Die Umwerte-Union
Das letzte Video von H.-G. Maaßen hat mir die Fingernägel gekräuselt. Nicht wegen dem Sprech, sondern wegen der Kulisse. Maaßen sitzt unpassenderweise vor der Reproduktion eines Nietzsche-Porträts des norwegischen Malers Edvard Munch aus dem Jahr 1906. Friedrich Nietzsche war sechs Jahre zuvor verstorben. Daher mußte Munch entgegen seiner sonstigen Arbeitsweise auf Fotografien des Porträtierten zurückgreifen. Das Bild geht auf eine Anregung Elisabeth Förster-Nietzsches zurück, verblieb als zweite Fassung im Besitz von Munch und wird im Munch-Museum Oslo ausgestellt.
Munch schrieb zur Erklärung seines Motivs: „Ich habe ihn [Nietzsche] als Zarathustras Dichter zwischen den Bergen seiner Höhle dargestellt. Er steht auf seiner Veranda und sieht hinab in ein tiefes Tal. Über den Bergen steigt eine strahlende Sonne empor. Man kann sich den Ort, von dem er spricht, vorstellen als einen, an dem er im Licht steht, sich aber ins Dunkel sehnt – jedoch auch nach vielem anderen.“
Nitzsche selbst plädierte für die Umwertung der Werte, wobei er sich oft völlig verstieg. Insbesondere seine Kriegsbegeisterung und die heftige Frauenfeindlichkeit waren schon zu seinen Lebzeiten stark übermotiviert. Er wurde zum Vordenker der Jugendbewegung, aus der zunächst die harmlosen Wandervögel, später die nicht ganz so friedlichen Expressionisten, Bolschewiken und Nationalsozialisten hervorgingen. Heute die Klimasekte.
„Ich lehre euch den Übermenschen. Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr gethan, ihn zu überwinden?“
„Der Übermensch ist der Sinn der Erde. Euer Wille sage: der Übermensch sei der Sinn der Erde!“
„Zu meinem Ziele will ich, ich gehe meinen Gang; über die Zögernden und Saumseligen werde ich hinwegspringen. Also sei mein Gang ihr Untergang!“
„Von allem Geschriebenen liebe ich nur Das, was Einer mit seinem Blute schreibt. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, daß Blut Geist ist.“
„Ihr sollt den Frieden lieben, als Mittel zu neuen Kriegen. Und den kurzen Frieden mehr als den langen.“
„Der Krieg und der Muth haben mehr große Dinge gethan, als die Nächstenliebe. Nicht euer Mitleiden, sondern eure Tapferkeit rettete bisher die Verunglückten.“
„Ist es nicht besser, in die Hände eines Mörders zu gerathen, als in die Träume eines brünstigen Weibes?“
„Der Mann soll zum Kriege erzogen werden, und das Weib zur Erholung des Kriegers: Alles andere ist Thorheit.“
„Noch ist das Weib nicht der Freundschaft fähig: Katzen sind immer noch die Weiber, und Vögel. Oder besten Falles, Kühe.“
Friedrich Nietzsche verstand den „Willen zur Macht“ als Urinstinkt, genauso wie die Herrschaft „gesunden“ Gefühls und Instinkts. Ziel war der „Übermensch“, ein höheres Wesen, das die Herrschaft über sich selbst und damit eine höhere Sittlichkeit erreichen sollte. Er leitete eine Revolte gegen den Empirismus ein, die besonders in den deutschsprachigen Ländern, Paris, Rußland, Katalanien und Norditalien Einfluß gewann. In seiner Kriegsbegeisterung war er extremer als Annalena oder die Rheinmetall-Aufsichtsrätin ASZ.
Warum sitzt Maaßen vor einem Nietzsche-Porträt? Ist er Vorsitzender der Umwerteunion? Kennt er sich in Kulturgeschichte nicht aus? Will er provozieren? Viele in der Opposition sind etwas desorientiert und kennen die Wurzeln, dessen was sie bekämpfen wollen, nicht. Nietzsche war einer der Erfinder des Neuen Menschen und des Great Reset. Schwab, Soros und Gates sind seine ideologischen Diadochen.
Die Opposition braucht noch viel Selbstfindung, bevor sie klar agiert. Ich bin froh, daß ich aus der CDU schon vor vierzehn Jahre raus bin. So, nun zur Versöhnung noch ein Gedicht:
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Hast du einen Menschen gern, so musst du ihn versteh’n. Musst nicht immer hier und da, seine Fehler seh’n. Schau mit Liebe und Verzeih‘, denn am Ende bist du selbst nicht fehlerfrei.“ (Geh. Rath v. Goethe)
Was soll dieses Nietzsche-Bashing? Was bringt das? Das ist nichts anderes als das, was die Regimejustiz seit Jahren mit Höcke veranstaltet. Oder so, wie man Luther usw. des Antisemitismus bezichtigt.
