welcher Sparte auch immer, unverständlich ist. Das Unbegreifliche hat dem Nachruhm ihrer Schöpfer nicht geschadet, aber schön zu nennen, ist es nicht.

Russischer Witz (4): Wenn du zwischen zwei Herren wählen kannst, so nimm den, der deine Sprache spricht.

Übern Teich: Gastbeitrag von Adam Grant in der New York Times von vorgestern: Wahlen sind schlecht für die Demokratie. – Gut, dass das endlich mal einer sagt.

Übern Teich (2): Die Verfahren gegen Trump in Georgia werden immer skurriler. Jetzt wurden die ersten Mitarbeiter von ihm in Haft genommen. Das angeklagte Delikt: Racketteering (=organisiertes Gangstertum).

24. August 2023

Über Nacht: Ein Privatflugzeig mit dem russischen Söldnerführer Prigoshin an Bord soll bei Moskau abgestürzt sein. Spätestens im Laufe des Tagen werden wir hören, dass das der pöse Putin war. Das ist natürlich Blödsinn, aber es klingt gut.

Über Nacht (2): Derweil besucht der Gescholtene die Stadt Rostow am Don. Da befindet sich das HQ der Operationen. Die Experten wissen deswegen, dass jetzt die Gegenoffensive zur Gegenoffensive starten werde. Ob ich will oder nicht: Vor meinem inneren Auge zieht der Bewegungskrieg in dieser Gegend in den Jahren 1942/43 vorbei. Nein, so wird es sicher nicht zugehen. Schon deswegen nicht, weil die ukrainische Armee über keinen Rückzugsraum nach Westen verfügt. Jenseits des Dnjepr beginnt das Ende der jetzigen Staatlichkeit.

25. August 2023

Einen Zufall kann man auch herbeiführen. Ich suche beim Schreiben einer Geschichte über die russische Militäraufklärung (Raswjedka) nach einem Mann, der vor dem Ersten Weltkrieg den Spionagestützpunkt in Skandinavien gegen Deutschland leitete, Oberst Assanowitsch (Асанович). Ich finde ihn, aber ganz wo anders, in einer Fotosammlung aus dem Oktober 1914 über den russischen Vormarsch, respektive den Rückzug der k.u.k. Armee in Galizien. Da begleitet er westliche Korrespondenten.

Kein Zufall (2): Danach habe ich gar nicht gesucht, aber das Auge bleibt an der schier endlosen Leere des Landes hängen. Seltsamer Widerspruch. Es sind die Flüsse, die eine sichtbare Unterbrechung darstellen. Auf den entdeckten Fotos der Dnjestr. Ich suche ihn auf der Karte. Heute durchtrennt er die westliche Ukraine und das östliche Moldawien. Wie lange wohl noch?

Kein Zufall (3): Im eroberten, offenbar unzerstörten Lemberg dominieren ordentliche Gebäude und buntes Volk auf den Straßen, ein Teil der Läden geschlossen, die Aufschriften noch deutsch.

Kein Zufall (4): Um die gestrige Orakel-Kirmes zum Absturz von Prigoshin vorherzusagen, musste man kein Prophet sein. Gewundert habe ich mich nur über die Stellungnahme aus dem Pentagon, das Flugzeug sei nicht mit einer Rakete abgeschossen worden. Hatte das jemand gefragt?

26. August 2023

Vorurteil: Bevor ich die Reife der Jahre zu spüren kriegte, habe ich die Romane von Theodor Fontane für Alteleutekram gehalten, selbstredend ohne auch nur einen davon gelesen zu haben. Das habe ich dann nachgeholt, wodurch sich, genau genommen, meine ursprüngliche Meinung als wahr herausstellte. Jetzt allerdings scheue ich mich, diesen Gedanken zu äußern, weil er mir so unendlich blöd vorkommt.

Vorurteil (2): Als ich dennoch bei Tisch diesen Gedanken – zu meinen Gunsten leicht verpackt – äußere und hinzufüge, dass meine Bewunderung des Meisters auch damit zusammenhänge, dass dieser mit dem Romanschreiben erst begann, als er mein reifes Alter erreicht hatte, erfahre ich so etwas, was man mit höflich spottender Zustimmung bezeichnen könnte. Dabei war mein Monolog eher absichtslos entstanden.

Vorurteil (3) oder sowas kommt von sowas: Über Nacht weist Niger erst den französischen, dann den deutschen Botschafter aus Land (dem aufmerksamen Leser M.E. sei Dank – nicht für den Umstand, sondern dass ich es so erfahre). Meine Geschichtsbesessenheit legen mir den Schluss nahe, dass Staaten so handelten, wenn sie sich nichts mehr zu sagen hatten und, wo doch, nun, wie man einstmals geschwollen formulierte, die Waffen sprechen sollten.

Vorurteil (4) oder sowas kommt von sowas: Man äußert sich nicht ungestraft gegenüber anderen Ländern im neokolonialen Stil, dem sich unsere herrschende Kaste befleißigt (Klein-Erna-Englisch inklusive). Zwar ist Afrika weit, doch die Einschläge kommen näher (The one-beats come nearer).