Naja, auch wenn der N. im Osten verboten war, sein Übermenschgedöns ist BS, Esoterik, Fantasie, abgedreht von jedem normalen oder biblischen Menschsein.
Frank D. Was haben Sie von Nietzsche gelesen.? Oder stammt Ihre Einschätzung Nietzsches von Hörensagen?
Habe schon paar Teile von ihm gelesen, allerlei gelbe Heftchen, auch graue. Ist aber auch paar Jahre her. Könnte die vielen Seiten jetzt nicht auswendig aufsagen. Sie vielleicht?
Der „Wille zur Macht“ wurde doch als Fake der auch und gerade ohne ihren Bruder scharf eugenischen und deutsch-chauvinistischen Schwester entlarvt.
Ich lese N. gern als Expressionismus-Vorgriff, als Künstler, als Dichter. Philosoph, naja.
Vielleicht will Maszen Merkel überwinden?
Die Umwertung aller Werte ist ein griechischer Ausspruch, bezogen auf Moral und Münzen, ein Wortspiel, Sophisterei. Ich meine, Vorsokratiker…
Ja, man muss es vielleicht etwas niedriger hängen. Wer weiß, ob HG den über-bewerteten Maler über-haupt kennt (ist aber auch ohne Kenntnis dieses Bildes sofort erkennbar) oder um die Bedeutung weiß – und nicht jeder kann mit den historischen Kenntnissen des Blogwirts konkurrieren; ergo : von Maaßen, der sich hat unterbuttern lassen wie Merz, nicht verlangen, was er nicht kann ..
Der Nitzsche war so ungefähr der Karl Marx für den Gymnasiasten und Bildungsbürger. Das Gute am Kaiserreich: Es gab noch nicht so viele Geistesheroen. Das Schlechte: Letztere hatten damals so die Medien gekapert, wie es heute die Klimasekte hinbekommen hat.
Nietzsches Übermensch ist antikollektivistisch und eigenverantwortlich. Damit steht er den Vorstellungen vom neuen Menschen der Transhumanisten und der radikalen Linken entgegen. Vielleicht nahm Maaßen das Gemälde als Zeichen für Widerspenstigkeit und Selbstdenken.
Auch Hermann Hesse schrieb: „Eigensinn macht Spaß“.
Friedrich Nietzsche ist in seinem Heimatort Röcken begraben. Das Grab gibt es heute noch. Röcken liegt bei Lützen und Lützen unweit von Leipzig. Nietzsches Grab war immer auch zu DDR-Zeiten mit Blumen geschmückt. Die Blumen wurden auch nie zwangsweise beseitigt oder die Blumenschmuck denunziert. Nietzsche mag kurios und eigensinnig gewesen sein wie er war, ein Wegbereiter des Nationalsozialismus war er, glaube ich, nie.
Insofern Nietzsche Kampf und Bewegung verherrlichte, wurde er von den Nazis genutzt. In krassem Gegensatz zu seinen Schriften stehen Führerkult, Einheitspartei und Gleichschaltung.
In der historischen Literatur werden hauptsächlich die italienischen Futuristen nach Marinetti, dann Mussolini selbst und natürlich die französischen Staatsphilosophen als Nietzsche-Anhänger gezählt.
Da Nietzsche für die Reichsdeutschen und das Deutsche Reich nicht viel übrig hatte („Deutsch sein heisst sich entdeutschen!“), haben Hitler und seine Entourage vorwiegend die bekloppte Schwester hofiert. Die fälschte ja dann auch zusammen mit Peter Gast ordentlich in seinem Werk herum, bis zu DDR-Zeiten eben die Italiener Colli und Montinari eine vernünftige Ausgabe auf die Beine stellten.
Donnerwetter, weiter so. Bin ganz begeistert über den intellektuellen Aufruhr der Leserschaft. Nur eine winzige Ergänzung zum Bild: Sah im letzten Sommer das Original (nach meiner Erinnerung 2 X 1 m) in Oslo im Museum, das die dankbaren Stadtväter dem Sohn der Stadt direkt an die Seefront des Sundes gebaut haben. Das Museum ist ein Riesentrumm und wirklich sehenswert mit toller Aussicht auf die Stadt und ihre Umgebung. Die Bilder drin (der Schrei in mindestens hundert Varinanten) sind eher Geschmackssache). Meiner ist es nicht. – Stelle mir gerade vor, dass die Stadt Schilda, wo der große N. dahingesiecht ist, dem Verblichenen ein gewaltiges Denk-Gerüst – ähnlich dem Turm zu Bbek – auf den Markt stellt. Stattdessen ein neues Bauhaus-Museum: von außen ein Nichts und innern ist auch nichts.