27. August 2023

Mit Verlaub ist eine herrliche Füllsel-Floskel, die ganz aus der Mode gekommen ist. Komme, drauf, weil ich über ein russisches „c увашением“ stolperte, was ich nicht zu deuten wusste. Jetzt weiß ich es: mit Verlaub.

Mit Verlaub (2): Die Dummheit der Kaste wird nur noch durch ihre Selbstherrlichkeit überboten.

Mit Verlaub (3): Vermelde der guten Ordnung halber allhie das Erscheinen des jüngsten Senioren Akrützels (No. 49) von Bernd Zeller:
https://seniorenakruetzel.blogger.de/static/antville/seniorenakruetzel/files/seniorenakruetzel%2049.pdf,

Mit Verlaub (4): Das offizielle Haft-Foto von Trump von vorgestern verdient festgehalten zu werden, auch wenn die Haft nur 20 Minuten andauerte.

Mit Verlaub (5): Betrachte zum Vergleich einige der Fotos, die man in Russland während der Großen Säuberung von verhafteten Politikern und Geheimdienstlern anfertigte. In meiner Sammlung sind es Hunderte.

28. August 2023

Wenn nichts los ist, macht man was los. Hatte mir vorgenommen, mich um das Scheinproblem eines angeblich von vom bayerischen Politiker Aiwanger stammenden Flugblatts nicht zu kümmern, über das jetzt der Medienpöbel hetzt und die Selbstgerechten sich in scheinbarem Schmerz winden. Bis, na ja, bis ich es jetzt wider Willen zu lesen kriegte. Es ist Schülerkram und dementsprechend blöd, über 30 Jahre alt. Wenn der Verfasser, der übrigens nicht der Gescholtene sein muss, dazu aufgerufen hätte, Bullen zu klatschen und deren Kinder zu vergewaltigen, ginge es locker als Jugendsünde durch. Hat er aber nicht, sondern sich über die Verengung des Geschichtsunterrichts auf die NS-Verbrechen lustig gemacht. Drastisch und saublöd, Schülerkram eben.

Saublöd (2): Was mich zum Lesen des Flugblatts veranlasst hat, waren die ganz und gar ernst gemeinten Beitrage bei den sog. Alternativen, die sich bemüßigt sahen zu analysieren, ob das Flugblatt den sogleich erhobenen Antisemitismus-Vorwurf trage. Schon in die Falle gegangen. Ich auch.

29. August 2023

Die Abhörbehörde im NS-Staat war 1933-45 das Forschungsamt. Der ab Frühjahr 1933 u.a. als kommissarischer preußischer Ministerpräsident und Innenminister amtierende NS-MultiFunktionär Hermann Göring ließ es installieren und unterstellte es sich selbst, um seine Feinde überwachen zu können. Bei Kriegsende wurden die Akten vernichtet.

Abhören (2): Im heutigen Deutschland bestehen für Polizei und Dienste feste Regeln, die ein willkürliches Abhören verhindern sollen. Sie wurden während meiner einschlägigen Dienstzeit eingehalten. Davon ist heutzutage nicht mehr auszugehen, wie der Fall Maaßen-Krall drastisch zeigt.

Abhören (3): Die Besserwisser wissen, dass ihnen sowas nicht passieren könne. Sie irren sich gleich mehrfach.

Abhören (4): Die Wohlmeinenden debattieren, ob der Rechtsstaat in Gefahr sei. Nein, ist er nicht. Er existiert nicht mehr.

30. August 2023

Schreiben um des Schreibens willen, das ist wie Geschwätz, nur eben mit der Hand.

Schreiben (2): Bis gestern wurde tatsächlich die Hand gebraucht. Jetzt tut es angeblich auch ein Mikrophon, in das man hineinschwätzt. Versuchte das vor geraumer Zeit. Das Ergebnis war so lächerlich, dass ich es gleich wieder bleiben ließ.

Schreiben (3): Allerdings, solange ich eine vorzügliche Sekretärin hatte, genügte auch mein Geschwätz. Liegt weit, weit zurück. In der Zeit hatte ich das Selberschreiben verlernt. Unglaublich, aber wahr.

Schreiben (4): Wir Schreibgewohnten sind auf der Verliererstraße, weil das Lesenkönnen in Vergessenheit gerät. Die Leute begnügen sich mit Geschwätz, neudeutsch: Podcasts (merke gerade zu meinem Vergnügen, dass ich das Wort nicht mal richtig schreiben kann).

31. August 2023

Meinen gestrigen Gedanken zur Entschriftlichung unserer Gesellschaft und deren Folgen schließe ich mit dem aktuellen Beitrag von Bernd Zeller ab, den ich in mein Sudelbuch einklebe. Man könnte denken, ich hätte ihn bestellt, habe ich aber nicht.

Bleibt noch eine Ergänzung: In meinen schwärzesten Gedanken sehe ich Horden von Analphabeten durchs Land ziehen, die Jagd auf Bücher und deren Besitzer machen. Ihre Anstifter – die Priester der Gleichheit und die des Propheten – werden darüber in Streit geraten, wer den
ersten Stein geworfen habe.


©Helmut Roewer, Zeichnungen Bernd Zeller, August 2023